Hermannstadt – Rote und weiße Flaschenweine aus Purcari in der Republik Moldau sind auf den klein und nett gedeckten Büffet-Tischen zu den Vernissagen am Brukenthalmuseum nicht etwa eine Ausnahme, sondern stets die erste und einzige Wahl der Gastgeber. Und doch muss die vom ältesten Museum des modernen Rumänien am allermeisten geschätzte Rebsorte Freitag, am 23. September, ihre Geschmacksnote noch intensiver als üblich auf Zunge und Gaumen von Kunstkennenden preisgegeben haben. Das Synästhetische der Präsentation bronzener Skulpturen von Meister Ion Mândrescu aus Suceava war nicht zu überbieten. Was ihm 2015 im österreichischen Salzburg zum Rumänischen Nationalfeiertag als Vorstellung einer künstlerisch bildenden Konzentration und Vervollkommnung von „Mensch, Zeit, Raum“ glückte, zeichnet ihn noch bis Mitte Oktober 2022 in Hermannstadt mit der auf Rumänisch identischen Katalog-Überschrift „Omul, timpul, spa]iul“ aus. Die historische Bukowina und Moldau halten betrachtend wie trinkend viel Edles bereit, das auf dem alten Kontinent noch heute für ein gutes und genüssliches Leben unverzichtbar ist.
Als Alumnus des nach Nicolae Grigorescu benannten Bukarester Instituts für Bildende Kunst zu tief kommunistischer Zeit hat Ion Mândrescu das Rad niemals neu erfinden wollen und verfolgt auch heute nicht das Ziel, allein einer eingebildet oppositionellen Haltung zuliebe jedwede Konditionierungen außer Acht zu lassen. „Wer keine figurativen Skulpturen schaffen kann, scheitert auch an den abstrakten.“
Menschen „sterben, um geboren zu werden“, wenn man bereit ist, sich auf das zornige Grübeln, vergebliche Festhalten und abrupte Fallen dreier ineinander fließender Körper einer Skulptur von Ion Mândrescu einzulassen, die im hinteren von zwei Innenhöfen des Brukenthalpalais am Großen Ring/Pia]a Mare für das Credo eines Bildhauers alter Schule von echtem Schrot und Korn spricht. „Die Worte stecken in diesen Objekten“, bemerkte der 1954 in Suceava geborene und nach wie vor dort lebende Gast. Dass ihm die Worte vor lauter Rührung nach nur wenigen Sätzen im Hals stecken zu bleiben schienen und die Eröffnung seiner eigenen Ausstellung ihm selbst die Sprache verschlug, war nicht gespielt. Ion Mândrescu, der als Mitglied der Innung der Bildenden Künstler Rumäniens (UAP) seit 1984 exponierend Europa und die ganze Welt bereist hat, war auch in Hermannstadt/Sibiu vom Interesse an seiner Perspektive schwer beeindruckt.
Das Rad ist sein liebster Kunstgegenstand. Im eigentlichen Raum seiner Ausstellung am Brukenthalmuseum zerlegt er für sich und seine Zuschauer das Runde Ausschnitt um Ausschnitt in so viele Einzelteile wie möglich. Genauso auch die menschliche Hand, die am Rad zu drehen – oder seine Bewegung aufzuhalten? – versucht. Vollständig, das heißt mit allen zwölf Speichen daran und einem in der Nabe festsitzenden hageren Mann, der mitten im Drehmoment um Orientierung ringt, ist es nur draußen im Hof. Der Katalog der Ausstellung merkt an, dass dieses Motiv auf Don Quijote anspielt. Aber auch die Vorstellung seiner Verkörperung von Herkules als Vollbringer der zwölf ihm aufgetragenen Heldentaten liegt sicher nicht gänzlich falsch.
Obwohl oder gerade weil sie nicht schwer zu verstehen sind, räumt Kuratorin Dr. Iulia Mesea vom Brukenthalmuseum den Skulpturen von Ion Mândrescu „Kraft“ und „etwas Durchwühltes“ ein, womit letztlich das menschliche Schicksal hinterfragt wird. Dr. Constantin-Emil Ursu, Direktor des Museums der Bukowina, ließ sich von Dr. Alexandru-Constantin Chituță, dem Mitte September interimistisch berufenen Direktor des Brukenthalmuseums, nicht zweimal auf weitere Einladungen nach Hermannstadt ansprechen: „Wenn Sie uns einladen, haben wir jederzeit etwas, womit wir vorbeischauen können!“