Hermannstadt – Dr. Thomas Greif ist Historiker und Redakteur des „Sonntagsblattes – Evangelische Wochenzeitung für Bayern“. Für die Serie „europa reformata“ bereist Greif seit drei Jahren das protestantische Europa, im Gepäck stets die Frage „Was ist evangelisch?“ Die unglaubliche Vielfalt des Protestantismus, es wird neben Luthertum, Calvinismus und Baptisten von rund 30.000 Gemeinschaften ausgegangen, die sich auch abseits des traditionellen reformatorischen Bekenntnisses entwickelt haben, zeigte Greif am Dienstag im Teutsch-Haus. Unter dem Titel „Frei, fromm und voller Zweifel: Wie der Protestantismus das Gesicht Europas geprägt hat“ beginnt seine Bilderreise in den Franckeschen Stiftungen in Halle/Saale, dem Ort an dem der Theologe August Hermann Francke (1663-1727) mit seinen Stiftungen eine Schulstadt von europäischem Rang schuf und als Schüler von Philipp Jacob Spener den Pietismus mitbegründete. Über die sächsische Landeshauptstadt Dresden und die bedeutendste evangelische Kirche Europas, die Frauenkirche, Herrnhut in der Oberlausitz geht die Reise immer weiter nach Osten. Im niederschlesischen Schweidnitz/Swidnica hat Greif die Friedenskirche „Zur heiligen Dreifaltigkeit“, die größte Holzkirche Europas, besucht und im schlesischen Teschen/Cieszyn polnische Polen und tschechische Polen.
Denn am Ende des Ersten Weltkriegs geriet Teschen zwischen die Fronten des Polnisch-Tschechoslowakischen Grenzkriegs. Beide Länder beanspruchten die wirtschaftlich starke Region, ohne dass im Herbst 1919 im Vertrag von Saint-Germain dazu eine Regelung geschaffen wurde. Letztendlich wurde die Stadt nach blutigen Kämpfen entlang der Ols in das polnische Cieszyn sowie das tschechische Ceský Tešín geteilt. Die Altstadt samt Gnadenkirche und ihren 8000 Plätzen lag fortan also auf polnischem Territorium. Sie war und ist die größte der sechs vom Schwedischen König Karl XII. zugelassenen Gnadenkirchen in Schlesien und wird als einzige auch heute noch als evangelisches Gotteshaus genutzt. Über die Paulskirche in der ukrainischen Hafenstadt Odessa und Hermannstadt/Sibiu führt die Reise nach Debrecen, der einzigen protestantisch geprägten Großstadt Südosteuropas und weiter nach Westeuropa und Nordeuropa. Halt macht Greif dabei in den Waldensertälern, bei der ältesten Glaubensgemeinschaft des Protestantismus, in Amsterdam, wo seit den 1960er Jahren ein rasanter Prozess der Säkularisierung in Gange ist, sowie in der dänischen Hauptstadt Kopenhagen. Im 16. Jahrhundert gehörte das Königreich Dänemark zu den Ländern, welche in ihrer Gesamtheit zur Reformation übergingen. Einen letzten Abstecher macht Greif noch in Riga, wo die Kirche seit der Unabhängigkeit Lettlands wieder eine wichtige Rolle in Staat und Gesellschaft spielt, und ähnlich wie in Ungarn auch die Nationalfahne zum Inventar der Kirche gehört.
Als Résumé bleibt, dass die verschiedenen Gemeinschaften, ob in Edinburgh, Zürich oder Leipzig, insbesondere durch die protestantischen Grundwerte Bildung, Kultur und Toleranz miteinander verbunden sind. Deutlich wurde dies auch an den ausgewählten Zitaten, welche Greif von Personen präsentierte, die er auf seinen Besuchen getroffen hat. Im kommenden Jahr wird seine Reise durch das protestantische Europa dann auch als Buch veröffentlicht, bis dahin lässt sie sich auf der Internetseite des Sonntagsblattes nachverfolgen.