Hermannstadt – Was nochmal haben Samuel von Brukenthal und Marilyn Monroe gemeinsam, und wie kann es denn passieren, dass ein sehr bedächtiger Kulturpolitiker aus dem Europa des 18. Jahrhunderts und eine über alle Maßen extravagante Popikone aus den USA der Zeit um den 2. Weltkrieg einander einfach mal über den Weg laufen? Ist nicht allein schon nur der Gedanke an so eine hypothetische Begegnung ein Unding und Tabu, das in gediegen protestantischen Gesellschaftskreisen gefälligst mal nicht artikuliert zu werden hat? Peter Jacobi (Jahrgang 1935) traut sich ordentlich was in seiner Ausstellung „Brukenthal 300. Ideen für ein Denkmal. Collagen und Modelle“ im hellen Terrassensaal des Begegnungs- und Kulturzentrums „Friedrich Teutsch“ Hermannstadt/Sibiu der Evangelischen Kirche A.B. in Rumänien (EKR). Bei dem in Ploiești geborenen Sohn einer siebenbürgisch-sächsischen Familie und seit 1970 in der Bundesrepublik Deutschland lebenden Künstler fordert der Spruch, der besagt, dass bei Gott alles möglich ist, vollen Tribut. Nicht von ungefähr heißt eines von den neun „Bildern zu einem unveröffentlichten Text“ wie folgt: „Brukenthal trifft Marilyn im Himmel“.
Auch sich selbst gönnt Peter Jacobi die Ehre eines fiktiv gestellten Fotos mit dem ersten habsburgischen Gouverneur Siebenbürgens - „Samuel und Peter“ stammen aus unterschiedlichen Epochen der Menschheit, aber beide tragen Lackschuhe und blicken mit ernst-aristokratischer Miene in die Kamera. Der heute in Wurmberg bei Pforzheim arbeitende Künstler hatte sich mit um den Zuschlag für ein Standbild Brukenthals vor dem gleichnamigen Museumspalais am Großen Ring/Pia]a Mare in Hermannstadt beworben, wurde aber wegen seiner ausländischen Wohnadresse von der Jury nicht weiter beachtet. Das Regelwerk der Ausschreibung ließ ihn außen vor. Ganz anders jedoch das Landeskirchliche Museum der EKR im Teutsch-Haus, wo Peter Jacobi die Erzeugnisse seiner einschlägigen Gedankenwerkstatt präsentiert. Ginge es nach ihm, würde Samuel von Brukenthal auch in der Welt seiner 300. Geburtstagsfeier eine stattliche Figur abgegeben haben, die bei jedem Wind und Wetter nüchtern überzeugt.
Den sieben Zinnen vereinenden Gedenkpavillon für Baron Samuel von Brukenthal, den Peter Jacobi entworfen hat, möchte er als Bild der sieben Tugenden abendländischer Tradition verstanden wissen. Weisheit, Gerechtigkeit, Tapferkeit und Mäßigung stehen für das Erbe der antiken Philosophie, zu der Glaube, Liebe und Hoffnung als christliche Gebote hinzukommen. Der Entwurf des Standbildes von Brukenthal aus seiner Werkstatt schlägt vor, den edlen Stifter des Museums auf einem Sockel in sechs Stufen zu zeigen. Die letzte Stufe des Menschseins verkörpert Brukenthal selbst. Welche dieser vier Tugenden und drei Gebote waren ihm zeitlebens die größten? Wer das offene Gedankenexperiment nach Rezept von Peter Jacobi nachvollziehen will, hat bis zum 5. Oktober 2021 im Terrassensaal des Teutsch-Hauses Hermannstadt die Möglichkeit, sich darin zu vertiefen.