Hermannstadt – Mehrfach und ganz be-sonders bei Anbruch der Herbstsaison hat Alexandru Chituță in jüngsten Jahren einen Finger in die Wunde gelegt und den Infrastruktur-Mangel zeitgenössischer Kunst im bürgerlich konservativen Hermannstadt/Sibiu zwar nicht ausführlich, aber auch nicht eben beiläufig in die Kritik genommen. Dass der weiterhin interimistische Direktor am Brukenthalmuseum ausgerechnet das schon seit 14 Jahren leerstehende Klostergebäude der griechisch-katholischen Kirchengemeinde als Zusatz-Raum für die fünfte Auflage des international besetzten Sibiu Contemporary Art Festival (SCAF) ausgespäht hat, ist folglich kaum noch als eine Überraschung zu werten. Denn im Altbau des früheren Ursulinen-Nonnenklosters, der zu Beginn des kommunistischen Regimes das Pädagogische Gymnasium der Stadt durch Zwang als Dauermieter aufnehmen musste, wird Sonntagnachmittag, am 8. September, um 17 Uhr das am 6. Oktober schließende SCAF eröffnet. Ein gesunder Test auf Rehabilitation, wenn man sich das aller Wahrscheinlichkeit nach schwer in die Jahre gekommene Ziegeldach, die unzureichend gewartete Fassade und manch gähnende Fenster ohne jegliche Spur von Glas vor Augen führt, womit sich das zuletzt als Schulgebäude genutzte Kulturerbe-Immobil nachhaltig aus seinem breiten Ruf zu verabschieden drohte. Auf Betreiben von Chitu]˛ hin sind einzelne Teilräume und der Innenhof des Ursulinen-Klosters wieder für die Mindestanforderungen öffentlicher Verwendung tauglich gemacht worden. Was der Brukenthal-von-Studio-Verein und das Museum selbst dort vorhaben, nimmt alle weiteren SCAF-Ausstellungsorte dennoch nicht allzu stark aus dem Scheinwerferlicht. Teilnehmen werden über 150 Künstlerinnen und Künstler aus Israel, Finnland, Japan, Österreich, Holland, Griechenland, Syrien, Großbritannien, Ungarn, Norwegen, Italien, Deutschland, aus der Türkei, aus der Republik Moldau und selbstverständlich aus Rumänien, das auf Ebene Hermannstadt vor allem durch Ștefan Câlția, Șerban Savu, Gast der Kunstbiennale Venedig, und durch Florin Ștefan, Rektor der Universität für Kunst und Design Klausenburg/Cluj-Napoca seit März, künstlerisch bildend einen ganzen Monat lang von sich reden machen möchte. Sondergäste des in Kürze startenden SCAF sind Künstlerinnen und Künstler aus Kuba, die mit Unterstützung der einschlägigen Botschaft in Bukarest und des Nationalmuseums für Schöne Künste in Havanna in einer Gruppe von etwas mehr als zehn Personen nach Hermannstadt reisen. „Crossing Borders“ heißt die aktuelle Festivalauflage, deren Management sich Ilie Mitrea, der Vorsitzende des Brukenthal-von-Studio-Vereins, Alexandru Chituță als Hausherr sowie Ana Negoiță (Bukarest) und Alexandra Runcan teilen.
Die zeitlich befristete Wiederöffnung des Ursulinen-Klosters, von der Chituță sich Möglichkeiten zur dauerhaften Auslagerung von Museumskollektionen erhofft, punktet außerdem mit der Option, täglich bis Festivalende die Kellergeschosse und Katakomben der griechisch-katholischen Kirche und ihres seit Jahren ungenutzten Schulgebäudes zu betreten: Die Führungen beginnen Samstag, am 7. September, und finden jeweils um 12, 15 sowie 17 Uhr bei einer Gruppengröße von maximal zehn Besuchern statt. Eintrittskarten kosten 25 Lei pro Person. Die Untergeschosse beherbergen Gräber geistlich berufener Frauen und Männer aus alter Zeit und wurden während des Zweiten Weltkriegs als Luftschutzbunker inklusive Krankenhauszwecken genutzt. Leider ist in Korridoren, die einer Krypta gleichen, vielfach Grabschändung verübt worden. Allem Diffizilen zum Trotz dafür, was über der Geschichte des Altbaus schwebt, hat das römisch-katholische Erzbistum Karlsburg/Alba Iulia als sein rechtlicher Inhaber den SCAF-Veranstaltern grünes Licht für die Nutzung des ehemaligen Klosters gegeben.