In dem folgenden Artikel, den wir in den kommenden Ausgaben unserer Zeitung in mehreren Folgen bringen, beschreibt Ursula Philippi exemplarisch das Schicksal von mehreren Orgeln in Siebenbürgen. Die Evangelische Kirche A.B. in Rumänien macht damit durch ihren Orgelausschuss auf das tragische Schicksal ihrer ca. 300 historisch wertvollen Orgeln aufmerksam. Einigen der von Zerfall und Zerstörung bedrohten Instrumente soll dadurch weitergeholfen werden – durch Sicherung, Wandern, Patenschaften etc.
Die Orgeldatei www.orgeldatei.evang.ro , die so aktuell wie möglich gehalten wird, gibt Auskunft über die einzelnen Orgeln. Die Autorin war 30 Jahre Organistin in der Stadtpfarrkirche Hermannstadt und ist zusammen mit ihrem Ehemann Kurt Philippi, dem ehemaligen Musikwart der Evangelischen Kirche, eine der Personen, denen das Überleben dieser Prinzessinnen und Königinnen wirklich am Herzen liegt. Durch ihre Arbeit als Musikerin, Pädagogin und Orgelfachfrau verhalf sie im Laufe ihrer langen Karriere dank ihrem ungebrochenen Enthusiasmus und ihren Fachkenntnissen diesen kränkelnden und zum Teil sogar todkranken Instrumenten zu weiteren Lebensjahren.
Reps/Rupea (Anonymus 1699/1724). Mein Anblick ziert Buchdeckel, Prospekte, Plattenhüllen. Ich wurde zu einem Symbol der Orgellandschaft Siebenbürgen.
Unter allen Instrumenten bin ich eines der ältesten. Manches Geheimnis um meine Entstehung wurde noch nicht gelüftet. In Reps, auf der kleinen Empore nahe dem Chorraum, hatte ich, was niemand sonst hat: einen Orgelschrei! Das waren zwölf kleine Pfeifen in einem eigenen Schränkchen an der Brüstung, die man zum Klingen bringen konnte. Es ertönte ein C-Dur Akkord. Hört die Königin!
Heute kann man mich in der Schwarzen Kirche zu Kronstadt besuchen und ab und zu auch hören. Ich throne auf einem eigenen Gerüst, unter mir die drei Schöpfbälge und lasse mich am liebsten von Spezialisten zum Klingen bringen, die mit der mitteltönigen Stimmung umzugehen wissen, die der Restaurator mir gelegt hat. Versucht nicht, etwas in f-Moll zu spielen! Das kränkt die Königin.
Rätsch/Reciu (Samuel Joseph Maetz 1813). Warum müssen Orgeln wandern? In Rätsch war 1993 meines Bleibens nicht mehr, da niemand mehr die Orgel benützte und die Kirche verfiel. In Kerz fand ich eine neue Heimat. Mein Klang erhob sich mitten aus dem Kirchenschiff, nahe bei der Gemeinde, die inzwischen auch geschrumpft war. Doch Unerwartetes geschah: Die Rätscher Kirche erlebte eine Renovierung.
Ein italienischer Geschäftsmann erwarb das Pfarrhaus mit allen Nachbargebäuden, auch der Kirche, und ließ sie restaurieren. Für sich und seine Gäste. Und er wollte die Orgel wieder haben. Ihr kennt sicher die Betonmischmaschinen von Pomponio, die kreuz und quer durch Siebenbürgen fahren! Dieser Betrieb hat dafür gesorgt, dass ich nach Rätsch zurückversetzt wurde und dort in tadellosem Zustand erklinge, wenn jemand mir Töne entlocken kann. Selbst meine alten Schöpfbälge, an Riemen zu ziehen, sind wieder in Funktion. Und in Kerz? Dorthin wanderte eine ältere und etwas größere Schwester von mir, die Orgel aus Schorsten/Soroştin (Samuel Joseph Maetz, 1790).