Hermannstadt –Stehenden Applaus gab es bei der Premiere des Stücks „Woyzeck“ von Georg Büchner im Radu-Stanca-Theater in Hermannstadt/Sibiu vergangene Woche. Die überzeugend gespielte Produktion der deutschen Abteilung, in der Regie Alexandru Visarions, geht unter die Haut und fordert Durchhaltevermögen. Das spärlich eingerichtete Bühnenbild, gestaltet von Alin Gavrilă, gibt einen Platz in einer Kleinstadt wieder, auf dem immer wieder das Bild des regen und chaotischen Treibens einer oberflächlichen, verlotterten und verlorenen Gesellschaft mit scheinbar zahlreichen umherirrend das Vergnügen suchenden Figuren dargestellt wird.
Der Soldat Woyzeck, hingabevoll und einprägsam dargestellt von Valentin Späth, ist darum bemüht seine Geliebte Marie, hervorragend gespielt von Anca Cipariu, und ihr gemeinsames uneheliches Kind finanziell zu unterstützen und dient hierfür einem Hauptmann, Daniel Buchner, der spöttisch und selbstverliebt die Unterworfenheit des gehetzten Soldaten ausnutzt. Zudem ist Woyzeck Versuchskaninchen in den Experimenten eines skrupellosen Arztes, Daniel Plier, der ihn einer Erbsendiät unterwirft. Woyzeck wird öffentlich erniedrigt, gedemütigt, sowohl vom Hauptmann, der ihm auch zu Verstehen gibt, dass Marie ihm fremdgeht, als auch vom Arzt. Andres, ebenfalls Soldat und ein Freund Woyzecks, dargestellt von Ali Deac, scheint der einzige zu sein, der bei sich und ausgeglichen ist, dass er vielleicht helfen könnte, allerdings bleibt er in seiner eigenen Welt, und nimmt Woyzecks Ängste und Sorgen gar nicht erst ernst. Als Woyzeck Marie in enger Umschlungenheit mit dem Tambourmajor entdeckt, meint er Stimmen zu hören, die ihm befehlen Marie zu erstechen, besorgt sich ein Messer und ermordet wenig später seine Geliebte, deren Gewissensbisse, einsame Reue und Ruf nach Vergebung vergeblich waren. Das Blut an Woyzecks Ärmel verrät das Unheil, die Leute – die als Menschenmasse großartig von etwa fünfzehn Darstellern wiedergegeben werden – entdecken den Mord, dessen der umherirrende Woyzeck sich nicht wirklich bewusst ist und das Stück endet in der bedrohlich wirkenden Anspannung des zum ersten Mal ruhigen und geordneten Auftritts der Vertreter der Gesellschaft.
„Woyzeck“ ist keine leichte Kost, was die gelungene Darstellung noch zusätzlich betont. Gesellschaftlicher Druck und Terror, eingeflößtes, übertriebenes Pflichtbewusstsein geäußert im „muss“ bei Woyzeck, Orientierungs- und Haltlosigkeit festgehalten im ausgesprochenen nietzscheschen „Gott ist tot“, sinnloses Gerenne, ausgelassenes Gelächter, Einsamkeit und das Alleinsein unter vielen, sind nur einige der Eindrücke, die dieses Stück hinterlassen. Die sich scheinbar endlos wiederholende Leiermusik, die öfter im Hintergrund zu hören ist, einerseits und das gelegentliche hastige Trommeln geben den Rhythmus des Stücks und den Wandel der Stimmungen vor. Gespickt mit einschneidenden, bedeutungsgeladenen Aussagen, lässt die Darstellung des Stücks wohl niemanden unberührt und gleichgültig aus dem Saal gehen. Die Tiefsinnigkeit des Stücks lädt zu mehrmaligen Besuchen ein.