Es gibt noch genügend Kalenderautoren

Vielfalt im „Deutschen Jahrbuch für Rumänien 2016“

Jahrbuch 2016

Spaziergang am Bega-Ufer Foto: Zoltán Pázmány

Lehrerin Rosi Müller in Alzen Foto: Cristian Sencovici

Das Grab von Oscar Walter Cisek auf dem Bukarester evangelischen Friedhof: 50. Todestag des Dichters Foto: Christian Binder

In der neuen Folge ist es bereits das 15. Jahrbuch der ADZ, vorher waren 40 Ausgaben des „Neuer Weg Kalender(s)“ erschienen. Rohtraut Wittstock, die Chefredakteurin der ADZ, die die Redaktion des Jahrbuchs 2016 innehatte, weiß was sie dieser Tradition und der ungebrochenen Popularität des Kalenders schuldig ist. Das weiß auch die Honterus-Druckerei in Hermannstadt.

Im Kalenderteil war diesmal das Banat an der Reihe, dabei ist es Zoltán Pázmány gelungen, sowohl die herkömmlichen Erwartungen zu erfüllen als auch weitere poetische Seiten dieser Landschaft zu zeigen.
Eine Frage, die uns allgemein beschäftigt: Unsere Schulen und unsere deutsche Sprache hier. Martin Bottesch, der zu einer Autorität in dieser Beziehung geworden ist, führt in seiner Studie auch diese Zahlen an: Bei der letzten Volkszählung haben sich 36.000 rumänische Staatsbürger als Deutsche erklärt, davon gaben 26.000 Deutsch als ihre Muttersprache an. In den deutschen Schuleinrichtungen jedoch sind 22.000 Kinder eingeschrieben. 1990 dachte man, wir wären auch in dieser Beziehung am Ende, nur ist das Gegenteil eingetreten: Schulen sind da, Schüler sind da, bloß es fehlt die Hälfte der Lehrer.

Das soll auf verschiedene Art verbessert werden. So schreibt der deutsche Botschafter in Bukarest, Werner Hans Lauk: „Auf Initiative des Deutschen Bundestags wurden im Jahr 2015 730.000 Euro für die Unterstützung von Lehrkräften zur Verfügung gestellt.“ (In diesem Jahr sollen es eine Million Euro sein). Dazu äußert sich auch der Vorsitzende des DFDR, Dr. Paul-Jürgen Porr, im Interview mit Hannelore Baier: „Fortgesetzt wird das Lehrer-Entsendeprogramm und das versuchen wir auszubauen. Derzeit machen die entsandten Lehrer vier Prozent der in deutschsprachigen Einrichtungen unterrichtenden Lehrer aus und wir sind der Ansicht, der Prozentsatz könnte und sollte erhöht werden.“ Der Abgeordnete des DFDR, Ovidiu Ganţ: „Bei den einschlägigen Stellen habe ich wiederholt in Fragen der Infrastruktur des deutschsprachigen Schulsystems vorgesprochen.“ Das führte in Sathmar und in Temeswar zum Erfolg.

Aus Siebenbürgen hat mir die Reportage aus Alzen am besten gefallen, von Christa Richter und Cristian Sencovici (Fotos). Die Frau, die in dieser Gemeinde vieles bewegt, ist Lehrerin Rosi Müller. Die beiden Autoren aber haben das Talent, solche Themen zu finden und das Lebendige in den siebenbürgischen Dörfern in der Zeit nach dem Exodus zu zeigen.

Ein Bericht aus Bukarest hat mich stark beschäftigt: Angelika Marks berichtet – ausgehend von einem Gespräch mit Stadtpfarrer Dr. Daniel Zikeli – über das Vorhaben, in der evangelischen Kirche auf den beiden Seitenemporen ein Museum einzurichten. Das ist ein faszinierendes Projekt, wenn ich nur an die kulturgeschichtlichen Schätze denke, die hier aufbewahrt werden.

Alles über Maria Radna lese ich interessiert, schon weil meine Kollegen Adrian Drăguşin und Tiberiu Stoichici von der deutschen Fernsehsendung anlässlich des Abschlusses der Renovierung des Wallfahrtkomplexes einen umfassenden Film vorbereiten. Im Jahrbuch schreibt Raluca Nelepcu darüber.

Aus dem 340 Seiten starken Jahrbuch kann ich hier nur einzelne Titel herausgreifen. Ein Wort über die gute Zusammenfassung zur Rattenfänger-Sage, die Hans Butmaloiu beigesteuert hat, muss ich aber doch sagen: Diese 130 Kinder von Hameln sollen bei uns in der Almascher Höhle herausgekommen sein und von ihnen sollen die Siebenbürger Sachsen abstammen. Wenn man das einmal glaubt, kann man ebenso glauben, dass in den letzten Jahrzehnten die Sachsen wieder in diese Höhle hineingegangen und in Hameln herausgekommen sind.

Das Lebendigste im Kulturteil ist das Romanfragment „Die Schlange“ von Balthasar Waitz. Der ganze Roman soll „Das rote Akkordeon“ heißen und man kann darauf nur gespannt sein, wenn er so wird, wie dieses Fragment aus den Jahren vor 1989: Es ist lustig und tragisch zugleich. Tragisch, weil Bauersleute, die gewöhnlich um diese Uhrzeit – vier Uhr früh – hinaus aufs Feld zur Arbeit fuhren, jetzt vor der Cooperativa in der „Coadă“ stehen.

„Ein Künstler in Rom, 1910“ heißt das Fragment aus einer Erzählung von Joachim Wittstock über den Maler Arthur Coulin. Auch in diesem Fall kann man auf die ganze Geschichte gespannt sein, weil der Autor auch weiß, wie man so eine Künstlernovelle angemessen schreibt.

Michael Astner, der in Großpold geborene Dichter und Übersetzer, der in Jassy lebt, steuert jedes Jahr zum Kalender etwas Besonderes bei – einmal war es der schöne Gedichtzyklus „Hamlescher Elegien“. Diesmal sind es genaue und poetische Notate über das Altern einer Sächsin in Deutschland – „Tage mit Mutter“, auch mit einer bewundernswerten Verwendung der sächsischen Mundart geschrieben.

Ich habe vergnügt geschmunzelt, weil Paul Philippi, der dem Kalender seit Jahren verbunden ist, nun auch anfängt, Erlebnisse aus seiner Zeit als deutscher Soldat preiszugeben. Diesmal erzählt er, wie er mit dem von ihm dirigierten Chor und dem Lied „Sachs, halte Wacht“ einen Singwettbewerb gewonnen hat. Aus dem Grund wurde er zu mehreren Lehrgängen abkommandiert und ist erst spät zum Fronteinsatz gelangt.

Für mich war es erfreulich, dass es bei der ADZ so viele Kollegen gibt, die gerne für das Jahrbuch schreiben und sich jedes Jahr etwas einfallen lassen. Ebenso muss dem getreuen Mitarbeiterstab gedankt werden.