Rhythmisch klappern Pferdehufe über die staubige Schotterstraße. Ein vollbesetzter Wagen nach dem andern kurvt an pittoresk bemalten Häuserfassaden vorbei, hinauf zur alten Kirchenburg. Vorbei an mit Heuballen gesäumten Ständen, an schaulustigen Ausflüglern, an Sportlern im hautengen Radlerdress und ihren in der Wiese verstreuten Mountainbikes. An drei Schweinen, die schon sichtbar knusprig am Drehspieß bräunen. Der sanfte Fahrtwind erfasst Sonnenhüte, wirbelt Haare auf. Ringsum das Klicken der Kameras. Die Sonne lacht mit den Kindern um die Wette, die mit bemalten Gesichtern um die Festungsmauern toben. Die Tore zur Kirchenburg stehen weit offen...
An diesem Tag gehört das einst deutsche Dorf im idyllischen Haferland uns allen. Nicht nur den extra für die Kulturwoche angereisten Siebenbürger Sachsen, sondern auch den Touristen, den Radlern, die sich für den von der Adept-Stiftung organisierten Transilvania Bike Trails Race eingefunden haben, den geladenen Gästen aus Deutschland und Rumänien - und natürlich den heutigen Dorfbewohnern. Traditionen und Moderne verschmelzen am 8. August, dem Tag von Deutsch-Kreuz/Criţ in der Haferlandwoche. Eine Synergie, die bewegt: Gemüter, aber auch konkrete Dinge. „Es tut sich etwas“, bemerkt Bischof Reinhart Guib mit hoffnungsfroher Zuversicht. Hinter seinem gutmütig wirkenden Gesicht verbirgt er dennoch Sorge - um die Zukunft seiner Kirchenschäfchen, um die Zukunft der deutschen Minderheit in Rumänien, wie er in der Predigt gesteht. Aber auch Hoffnung, dass es weitergeht... Und, dass die Geschichte uns etwas lehrt - passend zum Motto der Veranstaltung, deren Höhepunkt in der Eröffnung einer von der Michael Schmidt Stiftung konzipierten Ausstellung über deutsche Schulen in Rumänien bildet: Feierlich durchschneiden vier Herren das blau-rote Band zum symbolischen Klassenzimmer in der Kirchenburg. Seite an Seite: der rumänische Bildungsminister Sorin Mihai Cîmpeanu, MdB Hartmut Koschyk als Schirmherr der Haferlandwoche, Bischof Guib, denn immerhin standen sächsische Schulen bis 1940 unter der Ägide der evangelischen Kirche, und Michael Schmidt als Gastgeber.
Wer das Schicksal der Siebenbürger Sachsen, aber auch die Art, wie sie es bewältigen, aufmerksam verfolgt, entdeckt in der Tat eine Lebenslektion: Wie ihr eiserner Zusammenhalt neue Brücken baut und Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft und damit auch die Menschen über vielerlei Grenzen hinweg erneut heilsam vereint.
Gemeinsam für die Bildung
Mittlerweile zum dritten Mal - und damit schon Tradition, wie fast alle Festredner bemerken - soll die Haferlandwoche das traditionelle Kulturgut aktiv in Erinnerung rufen und gleichzeitig die Organisationen in der Region vernetzen: die Stiftungen von Michael Schmidt und Peter Maffay, die in Deutsch-Kreuz und Radeln/Roade{ aktiv sind, den Mihai Eminescu Trust in Deutsch-Weißkirch/Viscri und die Adept-Stiftung in Keisd/Saschiz (siehe ADZ vom 9.8. „Ich will unbürokratisch auf Knopfdruck helfen können“ und 26.07. „Deutsch-Kreuz im Vorfieber“).
Als Gäste aus Deutschland waren die Bundestagsmitglieder Dr. Bernd Fabritius, auch Bundesvorsitzender des Verbands der Siebenbürger Sachsen, und Hartmut Koschyk, Beauftragter der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten, angereist. Stark vertreten war die deutsche Botschaft mit Botschafter Werner Hans Lauk und den Konsuln aus Hermannstadt/Sibiu und Temeswar/Timişoara, Judith Urban und Rolf Maruhn. Von rumänischer Seite ließ Präsidialberater Dan Mihalache persönliche Grußworte von Staatspräsident Johannis übermitteln. Neben Unterrichtsminister Cîmpeanu war auch seine Vor-Vorgängerin, Ecaterina Andronescu, erschienen. Weitere Redner sind die Begründer der Haferlandwoche, Michael Schmidt und Peter Maffay, sowie der Vorsitzende des Deutschen Forums, Dr. Paul-Jürgen Porr.
In seiner Ansprache lobte Koschyk die Haferlandwoche als „Zeichen für die Lebendigkeit der deutschen Gemeinschaft in Rumänien“. Die Veranstaltungen im Rahmen dieser Woche hätten bereits zahlreiche inspirierende Begegnungen mit sich gebracht, so dass die Bedeutung als Plattform zur Verständigung beider Gruppen kaum zu unterschätzen sei. Das im wirtschaftlichen, politischen, sozialen und kulturellen Bereich spürbare freundschaftliche Verhältnis suche in Europa seinesgleichen, so Koschyk. Konkret benannte er den Bereich der Minderheitenförderung, der vom BMI jährlich mit einer Zuwendung von nahezu zwei Millionen Euro unterstützt werde. Und präzisiert: „Zusammen mit Rückflussmitteln aus Darlehen zur Wirtschaftsförderung, die von den in Rumänien ansässigen Stiftungen erwirtschaftet werden, ergibt sich sogar ein Beitrag in Höhe vom ca. 3,2 Millionen Euro. Der rumänische Staat stellt zudem Mittel in Höhe von über 1,6 Millionen Euro zur Verfügung.“
Die Förderungen kommen vier Kerngebieten zugute, die im sozial-humanitären, wirtschaftlichen, gemeinschaftsfördernden und im Bereich der Bildung liegen. Schwerpunkt hierbei sei die Erhaltung der deutschen Sprache im Bildungswesen. Jährlich werden für sprachliche und kulturelle Projekte seitens des Auswärtigen Amtes rund 389.000 Euro zur Verfügung gestellt, hinzu kommt die im letzten Jahr gewährte Unterstützung von 750.000 Euro speziell für die Bezahlung der Lehrer, um deren Abwanderung in die Wirtschaft zu verhindern, erinnert Koschyk.
„Wir wissen in Deutschland um den Schatz des deutschsprachigen Bildungswesens“ betont der Abgeordnete und weist zudem darauf hin, dass der deutsche Bundestag bisher noch keiner anderen deutschen Minderheit eine solche spezielle Unterstützung gewährt hat. Er versicherte, persönlich gemeinsam mit Bernd Fabritius, Außenminister Steinmeier, Botschafter Lauk und den beiden deutschen Konsuln auch in Zukunft dafür zu kämpfen. Als vorbildlich lobte Koschyk die Öffnung des deutschsprachigen Schulwesens in Rumänien für Angehörige anderer Nationalitäten.
Bildungsminister Cîmpeanu sagte in seiner Rede zu, dem Beispiel des Bundestages folgen zu wollen, der mit der Förderung des muttersprachlichen Unterrichts in Rumänien ein deutliches Zeichen gesetzt habe. Der rumänische Staat strebe eine Verdoppelung dieser Summe an - eine Aussage, die in der anschließenden Rede von MbB Fabritius dankend und explizit wiederholt wurde, „damit Sie nicht in Vergessenheit gerate“.
Was lehrt die Geschichte?
Wer mit der speziellen Rolle von Deutsch-Kreuz in der Entstehungsgeschichte des sächsischen Schulwesens bisher nicht vertraut war, erfuhr, dass hier 1593 die erste rurale Schulordnung entstanden war (das Dokument ist noch erhalten!), die alsbald von den Dorfschulen in ganz Siebenbürgen übernommen wurde. Bis zu seiner Enteignung 1940 unterstand das Schulwesen der Siebenbürger Sachsen der evangelischen Kirche. Die Ausstellung klärt in bebilderten Tafeln über Geschichte und Gegenwart des Schulwesens auf : die Beziehung zwischen Kirche und Schule; kirchliche Schulgebäude; deutsche Kindergärten und Schulen; deutschsprachige Hochsschulstudiengänge; die evangelische Akademie und das protestantische theologische Institut; Historisches, Aktuelles und ein Ausblick... Im Anschluss läutete für alle Beteiligten die Schulglocke: Ein simulierter Deutsch-Unterricht, der aus Gründen der allgemeinen Verständlichkeit bald ins Rumänische überging, lud in ein Klassenzimmer aus Großväters Zeiten ein - mit Schiefertafel, Griffel und Schwamm statt Tablets und interaktiven Lehrmitteln.
Kulturelle Appetithäppchen
Vielseitiger musikalischer Ohrenschmaus machte der Kulturwoche alle Ehre: Klaus Dieter Untch an der Kirchenorgel, gefolgt von der Bläsergruppe Burzenland, ein Orgelkonzert unter der Regie von Steffen Schlandt, begleitet vom Quartett Brassovia. Bewegend war der Moment, als Schlandt von der Empore der 2013 von der Michael Schmidt Stiftung restaurierten Orgel zum Publikum sprach - und so manchem plötzlich ins Bewusstsein trat: Genau an dieser Stelle hatte er vor vier Jahren flammend für den Erhalt dieses Instruments plädiert! Den musikalischen Abschluss in der Kirche bildete ein Gitarrenkonzert von Duo Kitharsis.
Für den Augenschmaus sorgten Trachten und Tanz, der am Abend mit dem sächsischen Ball, eingeleitet von der Tanzgruppe Korona, seinen Höhepunkt fand.
Wer sich am Nachmittag vom festlichen Treiben in der Kirchenburg losreißen konnte, um einen Dorfspaziergang zu unternehmen, konnte sich an der Vielfalt der Aktivitäten im Dorf erfreuen oder der spektakulären Siegerehrung des Radrennens beiwohnen, die mit mehreren Sektduschen endete. Deutsch-Kreuz macht nicht nur Schule... sondern auch Lust zum Feiern!