Kein klassisches Gitarrenspiel ohne Rückbesinnung auf Spanisches

Tavi Jinariu war glücklich, erneut an seinem Geburtsort aufzutreten

Auch wenn manche Zuhörer ihn persönlich kannten, und das schon seit vielen Jahren, überraschte Tavi Jinariu sein Publikum einmal mehr mit feinsten Gitarre-Klängen. Foto: Klaus Philippi

Hermannstadt – Weil er Musik von acht Komponisten gewählt hatte und sein Weltklasse-Alleinunterhalter-Programm vom ersten bis zum letzten Ton auswendig zum Besten gab, hielt sich Gitarrist Tavi Jinariu Freitagabend, am 26. Juli, zwischen den einzelnen und kurzen Sätzen mehrteiliger Stücke und Suiten in der evangelischen Johanniskirche Hermannstadt/Sibiu keinen Atemzug zu lange mit Pausieren auf. Zu kurz aber fielen die Unterbrechungen auch nicht aus, da ein Solist das Konzertgeschehen lenkte, der dem Spielfluss ausgeglichen und unmerklich all das Feine beizumischen verstand, was keinen Abfall der Publikums-Spannung erlaubt. Mittvierziger Tavi Jinariu, in Hermannstadt geboren wie aufgewachsen und im US-Bundesstaat Kalifornien universitär zum Profi auf klassischer Gitarre ausgebildet, startete barock mit der Johann Sebastian Bach Tribut zollenden Suite Nr. 9 d-Moll des gut 25 Jahre älteren Robert de Visée in den Abend und setzte unmittelbar anschließend mit den „Tres Canciones Catalanas“ von Virtuose Miguel Llobet (1878-1938) den einzigen stilistischen Kontrast seines Auftritts. Iberisch verortet auch die Klangreden sechs historisch wichtiger Schlösser Spaniens durch Federico Moreno Torroba (1891-1982, Madrid), dessen Töne Tavi Jinariu berührend als Musik eines Komponisten „mit der Seele eines Nationalisten“ vorstellte und nahtlos in das „Capricho Arabe“ von Francisco Tárrega (1852-1909) münden ließ. Beim Wechsel hin zu drei „Valses Venezolanos“ von Antonio Lauro (1917-1986) und der „Danza Brasilera“ im Samba-Rhythmus von Argentinier Jorge Morel (1931-2021) musste Tavi Jinariu als seit 25 Jahren in den USA lebender Musiker mit untrüglichem Gespür für das richtige Timbre nur noch die Anforderungen des geographischen Kulissen-Tauschs erfüllen. Und beim Präsentieren des „Preludio de Adios“ vom 1955 in Ciudad Bolívar geborenen Gitarre-Komponisten Alfonso Montes, der 2000 wegen offener Kritik am Regime unter Ex-Präsident Hugo Chávez seine Heimat Venezuela verlassen musste, sprach er davon, mit dem Autoren betont „gemischter Gefühle“ in Dur und Moll auf Notenpapier befreundet zu sein. Wäre es nach dem Programmblatt gegangen, hätte Tavi Jinariu das Konzert in seiner Heimatstadt mit Isaac Albéniz (1860-1909) und drei Nummern aus dessen populärer „Suite Espańola“ (1886) in acht Teilen beschließen sollen, doch ließ man ihn erst nach zwei Zugaben gehen: seiner Ehefrau Melissa, die am Eingang der Johanniskirche freundlichst für lautloses Kommen und Gehen sorgte, widmete der Gast und Wahlamerikaner aus Los Angeles die spanische „Malaguena“ nach Muster von Albéniz, und zu einer der zig Etüden von Fernando Sor (1778-1839) bemerkte er, dass „Musik uns nicht beeindrucken soll. Sie soll bessere Menschen aus uns machen.“ Der Ticket-Erlös wurde einer Kinder-Rüstzeit der baptistischen Kirchengemeinde „Betania“ der Stadt gutgeschrieben. Mittwoch, am 28. August, folgt ein Interview mit Tavi Jinariu in der ADZ.