40 Prozent der ausländischen Touristen sind Deutsche

Studie dokumentiert 10 Jahre Tourismusentwicklung in Hermannstadt

Hermannstadt/Sibiu hat sich im abgelaufenen Jahrzehnt zu einem touristischen Ziel mit europäischer Strahlkraft entwickelt. Wiedererweckt wurde Hermannstadt durch das Kulturhauptstadtjahr 2007, heißt es in einer Langzeitstudie der Europäischen Vereinigung für Freizeit- und Tourismusstudien (Atlas). Vorgestellt wurde die Studie am 6. Mai im Beisein des Hermannstädter Bürgermeisters Klaus Johannis, einem der Wegbereiter dieser Entwicklung.

Die Studie „Zehn Jahre kulturelle Entwicklung in Hermannstadt: Die Europäische Kulturhauptstadt und die Zeit danach“ dokumentiert den touristischen Aufstieg Hermannstadts und veranschaulicht die positiven Effekte, die langfristig angelegte Investitionen in Kultur und Bildung auslösen können. „Wir bemühen uns seit langem, dass wir Hermannstadt in eine touristische Destination verwandeln mit einem qualitativ hochwertigen kulturellen Profil“, sagte Bürgermeister Johannis. „Die Europäische Kulturhauptstadt war mit Sicherheit das wichtigste Projekt, das uns eine erhöhte Sichtbarkeit gab und die Stadt für eine wichtige Zahl von Touristen attraktiv machte.“

Bemühen um kulturelles Profil

Verantwortlich für die Studie sind Greg Richards von der Tilburg School of Social and Behavioural Sciences in den Niederlanden und Dr. Ilie Rotariu von der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften an der Hermannstädter Universität „Lucian Blaga” (ULBS). Es sei das erste Mal, dass die touristische Entwicklung einer Stadt über zehn Jahre dokumentiert wurde, meinte Richards, und dass die Situation vor und nach einem Großereignis bewertet werden konnte. 

Im vergangenen Jahr kamen knapp 144.000 Touristen nach Hermannstadt. Das ist ein Plus von 16 Prozent gegenüber 2009. Damit reichen die Gästezahlen jedoch noch nicht wieder an die Werte aus dem Kulturhauptstadtjahr mit 178.000 Besuchern heran. Gestiegen ist im vergangenen Jahrzehnt die Zahl der Besucher ab 2008 in der Altersklasse der über 30-Jährigen. 2001 waren 52 Prozent der Hermannstadt-Touristen in der Gruppe zwischen 20 und 29 Jahren, 2010 betrug ihr Anteil noch 39 Prozent. Der Anteil der Besucher zwischen 30 bis 60 Jahren und älter verdoppelte sich von 29 Prozent im Jahr 2001 auf 60 Prozent im vergangenen Jahr. 

Nach dem Urlaubstyp befragt, klassifizieren sich die meisten befragten Touristen als „Sonne- und Strandurlauber“, ihr Anteil liegt zwischen 2007 und 2010 bei etwa einem Fünftel. Interessant ist, dass der Anteil der „Kultururlauber“ seit 2007 von 16,5 auf 12,7 Prozent abgenommen hat. Nach Meinung der Autoren der Studie ist Hermannstadt mittlerweile attraktiv für ein breiteres Spektrum an Touristen und beschränkt sich nicht auf eine Rolle als Nischen-Destination. Allerdings spielt der Kulturaspekt bei ausländischen Touristen eine größere Rolle. Von 51.000 ausländischen Gästen 2010 hatten über 30 Prozent einen kulturellen Anspruch bei ihrem Besuch.

Ausländer sind kulturinteressierter

Die Zahl der ausländischen Touristen stieg im vergangenen Jahr nach den schwachen Jahren 2008 und 2009 auf 51.000. Das entspricht einem Drittel aller registrierten Besucher. Höher war die Zahl nur 2007 mit über 69.000 Besuchern aus dem Ausland. Mit 40 Prozent stellen die deutschen Besucher die stärkste Gruppe dar, danach folgen Italiener und Franzosen mit jeweils 8,9 Prozent. 

Von den Touristen profitiert das Gastgewerbe der Stadt. Drei Viertel aller Gäste übernachtet in der Stadt. Allerdings entscheiden sich bislang nur 25 Prozent für eine Übernachtung in einem Hermannstädter Hotel oder einer Pension, wogegen 34 Prozent bei Freunden oder Familie wohnen. 
Der wirtschaftliche Effekt des Tourismus wird immer wichtiger für die Stadt. Laut Studie gaben Ausländer 2010 durchschnittlich 170 Euro pro Tag aus, rumänische Gäste kamen auf die Hälfte. 

Seit 2001 stiegen die durchschnittlichen Ausgaben bei einem Hermannstadt-Besuch von 200 Euro auf gut 430 Euro. Die direkten Einnahmen der Stadt durch die Hotelsteuern sprangen von 2006 auf 2007 um 70 Prozent und blieben seitdem in etwa auf diesem Niveau. Insgesamt blieben durch den Tourismus 2010 47,6 Millionen Euro in der Stadt, eine Steigerung um 40 Prozent seit dem Kulturhauptstadtjahr, wo die Einnahmen durch den Tourismus bei 34,1 Millionen Euro lagen.

Qualität der Dienstleistungen verbesserungswürdig

Beliebteste Attraktionen innerhalb der Stadt sind das Brukenthal-Museum, das 57 Prozent der Befragten besuchten, das Astra-Museum (54 Prozent) und die Evangelische Stadtpfarrkirche (39 Prozent). Die Kirchenburgen im Umland besuchten lediglich 20 Prozent. 

Trotz aller positiven Aspekte gibt es noch viel zu tun, wie Bürgermeister Johannis feststellte, etwa bei der Qualität der Dienstleistungen. Wenn man Kulturtouristen erwarte, müsse man diese auf einem anderen Niveau empfangen als auf dem eines Grillfestes, meinte Johannis. Diese Einschätzung bestätigt die Studie. Die subjektiven Bewertungen der Aufenthaltsqualität durch die Touristen sinkt seit 2008. Die Autoren heben hervor, dass Kurzzeit-Touristen die Stadt als touristische Destination schlechter bewerten als solche, die zwei oder mehr Nächte hier verbringen. Auffällig ist auch, das ausländische Touristen deutlich kritischer bewerten als Inländer.