Schäßburg – Bis zu den letzten Takten der Zigeunerpolka hatte der Himmel über Schäßburg/Sighișoara seine Schleusen geschlossen gehalten. Erst die Blaskapelle „Schäßburg Brass“ musste ihren letzten Auftritt bei den Deutschen Kulturtagen im Regen beenden. Doch Theo Halmen dirigierte seine Musiker tapfer bis zur letzten Note. Zuvor hatten die Tanzgruppen aus Sächsisch Regen/Reghin, Hermannstadt/Sibiu Mühlbach/Sebeș und Schäßburg auf dem Burgplatz ihr Können unter Beweis gestellt.
Die Deutschen Kulturtage standen in diesem Jahr unter dem Motto: „Geschichte und Wohlergehen in unserer Stadt“. Zu einem Vortrag über Seuchen in Siebenbürgen und Schäßburg war am Sonnabend Dr. Robert Offner zugeschaltet. Er ist Leiter der Transfusionsmedizin am Universitätsklinikum Regensburg und beschäftigt sich darüber hinaus mit Medizingeschichte. Dr. Offner stammt aus Szeklerburg/Miercurea Ciuc und hat Humanmedizin in Klausenburg/Cluj-Napoca studiert.
Er erklärte, dass die Menschheit schon immer mit Infektionskrankheiten zu kämpfen hatte. Zu den historischen Seuchen zählen Lepra, Pest, Syphilis, Pocken oder auch Cholera. „Wobei bisher lediglich die Pocken ausgerottet werden konnten.“ Die Maßnahmen zu ihrer Eindämmung insbesondere der Pest waren dabei ähnlich wie auch in der aktuellen Covid-19-Pandemie: Abschottungsmaßnahmen wie Versammlungsverbote, die Umsetzung von Abstandsregeln durch Pestkanzeln, die Isolation von Kranken in Siechenhäusern und ab dem 18. Jahrhundert auch Quarantänestellen an den Grenzübergängen zur Moldau und Walachei.
Im Anschluss stellte Thomas Șindilariu das gemeinsame Buch „Schwarzer Tod und Pestabwehr im frühneuzeitlichen Hermannstadt“ vor, welches erst vor wenigen Monaten erschienen ist. „Das vorliegende Buch ist nicht nur wegen der getreuen Wiedergabe von historischen Originaldokumenten besonders wertvoll, sondern besticht vor allem auch durch die gelehrten und informativen Aufsätze, die diesen Band begleiten“, konstatierte Dr. Markus Fischer in der ADZ-Ausgabe vom 11. April 2021.
Ebenfalls am Sonnabend sprach Pfarrer i. R. Dr. Rolf Binder über den Siechhof in Schäßburg, der 1871 abgetragen wurde, um die Eisenbahnstrecke und den Bahnhof zu bauen. „Der Siechhof war damals wirklich ein Hof, in der Mitte des Hofes die Kirche und im Westen, nahe der Außenkanzel, das Siechenhaus mit zellenartigen Wohnungen für die Kranken“, erklärte Dr. Binder. Weiterhin gehörte zur Anlage die Wohnung des Siechenvaters und des Predigers, Scheunen für Holz und Geräte sowie Ställe für Tiere: „Denn die Kranken waren nicht alle so krank, dass sie nichts machen konnten. Sie waren angehalten, zu arbeiten und mitzuhelfen.“ Im Jahr 1505 erwähnen Hermannstädter Rechnungen zum ersten Mal einen Siechhof in Schäßburg.
Zum Abschluss des Tages sprach dann Dr. Ingrid Schiel zu sozialen Reformideen und Gesundheitsprävention vor 100 Jahren. Sie erklärte, dass eine Pockenimpfung schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts verpflichtend war, um bei-spielsweise Stipendien zu erhalten, und später auch Lehrer einen Impfnachweis vorzeigen mussten, gleichwohl es einen allgemeinen Impfzwang in Österreich-Ungarn nicht gab. Und auch damals gab es schon Impfgegner, wie sie an einer Karikatur aus dem Jahr 1802 deutlich machte. „Diese befürchteten, dass sie zu Kühen mutieren würden.“ Der Grund: Im vorherigen Jahrhundert hatten die beiden englischen Ärzte John Fewster und Edward Jenner beobachtet, dass Menschen, die sich bereits mit den Kuhpocken infiziert hatten, anschließend sowohl gegen diese als auch gegen Pocken immun waren. Jenner führt schließlich 1796 die erste erfolgreiche Impfung mit Rinderpockenlymphe durch.
Wie in den vergangenen Jahren auch endeten die Deutschen Kulturtage am Sonntagabend in einem gemütlichen Beisammensein im „Schänzchen“.