Filmfokus auf Migration, Oberflächlichkeit und Gewaltbereitschaft

Das Victoria-Kino ist bereit für drei Streifen von der Berlinale 2024

Klausenburg – In drei Jahren schon steht sein 100. Jubiläum an, und Einheimische wie Zeitzeugen, die von Eröffnung an gerne auf seine Filmleinwand starrten, dürften in Klausenburg/Cluj-Napoca, Region, Land und der Welt überhaupt nur noch vereinzelt bis bald gar nicht mehr anzutreffen sein. An die Zeit dafür, als der Tag und Nacht pulsierende „Bulevardul Eroilor“ kommunistischer Namens-Gebung in zentralster Innenstadt-Lage noch „Ulița de Mijloc“ hieß, wo am Ostende in einem Parterre sich bis heute das Victoria-Kino befindet, erinnern sich vermutlich noch Hochbetagte, deren frühe Kindheits-Erinnerung vor und in den Zweiten Weltkrieg fällt. Historisch weit in der Vergangenheit liegende Erlebnisse berührt das Victoria-Kino natürlich nicht alle Tage. Mittwochnachmittag aber, am 9. Oktober, zeigt es um 17.30 Uhr die 99 Minuten lange Dokumentation „Liebe, D-Mark und Tod“ von Cem Kaya, der 1976 in Schweinfurt geboren wurde und als Regisseur des jetzt auch in Klausenburg erwarteten Streifens den Publikums-Preis der Berlinale 2022 gewonnen hat. Zu Wort kommen vor seiner Kamera Mitglieder der ersten Generation Staatsbürger aus der Türkei, die vor bald 60 Jahren als Gastarbeiter in der Bundesrepublik Deutschland sesshaft wurden und sich meist im Schatten der öffentlichen Aufmerksamkeit um ein proletarisches Narrativ ihrer spezifischen Einwanderer-Kultur bemühten, das von Anfang an polarisieren und politische Langzeitschwierigkeiten mit sich bringen sollte. Ein Dokumentarstreifen, in den Cem Kaya auch Auszüge bundesdeutscher Fernsehsendungen der betreffenden Zeit einspielt, die auf allgemein latentes Misstrauen gegenüber Fremden rückschließen lassen. Den roten Faden der Kino-Rückblende stellen die türkische Musik-Szene in der Bundesrepublik Deutschland von ihren Anfängen bis heute und nostalgische Erzählungen aus erster Hand türkischer Immigrantinnen und Immigranten vor sowie auf der Bühne, die von einer Epoche raunen, als Wohlstand sich selbst in der Tasche von Gastarbeitern spüren lassen konnte. „Alles an dir ist gelogen, Deutschland“, singt in einem Schlager auf Türkisch für den Trailer eine Männerstimme der Vorwendezeit.

Anschließend am selben Mittwochabend, dem 9. Oktober, flimmert um 20 Uhr das fast genauso lange Drama „Alle reden übers Wetter“ von Annika Pinske über die Victoria-Kinoleinwand. Die Zeitspanne von 60 Jahren, der Cem Kaya nachspürt, gilt auch für die Synopsis mit Humanistin Clara aus Berlin im Fokus – als Studentin, die auf den Doktortitel im Fach Philosophie hinarbeitet, reist sie zu ihrer Mutter in die mecklenburgische Provinz. In ländlicher Umgebung, die Territorium der DDR war, feiert ihre Mutter im Großfamilien-Kreis unbeschwert 60. Geburtstag, während Großstädterin Clara sich in einem konfliktgeladenen Spannungsfeld wiederfindet, das von unausgesprochenen Komplexen bis Traumata gezeichnet ist und es jungen Akademike-rinnen schier unmöglich machen kann, ihr Leben so auszurichten, als ob stumm Beeinträchtigendes von Generation zu Generation nie Tatsache gewesen wäre.

Die Filmreihe des Deutschen Kulturzentrums Klausenburg in der Nachbereitung der Berlinale 2024 und dem Victoria-Kino schließt Donnerstagabend, am 10. Oktober, um 20 Uhr mit der Vorführung der Spielfilms „Sonne und Beton“ (2023) nach dem gleichnamigen Roman von Felix Lobrecht. Regisseur David Wnendt bringt nichts anderes als das raue Gesellschaftsklima des Viertels Gropiusstadt im Berliner Bezirk Neukölln auf die Kinoleinwand und stellt nach, wie vier Jugendliche als Täter aus dem Waren-Diebstahl einer PC-Liefersendung auf gewisse Art und Weise überraschend reifer als zuvor hervorgehen. „Sonne und Beton“ wird mit Untertiteln auf Rumänisch gezeigt, wogegen die ersteren zwei Filme mittwochs zuvor englisch untertitelt auf Zuschauer warten. Tickets sind am einfachsten online auf der Homepage cinemavictoria.ro vorab zu reservieren.