Großwardein – In einer Zeit, in der öffentliche Bibliotheken vielerorts mit Bedeutungsverlust kämpfen, setzt die Kreisbibliothek „Gheorghe Șincai“ in Großwardein/Oradea ein bemerkenswertes Zeichen: Nach rund anderthalb Jahren Bauzeit steht die Wiedereröffnung des modernisierten Hauptgebäudes unmittelbar bevor. Mit einer Fertigstellungsquote von über 90 Prozent nimmt das ehrgeizige Projekt, das Lesekultur, digitale Innovation und architektonische Aufwertung miteinander verbindet, konkrete Gestalt an.
Im zentralen Eingangsbereich, wo derzeit der Parkettboden verlegt wird, soll künftig ein literarisches Café mit angeschlossener Buchhandlung die Schwelle zwischen Kulturraum und öffentlichem Leben markieren. Die Ausschreibung zur Vermietung der entsprechenden Fläche steht zur Abstimmung im Kreisrat Bihor – ein letzter formaler Schritt auf dem Weg zur neuen Nutzungsstruktur.
Die umfassende Umgestaltung des Bibliotheksgebäudes gliedert sich in zwei funktional klar getrennte Bereiche: einen internen Komplex zur Lagerung des Buchbestandes und für Verwaltungszwecke sowie einen öffentlich zugänglichen Teil, der ein lichtdurchflutetes Atrium sowie multifunktionale Räume für kulturelle und pädagogische Aktivitäten umfasst.
Ein Großteil dieser öffentlich zugänglichen Bereiche ist bereits nutzbar. Neben einem neuen Lesesaal, der nun durchgängig zugänglich ist, wurde eine Kinderbibliothek eingerichtet, deren Regale sich über die gesamte Wandfläche erstrecken. Die Besucher können sich – unterstützt vom Fachpersonal – mit Hilfe spezieller Leitern eigenständig Bücher aus jeder Höhe entnehmen. Diese Möblierung ist nicht nur ein architektonisches Statement, sondern erweitert auch die Nutzfläche für Bestände, die bislang aus Platzmangel dem Publikum verborgen blieben.
Insbesondere der Bereich der Digitalisierung hebt die neue Bibliothek in die Gegenwart. Die Einführung eines RFID-gestützten Verwaltungssystems ermöglicht eine automatisierte Buchausleihe rund um die Uhr. Über eine mobile Applikation können Nutzer Werke vormerken, die sodann kontaktlos aus speziellen Abholfächern – sogenannten Easy-Boxen – entnommen werden können. Ergänzt wird dieses Angebot durch eine E-Book- und Hörbuch-Plattform sowie eigens geschaffene Studios für Podcasts, Video- und Audioaufnahmen.
Zwanzig digitale Arbeitsplätze stehen künftig für Schulungen zur Verfügung, mit denen das Publikum – aber auch das Personal – an die neue Systematik herangeführt werden soll. Der gesamte Bestand von rund 340.000 Büchern wurde bereits in das digitale Inventarsystem überführt. Für die Mitarbeitenden wurden entsprechende Fortbildungsmaßnahmen initiiert.
Die Bauarbeiten, die im März 2024 unter der Ausführung des Bauunternehmens Construcții Bihor begannen, kosten rund 10,38 Millionen Lei. Die Finanzierung erfolgt über EU-Mittel im Rahmen des Nationalen Wiederaufbau- und Resilienzplans (PNRR) sowie aus dem Haushalt des Kreisrats Bihor. Die Modernisierung der Kreisbibliothek ist Teil eines ambitionierten Projekts zur Förderung der Lesekultur im ländlichen Raum. Insgesamt 29 Bibliotheken im Kreisgebiet – von Beiuș bis Valea lui Mihai – profitieren von ähnlichen Investitionen, die nicht nur infrastrukturelle Mängel beheben, sondern auch neue Bildungs- und Begegnungsräume schaffen sollen.