Hermannstadt – Im Rahmen des Ökumene-Semesters hielt die Leiterin des Teutsch-Hauses, Dr. phil. Gerhild Rudolf, einen öffentlichen Gastvortrag mit dem Titel: „Zur Sprachenfrage in der Evangelischen Kirche A.B. in Rumänien. Soziolinguistische Aspekte einer konfessionellen Kommunikationsgemeinschaft in Minderheitssituation.“ Bereits im Jahr 2019 war Rudolfs Promotion zum Thema „Wurzeln und Wege. Soziolinguistische Studie zur kirchlichen Sprachenwahl der Siebenbürger Sachsen“ erschienen. Darin ging sie der Frage nach, welche Auswirkungen gesellschaftliche Veränderungen innerhalb der Gemeinschaft der Siebenbürger Sachsen auf die Sprache hatten und inwieweit insbesondere in der evangelischen Kirche A.B. in Rumänien der Zustand der Einsprachigkeit in einen Zustand der Mehrsprachigkeit übergeht.
Die Veranstaltung fand im Rahmen des Ökumene-Semesters innerhalb der Vortragsreihe „Orthodoxie und Evangelische Diaspora in Rumänien“ statt. Pfarrer Alexandru Ioni]a begrüßte die Zuhörerinnen und Zuhörer.
Klar, verständlich, locker und mit viel historischer Hintergrundinformation für die anwesende Studierendengruppe sowie für Besucherinnen und Besucher, die mit Siebenbürgen weniger vertraut sind, ging Gerhild Rudolf auf das Thema der Sprachenfrage im Gestern und Heute ein: Einleitend stellte sie die Frage: „Sprachenfrage – gibt es sie?“ Antwort: „Ja, es gibt sie! Denn wir sind eine kleine Kirche in einem anderssprachigen Umfeld, in einem mehrheitlich konfessionell anders gestalteten Umfeld.“ Die Soziolinguistik erforscht die Frage, wie Menschen miteinander kommunizieren und in welcher Sprache dies geschieht – Sprache wird aber vorrangig in der Bildung, in der Kultur, in der Wirtschaft zum Thema gemacht. Welche Rolle der Sprache aber innerhalb kirchlicher Strukturen zukommt, komme in der Forschung fast nicht vor, so Rudolf.
Anhand anschaulicher Beispiele illustrierte sie linguistische Phänomene. Das sogenannte „Code-Shifting“ in Siebenbürgen wurde so anschaulich: „Es treffen sich der Herr Bischof Guib mit dem Herrn Hauptanwalt Gunesch, und sie sprechen natürlich Sächsisch miteinander – denn das ist die Mundart, die erste Sprache, die Herzenssprache. Dann komme ich dazu; ich bin in Kronstadt aufgewachsen, und meine Großmutter war aus Wien. Meine Eltern haben nicht Sächsisch miteinander gesprochen, sondern Deutsch. Dann wechseln die beiden zu Deutsch. Dann kommt Frau Muțiu vom Rentenamt dazu – sie kann weder Sächsisch noch Deutsch, also reden alle Rumänisch. Das ist die typische Konstellation hier in Siebenbürgen.“
Im Zentrum des Vortrags stand die Entwicklung von Sprache und der Sprachgebrauch in der Evangelischen Kirche A.B. in Rumänien, die eng mit der historischen Entwicklung der siebenbürgisch-sächsischen Minderheit und ihrer Kirche verknüpft ist. Die historische Einführung gab Einblicke in das Zusammenleben verschiedener Ethnien in Siebenbürgen. Allerdings sei es heute „nicht mehr ein klar abgegrenztes Nebeneinander, sondern es ist ein Miteinander.“
Auch auf die Nachbarschaften in den sächsischen dörflichen Gemeinschaften und auf den Austausch von Studierenden aus Siebenbürgen mit Westeuropa ging Rudolf ein. Der erste Gottesdienst in deutscher Sprache und sächsischem Dialekt wurde 1542 in Kronstadt gefeiert – vor allem die Predigt wurde lange im Dialekt gehalten. So war die Reformation ein wichtiges Element zur Herausbildung einer Volkskirche. Dabei streifte die Referentin verschiedene Wendepunkte wie die Jahre 1848 oder 1919 sowie die kommunistische Zeit, die allesamt Einfluss auf die Sprachsituation hatten. Auch die Diskussion um „Bleiben oder Gehen“, die Auswanderung und der Freikauf der Rumäniendeutschen wurden thematisiert.
Für die Zeit nach 1990 konnte man bereits beobachten, dass sich die Sprachsituation langsam veränderte: Schon damals begann man in den Städten, auch Gottesdienste in rumänischer Sprache anzubieten. In Kronstadt oder Mediasch fand ein solcher Gottesdienst einmal im Monat statt. Auch im ländlichen Bereich gab es damals partiell schon gemischtsprachige Gottesdienste.
Auf Basis einer Umfrage unter den evangelischen Pfarrerinnen und Pfarrern fand Rudolf heraus, dass es heute durchaus unterschiedliche Umgangsweisen in der Sprachenfrage gibt. Fest stehe, dass die Evangelische Kirche A.B. insgesamt „kleiner, städtischer, rumänischer“ werde und sich von einer Situation, in der eine Sprache, das Deutsche, vorherrschend war, zu einer bilingualen Sprachsituation hin bewege.