Hermannstadt – Das Französische beherrschen gelernt hatte Samuel von Brukenthal höchstwahr-scheinlich als Studierender in Halle und Jena. Englisch dagegen dürfte er sich im späteren Leben als erwachsener Staatsmann autodidaktisch beigebracht und es in der Sprache der britischen Insel zu praktikablem Leseverständnis gebracht haben, wenn man Biograf Georg Adolf Schuller Glauben schenkt. Nicht nur englische Wörterbücher, sondern auch Drucke wie etwa die 1777-1784 von John Bell im schottischen Edinburgh herausgegebene Sammlung von Gedichten englischer Lyriker in 109 Bänden stehen noch heute in der Biblio-thek des Brukenthal-Palais am Großen Ring/Pia]a Mare in Hermannstadt/Sibiu. Dass der Museumsstifter sich vollumfänglich durch all die 109 Gedicht-Bände im Taschenbuch-Format gelesen hat, ist trotz ihres Ankaufs wohl eher nicht anzunehmen. Aber der Gouverneur Siebenbürgens im Auftrag der habsburgischen Krone von 1762 bis 1787 war stets tagesaktuell über ganz Eu-ropa informiert, bestätigte Privatdozent und Anglistik-Buchforscher Dr. Adrian Papahagi von der Babeș-Bolyai-Universität Klausenburg/Cluj-Napoca (UBB) Donnerstag, am 6. Oktober, zur Eröffnung der Ausstellung „Când periferiile se întâlnesc. C˛r]i britanice din biblioteca lui Samuel von Brukenthal“ im Kartographischen Museumskabinett. In genau jener Abteilung, die am weitesten weg vom Eingang des Palais entfernt liegt, kann man sich noch bis Sonntag, den 20. November, davon überzeugen, dass Mäzen Brukenthal seinerzeit als Hüter der größten Sammlung englischer Bücher galt. Rund 600 Bände zählte sie.
„Wenn die Peripherien einander begegnen“, würde in deutscher Sprache auf dem Plakat der Ausstellung gestanden haben können. Auch wenn Großbritannien weltwirtschaftlich bereits im späten 18. Jahrhundert als Büchermarkt von Titeln wie „A Voyage towards the South Pole and Round the World“ von Seefahrer-Ikone James Cook oder „Enquiry into the Nature and Causes of the Wealth of Nations“ von Philosoph Adam Smith Achtung und Ruhm genoss – im römisch-katholischen Europa des 19. Jahrhunderts noch musste sich das protestantische England mit seiner Zuschauerrolle vom geopolitischen Spielfeldrand aus begnügen. Die Keime für allen nachfolgenden Aufschwung jedoch waren nicht von ungefähr tief in den Kernstädten und Provinzen der britischen Kolonialmacht gepflanzt worden. Bald nach der Epoche Brukenthals sollte sie das größte Imperium der Weltgeschichte beherrschen. Ein Territorium noch größer als das Römische Reich und von britischen Einflüssen so nachhaltig geprägt, dass zu Beginn des 20. Jahrhunderts, als die Menschheit die Sozio-logie als eigenständige Humanwissenschaft definierte, das bis heute fortwirkende Wort „Anglobalisierung“ sich Bahn brach. Mittels „Kraft der Waffen sowie der Kultur“, wie eine Schautafel im Kartographischen Kabinett des Brukenthalmuseums vor Augen führt.
Als protestantischer Vordenker im Südosten habe Brukenthal recht früh einen feinen Riecher für das Aufkommen der zivilisatorischen Bedeutung Großbritanniens nicht allein im weiteren Nordwesten des alten Kontinents entwickelt und deswegen auch entschieden, den ihm liebsten Büchern seiner englischen Bibliotheks-Kollektion sein Siegel aufzudrücken, schlussfolgert Alexandru-Ilie Munteanu. Beachtlich, in 50 Jahren 16.000 Bände für die Bibliothek angestaut haben zu können, so der Kurator der Ausstellung und Bibliotheks-Büroleiter des Brukenthalmuseums. Beachtlich, weil Informationen vormals mit „Pferdegeschwindigkeit“ statt „Lichtgeschwindigkeit“ zirkulierten.
In Hermannstadt übri-gens wären englische Drucksachen schon im 16. Jahrhundert im Umlauf gewesen, fügte Kuratoren-Teamleiter Dr. Alexandru Sonoc hinzu. Die nach Künsten, Theologie, Geschichte, Wissenschaften, Rechtswesen und Belletristik gesonderte Inventar-Aufstellung englischsprachiger Bücher aus Samuel von Bruken-thals Bibliothek könnte klarer nicht darauf rückschließen lassen, wonach dem Baron zuoberst der Sinn stand: Bände schöner Literatur stehen mit 36 Prozent an der Spitze der Wünsche dessen, der „nicht mehr Adel durch Geburt, sondern durch Leistung“ für richtig erachtete. Passend zum Merksatz von Zeitgenosse und Schriftsteller Samuel Johnson (1709-1784), der als Erst-Notierender eines angemessenen Qualitätsanspruchs gilt: „Was ohne Aufwand geschrieben wird, liest sich ohne Freude.“