Am 15. September lud das Goethe-Institut zu einer Vorlesung sowie anschließender Gesprächsrunde mit den deutschen Dichtern Nico Bleutge und Yevgeniy Breyger ein. Dabei gewährten sie einen Einblick in ihren Alltag, ihre Denkweise und Gedanken als Lyriker.
Der Leiter des Goethe-Instituts, Dr. Joachim Umlauf, stellte die Literaten als „ganz wichtige Stimmen der gegenwärtigen deutschen Lyrik“ vor. Schließlich seien die Künstler vielfach mit Preisen und Stipendien ausgezeichnet worden. Beide fingen schon während der Schulzeit an, Gedichte zu schreiben. Mit Anfang 20 hieß es dann: „Ich will Dichter sein.“ Doch um professioneller Dichter zu werden, braucht es laut Bleutge viel „Glück und Durchhaltevermögen“. Etwas, was sie wohl für sich beanspruchen können, sonst hätten sie nicht beide in diesem Jahr je ein neues Buch veröffentlicht.
Politik in der Dichtkunst: nicht immer
Bleutge verbrachte durch ein Stipendium ein Jahr in Rom, wo er im Herbst durch Zufall Zugvögel be-obachtete. Diese übernachteten in sogenannten Schlafbäumen. Aller-dings versucht die italienische Hauptstadt, die Vögel durch domestizierte Raubvögel und Laserpistolen zu vertreiben. Dies hatte ihn zu seinem Buch „schlafbaum-variationen“ inspiriert. Dabei schreibt er die Geschichte aus ganz vielen Sichtweisen verschiedener Tiere. Die Frage von Umlauf, ob Bleutge sich in diesen Gedichten auch politisch äußert, verneinte er. Natürlich schwingt eine gewisse Öko-Politik mit hinein, aber nur indirekt, fügt er an. „Es wäre sonst zu politisch.“
Ganz anders steht Breyger zu Politik in seinen Dichtungen. Sein neuestes Buch „Frieden ohne Krieg“ ist dennoch seine erste Veröffentlichung, in der er politisch geworden ist. Angesichts des Krieges in der Ukraine konnte er „nicht mehr objektiv bleiben“. Denn Breyger entstammt einer jüdischen Familie aus Charkiw. So haben ihn seine Emotionen schlichtweg übermannt: „Wenn ich in der Ukraine geboren bin, dann kann ich kein Buch ohne einen Kommentar dazu veröffentlichen“, motivierte er.
Gedichtinterpretationen: „Großer Quatsch“
Zahlreiche Schulklassen des „Goethe-Kollegs“ und der „Deutschen Schule Bukarest“ nahmen an diesem Event teil. Zu Beginn witzelte Breyger, er hoffe, „dass ihr nicht gezwungen wurdet, zu kommen“. Gelächter seitens der Schüler wie auch der Lehrer - es war schließlich ein Freitagabend.
Die Klassen hatten im Unterricht Fragen vorbereitet, die sie den Dichtern stellen wollten. Anfangs waren sie durchaus etwas zögerlich, aber als der Erste sich opferte, ging es zügig mit den nächsten Fragen weiter.
Die Schüler hatten im Unterricht ein sehr altes Gedicht von Bleutge interpretiert. Nachdem sich der Fragesteller und der Dichter darüber austauschten, schaltete sich Breyger wieder ein. Laut ihm seien Gedichtinterpretationen, wie sie in der Schule stattfinden, „großer Quatsch“. Der Raum füllt sich wieder mit Gelächter, diesmal nur von den Schülern. Die Lehrer waren hörbar weniger begeistert. Nicht in jedem Stilmittel stecke eine versteckte Botschaft, erklärt Breyger. Die Art und Weise, wie Gedichte in der Schule behandelt werden, sei auch der Grund dafür, dass so wenige Schüler selbst Dichtung schreiben und lesen, legt er nach.
Der Lebensunterhalt eines Dichters
Ein weiterer Schüler war daran interessiert, wie ein Dichter seinen Lebensunterhalt verdient. Schließ-lich sind die Gewinne bei Gedichtsbänden bei Weitem nicht so groß wie bei populären Romanen. So leben tatsächlich beide von Preisgeldern und Stipendien, gehen aber auch Nebenjobs nach.
Bleutge arbeitet noch als Literaturkritiker für die Süddeutsche Zeitung während Breyger auch als Übersetzer tätig ist. So übersetzt er aus dem Englischen, Georgischen, Russischen und Rumänischen ins Deutsche. Auf Nachfrage eines Lehrers, ob Breyger auch Mircea Dinescu kenne, antwortete er zum Abschluss: „Ich liebe seine Gedichte. Ich bin aber erstaunt, wie viel schlechter sie mit der Zeit geworden sind.“
Das internationale Poesie-Festival in Bukarest veranstaltete dieses Event zusammen mit dem Goethe-Institut und der Deutschen Botschaft. Es war eine einmalige Möglichkeit für die Schüler, dem theoretischen Deutschunterricht zu entfliehen und in Kontakt mit echten Vertretern der deutschen Dichtkunst zu kommen.