Die klingenden Schätze

Erster Spaziergang zu Orgeln in Hermannstadt und Umgebung

Mit drei Händen spielt es sich besser: Anna Arhire (l.) und Ursula Philippi beim Musizieren in Hammersdorf.
Foto: Andrey Kolobov

Hermannstadt - Rund 30 Musik- und Geschichteliebhaber ließen sich am Samstag zu einer ausgedehnten Wanderung durch Hermannstadt/Sibiu und die Umgebung verführen. Der von der evangelischen Stadtpfarrgemeinde im Rahmen des diesjährigen Kulturprogrammes „Sibiu. Barock. Update“ organisierte „Orgelspaziergang“ lockte mit dem Titel „Unbekannte Schätze: Orgeln in Hermannstadt“. Unter der fachkundigen Leitung der Organistin Ursula Philippi lernte die Gruppe nicht nur die bekannten Orgeln näher kennen, sondern entdeckte auch solche Instrumente, die ihr trauriges Dasein auf den verstaubten Orgelemporen fristen.

Die achtstündige Führung begann um 10 Uhr in der evangelischen Johanniskirche. Hier wurde den Schatzsuchern die bewegte Geschichte der Hadader Orgel vorgestellt. Das Instrument wurde Mitte des 19. Jahrhunderts für eine Synagoge erbaut, zog dann ins Sathmarer Land, nach Hadad, um. In einer komplizierten Rettungsaktion wurde die Orgel 2006 aus der halbverfallenen Kirche geborgen und erklang nach einer mehrmonatigen Restaurierung erst 2011 wieder. Am Beispiel einer Sonate von C. Ph. E. Bach zeigte Ursula Philippi, wie zart und leise eine Orgel klingen kann. Die Zuhörer konnten dank einer Glasplatte das Innenleben des komplexen Instruments bestaunen.

Die Geschichte der reformierten Kirche in der Fleischergasse/Str. Mitropoliei und deren Orgel wurde vom Pfarrer Varró erzählt. Hier trafen die Wanderer auf die erste „kranke Orgel“. Dieses ebenfalls aus der Mitte des 19. Jahrhunderts stammende Instrument wurde als eine besonders kleine Orgel erbaut: Sie musste zwischen zwei Säulen passen. Vergrößert vor über 50 Jahren, stellt sie eigentlich zwei Orgeln dar. Die musikalische Darbietung von Ciprian Dancu (Klarinette) und Ursula Philippi (Orgel) bewies die prekäre Lage des stark renovierungsbedürftigen Instruments. „Spielt die Orgel gut, so ist es ein Verdienst der Gemeinde. Ist sie kaputt, so ist es des Pfarrers Schuld“, meinte Pfarrer Varró.

In der evangelischen Stadtpfarrkirche wurden zwei stumme und eine bespielbare Orgel besucht. Die Sauer-Orgel, die größte in Siebenbürgen, wartet gut verpackt, auf das Ende der Bauarbeiten in der Kirche. Die Carl-Hesse-Orgel in der katholischen Kirche am Großen Ring/Piaţa Mare wird gerade überholt und so ist es nicht verwunderlich, dass sie ein bisschen bockig war. Orgelbauer Hermann Binder musste die Orgel zuerst gnädig stimmen, bevor Elisa Gunesch in Begleitung von Teodora Cîrciumaru Schuberts „Ave Maria“ singen konnte. Ein weiterer Krankenbesuch fand in der Ursulinenkirche statt. Die dortige Carl-Hesse-Orgel wird nur selten genutzt. Der perfekte Klang des Cellos (Kurt Philippi) unterstrich beim Largo aus  Händels „Xerxes“ die kranke Stimme der Orgel. Nach dem Besuch der Franziskanerkirche verabschiedete sich die Gruppe von der Altstadt und fuhr nach Hammersdorf/Guşteriţa.

Unter den Linden vor dem Kircheingang stärkten sich die Wanderer bei einem Buffet mit Produkten aus dem biologischen Anbau. In der Kirche stellte Ursula Philippi mithilfe von Stücken siebenbürgischer Komponisten die „Register-Familie“ der Orgel vor. Zum Abschluss stimmte sie das Siebenbürgenlied an. Nach Neppendorf/Turnişor kam die Gruppe gerade richtig, um der dortigen Orgel zum 100. Jubiläum zu gratulieren. Auch hier erfreute Elisa Gunesch die Zuhörer mit einer Gesangsdarbietung. Der letzte Punkt des Spazierganges führte nach Großau/Cristian, wo die Wanderer mit dem gemeinsam gesungenen Lied „Wohl denen, die da wandeln“ Abschied nahmen.