Klappernde Keramik bei Kaiserwetter

Töpfermarkt brachte Hermannstadt den perfekten Herbsteinstieg

Nicolae Sava hatte sich reichlich mit Ware für den Hermannstädter Töpfermarkt eingedeckt, und virtuos spielen kann er sowieso. Foto: Klaus Philippi

Hermannstadt – Péter Alpár aus Bicfalău/Bikfalva hat seine Teetassen in hellblau und dunkelgrün ineinander fließenden Farbtönen leider nicht an der 55. Auflage des Hermannstädter Töpfermarkts/Târgul Olarilor de la Sibiu zum Handel aufgereiht. Der Künstler aus der verkehrsarmen Ortschaft an der ungarisch-rumänischen Sprachgrenze bei Tartlau/Prejmer und Teliu im Burzenland und seine bei 1000 Grad Celsius gehärteten Genussobjekte waren Samstag, am 4. September, und Sonntag, am 5. September, am Großen Ring/Piața Mare nicht anzutreffen. Aber die von ihm angewandte Technik brachte anspruchsvollen Ersatz auf manchen Verkaufstisch am altstädtischen Hauptplatz unter bestem Spätsommerhimmel. Denn Emese Ambrus aus Aiton im Kreis Klausenburg/Cluj bot ihre bei 1200 Grad im Ofen gehärteten Becher und Teller feil. Von noch höheren Temperaturen beim Brennen tönerner Ware konnte allein Csaba Bálint am Stand des Pfadfinderzentrums „Nocrich Scouts Centre“ Leschkirch berichten – der Töpfermeister aus dem Harbachtal/Valea Hârtibaciului hatte auf dem Regal kleine Krüge stehen, die bei schier 1500 Grad Celsius gebacken worden waren.

Auch die Witterung meinte es sehr gut mit dem Hermannstädter Töpfermarkt 2021. Den Fans der fast einzigen Jahresveranstaltung auf dem Großen Ring, die ohne Lautsprecheranlage auskommt, flog das erste Schönwetterwochenende der Herbstsaison wie gerufen in den urbanen Lebensraum hinein. Eine ungetrübte Verschnaufpause war es, was die Zeit den Menschen zwei volle Tage lang schenkte. Sogar die Turmuhr der römisch-katholischen Stadtpfarrkirche blieb, wie schon an einigen Tagen zuvor, weiterhin stehen und zeigte stets zehn Minuten vor acht Uhr an. Ihre Glocken dagegen waren alle 30 Minuten mit Läuten zur Stelle. Nicolae Sava aus Bistritz zeigte von früh bis spät stupende Fitness auf Okarinas aus Eigenproduktion und changierte mühelos vom Triumphmarsch aus der Verdi-Opfer „Aida“ zum Volkslied „Pușca și cureaua lată“. Den breiten Gürtel hatte er um sein besticktes weißes Leinenhemd geschnürt, und von einer Flinte war an seinem Tisch selbstverständlich nicht die Rede. Vielmehr zielte er spielerisch direkt in die Ohren großer und kleiner Käufer, die neugierig an seinen Tisch drängten. Wie immer schoss er den Vogel ab.

Dass dennoch hier und dort etwas Kitsch hervorstach, war nicht zu vermeiden. Oder dürften einige Käufer sich aus gutem Grund für die mit Trickfilmaugen bemalten großen Blumentöpfe von Oana Alexandra Zamfir aus dem Kreis Temesch oder die in knalligen Farben getöpferten Kleinblumenbeete in Stiefelform eines Anbieters aus Horezu begeistert haben? Auch Dinge, die auf den ersten Blick zu kaum etwas taugen, können wertgeschätzt werden. Vladimir Jianu aus der Kreishauptstadt Deva (Hunedoara) hat es mit seinen Pilzhäusern bewiesen.

Ionel Cococi aus Vlădastra im Kreis Olt dreht seit jeher Schüsseln in schwarzweißen Mustern, die um bis zu 2500 Jahre älter als die Kultur der Cucuteni gelten. Links und rechts seines Tisches hatte er diesmal auch je einen cremefarbenen Krug in Bauart eines Phallus stehen: „Künstlern kommen auch Flausen in den Sinn, denn ohne Flausen geht es nicht!“ Zudem ist Ionel Cococi mit Ion Mitroi aus dem Kreis Teleorman befreundet, der seine Heimatregion vor drei Jahren in Anlehnung an Liviu Dragnea am Töpfermarkt auf dem Großen Ring ironisch selbstlos als „județul rușinii“ (Kreis der Reue) bezeichnet hatte.

Der 1200 Lei teure Bartgeier aus Ton, den Hajnal Pap und Albin Zsolt Szöcs aus dem Kreis Harghita anzubieten hatten, wurde nicht freigekauft. Vielleicht wusste kaum jemand, dass dieser Raubvogel in den Karpaten vor 80 Jahren zum letzten Mal gesichtet wurde. Es gab aber auch Positives zu beobachten. Eine Dame vom Team der D&D ART SRL Temeswar tätigte ihren Einkauf bei Istvan Forro und Maria Agoston aus Hódmezövásárhely (Ungarn). Victoria und Vitalie Parlui aus Chișinău brachten nicht zuletzt einen neuen Stil aus dem Nachbarland östlich des Pruth nach Rumänien. Auch das Wohnhaus von Töpfermarkt-Gründer Horst Klusch (1927-2014), das im Frühjahr 2021 beinahe abgerissen worden wäre, steht nach wie vor. Die Reben im Hof hinter dem Tor, die auch manche Krüge am Großen Ring zierten, sind bald erntereif.