Hermannstadt – Die internationale Premiere von Gotthold Ephraim Lessings „Nathan der Weise“, beim diesjährigen Internationalen Theaterfestivals in Hermannstadt/Sibiu, war ein voller Erfolg, die Veranstaltung ausverkauft und das Publikum begeistert. Am kommenden Wochenende feiert die Koproduktion mit dem Schauspielhaus Stuttgart nun seine Rumänien-Premiere im Radu-Stanca-Nationaltheater (TNRS). Inszeniert wird der Klassiker der deutschen Aufklärung von Armin Petras, das Bühnenbild stammt von Drago{ Buhagiar und die Musik von Marius Mihalache.
„Nathan“ verkörpert Toleranz gegenüber anderen Religionen und erzählt vom Ringen um einen friedvollen Umgang zwischen Juden, Christen und Muslimen. Ein Thema, das in diesem Sommer im Zuge der großen Flüchtlingsbewegung nach Europa, Angriffen auf Unterkünfte von Geflüchteten, aber auch dem selbstlosen Einsatz hunderter Freiwilliger in Budapest, Wien oder München, aktueller denn je geworden ist. Bei einer Pressekonferenz am Montag betonte Constantin Chiriac, der Direktor des TNRS, denn auch diese Aktualität sowie die Bedeutung der Zusammenarbeit zwischen beiden Schauspielhäusern. „Ich begann dieses Projekt vor zwei Jahren und dieses Stück hat vorausgesagt was heute passiert. Wir sehen wie verschiedene Religionen und Ethnien aufeinandertreffen und zu Phänomenen führen, die uns alle betreffen. Wir müssen also in einen Dialog miteinander treten.“ Armin Petras sieht die Koproduktion somit auch als ein Experiment an, „um zu schauen wie sich Kulturen gegenseitig befruchten können und auch welche Schwierigkeiten es dabei gibt.“ Schließlich wird sich durch die vielen Geflüchteten „das Leben, die Musik, das Denken oder auch das Essen in Deutschland verändern“, so der Regisseur weiter.
Schon Robert Pfützner würdigte an dieser Stelle die außergewöhnliche Weise, mit der die Aktualität des über 200 Jahre alten Dramas während des Internationalen Theaterfestivals inszeniert wurde. Denn das Stück bleibt nicht auf eine bloße Inszenierung beschränkt. Es zeigt wie religiöse Wirklichkeitsentwürfe unvereinbar aufeinander prallen und sich in alltäglichem Terror und exzessiver Gewalt entladen. Doch es wird auch nach Konfliktursachen und nach der Vision einer heutigen aufklärerischen Idee gesucht. Roland Müller, Kulturredakteur der Stuttgarter Zeitung, bezeichnete das Stück denn auch als eine „typische Petras-Arbeit“, die „Dutzende von Themen aufwirbelt, einige skizzenhaft ausführt, einige lapidar antippt und doch immer das Große und Ganze in den Aktualisierungsblick nimmt“. Die Vorpremiere findet am 19. und die Premiere am 20. September jeweils um 19 Uhr im Radu-Stanca-Nationaltheater statt. Die Dauer des Stücks beträgt inklusive Pause zweieinhalb Stunden und die Eintrittskarten kosten 15 bzw. 20 Lei. Im Schauspiel Stuttgart feiert „Nathan der Weise“ seine Premiere am 17. März 2016. Anschließend folgen gemeinsame Aufführungen mit dem Osloer Nationaltheater in Luxemburg.