Wie ein einfacher Schreiner auszieht und die Großstadt erobert

Theaterstück „Herz eines Schreiners: Die Geschichte eines Siebenbürger Sachsen“ in Hermannstädter Stadtpfarrkirche aufgeführt

Ankunft beim Zunftmeister und bei den Gesellen in Hermannstadt (v.l.n.r.: Daniel Bucher, Daniel Plier, Benedikt Haefner und Ali Deac)

Wie folgt man seinem Traum? (Daniel Bucher (l.) und Ali Deac). Fotos: Aurelia Brecht

Erfolgreicher Abschluss des Stücks (v.l.n.r. Benedikt Haefner, Daniel Plier, Sarah Brown, Fabiola Petri, Daniel Bucher, Johanna Adam, Ali Deac)

Hermannstadt – In goldenes Licht getaucht ist der Innenraum der Hermannstädter Stadtpfarrkirche am siebten Tag des 30. Internationalen Theaterfestivals/Festival Internațional de Teatru de la Sibiu (FITS), das in diesem Jahr unter dem Motto „Wunder“/„Miracol“ stand. Aufgeführt wird an diesem Abend das Stück „Herz eines Schreiners: Die Geschichte eines Siebenbürger Sachsen“/„Inimă de tâmplar: Povestea unui sas transilvănean“. Das Stück wird mit einer Übersetzung auf Rumänisch und Englisch präsentiert. Die vorderen Ränge der Kirche sind voll besetzt.

Die Kirche verwandelt sich in das mittelalterliche Hermannstadt des 14. Jahrhunderts, ein stattlicher Zunftmeister tritt auf, seine resolute Ehefrau liest ihm die Leviten, zwei junge Lehrlinge der Schreinerzunft warten mit Überlegenheitsgefühl, Übereifer und Standesdenken auf. Aber die Hauptfigur ist ein Schreiner. Ein einfacher Schreiner aus Bußd/Buzd bei Mediasch, der durch den Befehl seines Herrn, dessen Tochter er das Leben rettete, mit einer beträchtlichen monetären Entlohnung nach Hermannstadt geschickt wird.

Aber in der großen Stadt begegnen ihm zunächst Ignoranz und Vorurteile: Er, ein Waisenkind, aus unklaren Familienverhältnissen stammend, noch dazu aus einem kleinen Dorf im Burzenland und einen unverständlichen Dialekt sprechend, wird zunächst von der Stadtgesellschaft nicht ernst genommen und verspottet. Auch seine Arbeiten sind nicht ganz perfekt: Er verfügt über handwerkliche Techniken, die in der Hermannstädter Schreinerzunft unbekannt sind, tut sich aber mit ihrer Umsetzung in der Möbelschreinerei schwer. Seine Anfertigungen sind manchmal aufgrund ungenauer Messungen uneben. Allein das Geld, das er mitbringt, verhilft ihm schließlich zur Aufnahme in die Schreinerzunft.

Der Neuankömmling begegnet diesem Gemisch aus Vorurteilen, Obrigkeits- und interessengeleitetem Denken mit seiner besonderen Persönlichkeit aus Ehrlichkeit und Unvoreingenommenheit: Nach und nach setzt er sich durch, gewinnt Freunde, setzt seine Stärken und Fähigkeiten in der neuen Umgebung und in der Interaktion mit den Menschen ein, die ihm begegnen. Und dem einen oder anderen, auf den er trifft, verhelfen seine Ideen und Handlungen dazu, zu sich selbst zu finden und näher an die eigene Persönlichkeit heranzurücken.

Was ist einfach und was ist komplex? Welche Werte sind die „richtigen“? Das Stück zeigt vor allem die Wiederbesinnung auf alles Menschliche, auf die Wichtigkeit zwischenmenschlicher Kommunikation, in der wir die Seelenbewegungen eines anderen erkennen können und die uns manchmal zu uns selbst führen. Phantasie und die Liebe zur Natur zeichnen den Fremden aus, der in Hermannstadt anzukommen versucht. Die Idee „das zu tun, was man liebt“ und unbeirrt den eigenen Weg zu gehen, gibt „der Neue“ an seine Mitmenschen weiter.

Im Zusammenspiel mit dem Hermannstädter Bachchor präsentieren die Schauspielerinnen und Schauspieler der Deutschen Abteilung des Radu-Stanca-Theaters, Daniel Bucher, Daniel Plier, Johanna Adam, Fabiola Petri, Ali Deac und Benedikt Haefner dem Publikum einen Abend voller Kurzweil, Menschlichkeit, Leidenschaft und Humor.

Die US-amerikanische Dramatikerin und Regisseurin Sarah Brown hat das Stück geschrieben und selbst Regie geführt. Sie lebt seit 2021 mit einem Fulbright-Stipendium in Hermannstadt und hat bereits im vergangenen Jahr ein Stück verfasst, das für die Synagoge in der Salzgasse in Hermannstadt konzipiert und im Rahmen des letzten Internationalen Theaterfestivals aufgeführt wurde. In diesem Stück beschäftigte sie sich mit der jüdischen Gemeinde Hermannstadts im Jahr 1927. Mit ihrem neuen Stück, das sich mit der siebenbürgisch-sächsischen Minderheit und mit deren Geschichte und Kultur beschäftigt, ist ihr ein faszinierender Zusammenschnitt aus Gestrigem und Heutigem gelungen, das zeitlose Thematiken und Motive der siebenbürgisch-sächsischen Kultur aufgreift und phantasievoll lebendig werden lässt.