Fotografische Zeitreise

Ausstellung des Fotografen André Kertész im Hermannstädter Blauen Stadthaus

Aufgenommen vor 100 Jahren: „Der schlafende Junge“ ist das älteste bekannte Foto von Kertész. Foto: Holger Wermke

Hermannstadt - Die Zeit in Paris gehört zu den glanzvollen Phasen seines Schaffens. Im Paris der 1920er-Jahre gehörte der Fotograf André Kertész zur Bohéme. Er verkehrte mit Künstlern wie Marc Chagall, Piet Mondrian oder Sergej Eisenstein oder mit Mihály Károlyi, dem exilierten ungarischen Ministerpräsidenten von 1918. Hier entstanden seine später vielgeschätzten Straßenaufnahmen, experimentierte er mit neuen Fototechniken und hatte er  seine erste Ausstellung.

André Kertész gehöre zu den wohl interessantesten Fotografen des 20. Jahrhunderts, meint Iulia Mesea, Kuratorin des Hermannstädter Brukenthal-Museums. Sie betreut die Ende vergangener Woche eingeweihte Ausstellung „100. Meisterwerke aus dem Schaffen eines ungarischen Fotografen von weltweitem Ansehen“, die bis zum 5. April im Multimedia-Saal des Blauen Stadthauses am Großen Ring/Piaţa Mare zu sehen ist.

Der erste Teil der Ausstellung widmet sich der Frühphase seines Werkes. André Kertész (1894 bis 1985) wurde als Andor Kertész in Budapest geboren und entdeckte in seiner Jugend die Liebe zur Fotografie. Zu sehen ist beispielsweise das vermutlich älteste erhaltene Bild „Der schlafende Junge“ aus dem Jahr 1912. Interessant sind die Aufnahmen während seiner Zeit als Soldat der k.u.k.-Armee sowie die ländlichen Szenerien des Ungarn der Zwischenkriegszeit.

1925 ging Kertész nach Paris, eine Zeit, die der zweite, umfangreichste Teil der Ausstellung darstellt. In atmosphärischen Bildern hält er das Leben auf den Straßen und Salons der französischen Hauptstadt oder probiert sich an neuen Techniken, beispielsweise die Distortions-Akte (dt. Verzerrungen), die er mit Hilfe von Zerrspiegeln erzeugt. Er war außerdem der erste Fotograf, der eine eigene Ausstellung organisierte.

Im Jahr 1936 geht er nach New York, wo der aus einer jüdischen Familie stammende Kertész den Rest seines Lebens verbringen wird. Hier macht er sich einen Namen als Magazinfotograf und Fotojournalist. Kertész verfügte über seinen ganz eigenen Ansatz, sich seinen Motiven zu nähern, erklärte Kuratorin Mesea. Eine gewisse Emotion, manchmal in Melancholie und Nostalgie verfallend, und eine besondere Aufrichtigkeit seien die Filter, denen sich der Fotograf bediente, vor allem in der Frühzeit seines Schaffens.

Abgerundet wird die Ausstellung mit Bildern aus seiner „internationalen Periode“ ab1961, in der Kertész sich seinen künstlerischen Ambitionen widmet und die Welt bereist. Eine einzige Farbaufnahme gibt es in der Ausstellung dann doch, die Aufnahme aus seinem Todesjahr bildet den Abschluss der sehenswerten Schau.

Die Fotografien wurden vom Museum für ungarische Fotografie in Kecskemét zur Verfügung gestellt. Nach der jetzigen Station wird die Ausstellung im Kunstmuseum in Kronstadt/Braşov gezeigt.