Bei 1000 Grad in Holz- oder Elektroöfen gebrannte Markenware

Hermannstadts Töpfermarkt hält noch immer, was er verspricht

Töpfer Ovidiu Boitor hatte auch handgroße Kopien frühchristlicher Öllampen parat und musste regelmäßig aus der Flasche nachfüllen. Als Docht genügt ein kleines Stück Faser vom Wischmopp, und je mehr Dochte eine Öllampe hatte, desto wohlhabender galt damals ihr Besitzer, weil er sich erhöhte Mengen Öl leisten können musste. Foto: Klaus Philippi

Hermannstadt – Obwohl es keine Regelung für das Zuweisen von Stammplätzen gibt, waren sie alle wie gehabt sehr einfach für ihre treue Kundschaft am Großen Ring/Pia]a Mare auszumachen: einen Qualitätssprung erwartet man freundlicherweise zwar nicht vom Hermannstädter Töpfermarkt/Târgul Olarilor de la Sibiu, da sein Niveau ohnehin beachtlich ist, und doch tut es gut, jedes Mal von Neuem eine Keramik-Messe erleben zu können, die an beiden Tagen auf Wertbeständigkeit setzt. Samstag, am 31. August, sowie Sonntag, am 1. September, war Ionel Cococi aus V²dastra im Kreis Olt an derselben Markt-Ostseite wie eh und als Bieter großer Vasen, Kannen und Teller aus schwarz gebranntem Lehm und mit weißen Mustern präsent, und die weitaus längste Fahrt nach Hermannstadt dürfte auch diesmal das Töpfer-Ehepaar Victoria und Vitalie Parlui aus Chișinău zurückgelegt haben – die Einzigen aus der Hauptstadt des Nachbarlands östlich vom Pruth aber waren sie nicht, weil auch Adrian und Violetta Triboi sich ein paar wenige Schritte weiter weg unter die Stammgäste am Großen Ring gereiht hatten. Als nochmal höher eingestuft gilt allein der Töpfermarkt „Cucuteni 5000“ in Iași, der an den letzten drei Juni-Tagen im Copou-Stadtpark viele Blicke auf sich zog.

Nicht mit von der Partie waren leider Ilona Tóth und ihr Mann aus dem Kreis Covasna und die handwerkliche Stiftung Guzsalyas aus Sfântu Gheorghe/Sepsiszentgyörgy, deren Gebrauchsgegenstände inklusive künstlerischer statt allein traditionsbewusster Gestaltung Töpfermarkt-Kenner Hermannstadts sehr vermisst haben dürften. Auch farblich originelles Mitmachen aus Ungarn, woran man sich vor wenigen Jahren gerne gewöhnt hatte, blieb diesmal erneut aus und das töpfernde Rumänien unter sich, die Anreise der Familien Parlui und Triboi aus der Republik Moldau ausgenommen. Kachel-Experte Arpad Pall aus dem szeklerischen Corund/Korond dafür berichtete stolz davon, seine Kreationen unlängst im Budapester Burgviertel feilgeboten zu haben, griff auf Wunsch von Kundschaft nach den quadratischen Plaketten mit dem Reiterkönig Ladislau darauf und wusste besonders mit Fingerzeig auf seine siebenbürgisch-sächsisch bemalten Krüge das vor Jahrhunderten von den Hutterern geprägte und ausschließliche Verwenden der Farben Gelb, Grün und Blau zu bestätigen. Dass sie heute in Kanada leben, ist für ihn nicht weniger selbstverständlich wie der Gelbton als Inbegriff der Sonne und ihrer Eigenschaft, Arbeitenden Energie zu spenden. Glücklicherweise mit dabei waren die Profis vom Temeswarer Atelier D&D Art Srl, deren Butterdosen, Kaffeebecher, Lebensmittelbüchsen und Blumenvasen in sprühenden Farbkombinationen letztes Jahr zur selben Zeit nicht auf den Regalen des Hermannstädter Töpfermarkts wiederzufinden gewesen waren. Was einem die Stadt selbst wert ist, konnte man als ihr Gast oder Einheimischer am Stand des Ateliers „Povești din lut“ aus Târgoviște im Kreis Dâmbovița orten, wo alte Wohnhäuser wie etwa jene am Kleinen Ring/Piața Mică in Miniatur zum Stückpreis von 20 Lei verkauft wurden – umgerechnet nur 600 Lei für manche Gassen oder Plätze, die Normalverdiener sich im wirklichen Leben nie leisten könnten!

Schade natürlich, obwohl seit ein paar Jahren nicht überraschend, dass der Hermannstädter Töpfermarkt sich Tische voll kitschiger Ware wie den Blumentöpfen von Oana Zamfir aus Giroc im Kreis Temeswar leistet, die am vergangenen Wochenende sogar ein Pendant am Standort von Töpfer Emanuel Ion Geamănu aus Horezu hatten. Doch solange Neueinsteiger wie Zahnarzt Ovidiu Boitor, Ex-Schüler des Brukenthal-Gymnasiums und freischaffender Künstler im „Ergoceramic Studio“ sich gerne an die Vorgabe der Töpfermarkt-Veranstalter halten, unter keinen Umständen niveaulos „Gartenzwerge“ oder Ähnliches aufzureihen, hat das Keramik-Traditionsfest auf dem Großen Ring beste Karten, sein 60. Jubiläum im übernächsten Jahr ohne Qualitäts-Einbußen zu erreichen.