Hermannstadt - Er liest im Literaturhaus in Berlin oder im Goetheinstitut in Madrid vor mehreren hundert Menschen, aber auch im Kleinen Café an der Sagstiege vor einer handvoll Freunde. Vergangene Woche tat er das aus seinem ersten Roman „Der geköpfte Hahn“, am Montagabend las er aus „Rote Handschuhe“ und am kommenden Montag steht „Das Klavier im Nebel“ am Programm. Eginald Schlattner. Vorzustellen braucht man ihn in dieser Zeitung nicht, genausowenig seine Trilogie „Versunkene Gesichter“.
Die Lesungen und die darauffolgenden Diskussionen in der maximal zwanzig Personen fassenden Stube erfolgen in rumänischer Sprache. Die Einführung in die Abende gestaltet die Germanistin Andreea Dumitru, die über Schlattners drei Romane promoviert. „Rote Handschuhe“ bezeichnete sie als das „kontroversierteste“ Buch Schlattners, der Autor selbst sagte, es sei nicht sein Lieblingswerk. Es ist der autobiografischste Roman des Schriftstellers, den er als Hand zur Versöhnung schrieb. Erfolgt ist das Gegenteil, die Fronten haben sich verhärtet.
Gelesen hat Schlattner am Montagabend Passagen, die den in der Haft in Stalinstadt (wie Kronstadt/Braşov in den 1950er Jahren hieß) erlittenen physischen und psychischen Terror widerspiegeln. Bei den Verhören wurde jedes Wort oder Schweigen von der Securitate umgedeutet und gegen ihn eingesetzt. Diesem Prozedere sei er auch heute ausgesetzt, sagte Schlattner.
Die vier Monate andauernden Tag- und Nachtverhöre sowie die Einzelhaft hatten ihn soweit zermürbt, dass er sich selbst zum Verhör meldete. Und weitaus mehr gestand, als an Fakten möglich gewesen wären. War er der Einzige im Schriftstellerprozess, dem es so ergangen ist? In der Diskussion kam desgleichen die Frage auf, wieso er zum Zeugen der Anklage auserkoren wurde.
„Rote Handschuhe“ schildert die Mechanismen und Perfidie des Repressionsapparates, dargestellt wird auf eindrückliche Art ein trauriger Aspekt der Zeitgeschichte. Das Schlattner unliebsame Buch ist u.a. ins Polnische, Ungarische, Spanische oder Portugiesische übersetzt worden. In Sprachen von Staaten, die kürzlich eine Diktatur gekannt haben und deren Gesellschaften sich mit diesem Thema auseinandersetzen. Der Roman wurde von InterNationes zu den besten hundert zwischen 1999 und 2001 erschienenen Werken dieser Gattung gewählt.
Am Montag, dem 30. Januar, liest Eginald Schlattner um 18 Uhr im Kleinen Café aus seinem Lieblingsbuch „Das Klavier im Nebel“.