Wie kann, soll und wird es nach der „Independența“ aussehen?

Ein Plan zur Verstädterung eines alten Industrie-Geländes harrt noch auf Genehmigungen

Architektin Maria Găvozdea (rechts im Bild, gestikulierend) hat es nicht widerstandslos einfach, für ihre Vorstellung vom zukünftigen Nutzen des nicht mehr aktiven „Independența“-Industriegeländes zu werben.

Hermannstadt – Nein, es ist nicht zu verurteilen, dass auf dem Gelände der früheren „Independența“-Fabrik am nördlichen Rand des alten Hermannstadt/Sibiu Neues entstehen soll, im Gegenteil. Architektin Maria Găvozdea, Mitglied des Teams im Büro A.Plan Srl und Ehefrau von Alexandru Găvozdea, liegt mit dem Hinweis darauf, dass „man dort, wo es geht, verdichten soll“, grundsätzlich richtig. Freitagnachmittag jedoch, am 13. Oktober und drittletzten Tag der jährlichen Herbstwoche „Offener Häuser“ (Case Deschise) auf der städtischen Agenda der Architekten-Kammer Rumäniens (OAR), schien Maria Găvozdea während ihrer Führung durch die Gassen und Hallen der seit gut drei Jahrzehnten überhaupt nichts mehr produzierenden „Independen]a“ sehr streng darauf bedacht, etwaiger Kritik am Projekt auf Verstädterung des traurigst vor sich hin gähnenden Fabrikgeländes je nach Möglichkeit scharfkantig zu antworten. Obwohl sie sich als Autorin der Projekt-Dokumentation ebenso wie auch ihr Büro-leitender Ehemann Alexandru Găvozdea darüber im Klaren ist, dass nicht alle Einheimischen, die Bescheid von ihrer Absicht wissen, solch groß angelegte Verstädterung vom aufgelassenen Industrie-Terrain unbedenklich gut finden. Dennoch erlaubte Maria G˛voz-dea sich manchen Seitenhieb auf das Rathaus, das ihrer Ansicht nach „befindet, dass wir ein wenig zurückbleiben müssen.“

Worum es geht, sind die Konditionen. Und Parolen, mit denen sich Architekt Alexandru Găvozdea vor ungefähr einem halben Jahr aus dem Stand heraus beinah erfolgreich in den Wahlkampf um das zur Neubesetzung ausgeschriebene Bürgermeister-Amt geworfen hatte. Die „15-Minuten-Stadt“, die ihm und Maria Găvozdea vorschwebt und nichts anderes als den Fakt besagt, dass Einwohner binnen nur einer Viertelstunde jeden erdenklichen Ort erreichen können sollen, will er zumindest auf dem aktuell noch nicht wieder rehabilitierten Gelände der „Independența“ und ihrer Vorgänger-Fabrik „Rieger“ unbedingt verwirklicht sehen. Verständlich und nachvollziehbar, keine Frage. Argwöhnischen Beobachtern entgegenzuhalten, das stadtweit als „Weißes Haus“ (Casa Albă) bekannte Bürogebäude auf dem Fabrikgelände-Vorplatz wäre „ausreichend gelungen, um nicht abgerissen zu werden“, ist dafür ein an Chuzpe grenzendes Argument. Weil es sieben Etagen und grob geschätzt fast doppelt so hoch wie die zahlreichen Teilgebäude der vormaligen „Rieger“-Eisenwerke ist, wovon nicht wenige als Baudenkmäler eingestuft sind. Hermannstadts „Weißes Haus“ kommunistischen Datums wurde seinerzeit durch diktatorische Entscheidungsgewalt höher gebaut, als es die noch heute geltenden Verstädterungs-Maßstäbe zugelassen hätten. Sicher ist es willkommen, dass der zukünftige Verstädterungs-Plan dort, wo 1948 die „Independența“-Fabrik an die Stelle der „Rieger“-Werke trat, einen Park für angebracht hält. Doch Wohngebäude und kommerzielle Immobilien ringsumher so hoch zu planen, dass sie den Sichtschatten auf die Altstadt, den das „Weiße Haus“ wirft, nicht überragen, bringt dem Architektur-Büro A.Plan Srl auch Kritik ein. Die Absicht mag gut sein, nicht aber das Herausschlagen ökonomischer Vorteile gemäß der Vorstellung von größtmöglicher „Verdichtung“ und exzessiver Gentrifizierung statt einer Rückführung auf gesunde Maßstäbe, die es in der Stadt schon einmal gegeben hat. Neues ist nicht zwingend schlecht, solange die Konditionen in jeglicher Hinsicht integer behandelt werden.