Hawaii mit Kuscheldecken

Bukarest – Umgeben von alten, kommunistischen Blocks zeigte die „Residen]a9“ im Garten des Kulturhauses einen semidokumentarischen Spielfilm von Elfi Mikesch aus dem Jahr 1978 im Rahmen der Filmreihe „Corp socialism la Cinevara“.
Darin stellt die Regisseurin Elfi Mikesch das trostlose Leben einer alleinerziehenden Westberliner Putzfrau mit ihren zwei Kindern dar. Präsent waren natürlich auch die Westberliner Wohnblocks, die sich in der Bukarester Kulisse rund um die Residenta9 nahezu spiegelten.

Dabei ist nicht einmal klar zu sagen, ob „Ich denke oft an Hawaii“ nun ein Spielfilm oder eine Dokumentation ist. Die gezeigten Personen lebten tatsächlich in der Wohnung und der gezeigte Alltag entsprach ihrem Leben. Dass der Film jedoch nicht nur eine reine Dokumentation sein kann, wird den Zuschauern aber schnell klar. Denn der Film hat auch surreale Momente, die eindeutig inszeniert sind – wenn zum Beispiel die Tochter tanzt oder die Mutter ein Parfüm bewirbt.
Trotzdem wird eines klar: Das gezeigte Leben der Familie im Westberliner Block ist trostlos und wird nur durch den Kauf von kapitalistischen Gütern wie Parfüm und Kleidern aufgewertet, während eigentlich alle davon träumen, woanders zu sein – zum Beispiel auf Hawaii. Dorthin hat sich der abwesende Familienvater abgesetzt und ist nur noch durch die südseehaften Musikeinspielungen abwesend-präsent.

„Ana Szel, Liri Chapelan und [tefan Ristea kuratieren die Filmreihe „Corp socialism la Cinevara“ (dt.: Körpersozialismus im Kino) und erforschen den menschlichen Körper, wie er im Kino der sozialistischen Zeit in Mittel- und Osteuropa erscheint“, erklären die Veranstalter auf ihrer Internetseite. „Ziel der ausgewählten Filme ist es, den zeitgenössischen Zuschauern soziale Posen und Texturen näher zu bringen, die in einer seltsamen Zone zwischen dem Vertrauten und dem Unbekannten angesiedelt sind“, detaillieren sie noch, was mit dem Film und der Vorführung gelungen ist. Denn auch wenn der Film aus Westberlin und nicht aus dem Sozialismus kommt, erfüllt er diese Zielsetzung.

Denn gerade vielen Bukares-tern wird ein Leben in oder neben großstädtischen Wohnblocks der 70er Jahre bekannt sein. Dennoch wirft der Film einen Blick auf eine sehr eigene BRD-Welt, die die Zuschauer – großzügig versorgt mit Kopfhörern und Decken – im Garten des Kulturhauses bestaunen durften, während ein kalter Abendwind durch Bukarest zog.

Vor dem Filmbeginn wurden außerdem zwei rumänische Kurzfilme aus der kommunistischen Zeit präsentiert. Der erste behandelte kritisch die Kolonialisierung Afrikas, der zweite drehte sich um eine humoristische blaue Sonnenbrille, durch die der Blick pubertierender Schüler auf ihre Klassenkameradinnen geworfen wird, was einige Zuschauer zum Lachen brachte.

Bei der Filmreihe werden die Filme immer in Originalsprache mit englischen und rumänischen Untertiteln gezeigt. Wer einen deutschen Film in der Residenz sehen will, der kann das nächste Mal am Donnerstag, 26. September, den DDR-Film „Solo Sunny“ von 1980 um 20 Uhr anschauen.