Aus der Doppelgarage zum Mittelstandsunternehmen

Seit fast dreißig Jahren wächst das Unternehmen SC Steiger SRL kontinuierlich

Der Unternehmer Vasile Steiger im firmeninternen Ausbildungsraum
Bilder: der Verfasser

Firmenstandort und Produktionshallen des Unternehmens Steiger

In knapp drei Jahrzehnten hat sich das Familienunternehmen SC Steiger SRL aus Großkarol/Carei zu einem renommierten Betrieb in der Region Sathmar/Satu Mare entwickelt. Die Produktionsfläche ist mittlerweile auf etwa 6000 Quadratmeter gewachsen. Zur weiten Angebotspalette gehören unter anderem Metallverarbeitung und -konstruktionen. Über das schwierige letzte Jahr aufgrund der Pandemie sowie die Notwendigkeit des dualen Ausbildungssystems unterhielt sich Firmengründer Vasile Steiger mit ADZ-Redakteur Arthur Glaser.

Sie haben 1994 ihr Unternehmen in einer Doppelgarage in Großkarol gegründet. Wie kam es dazu?

Hierfür war vor allem das Datum 24. Mai 1993 in meinem Leben verantwortlich. Es gab an diesem Tag in dem Unternehmen, in dem ich damals gearbeitet habe, eine Sitzung. Das Unternehmen war von der Mentalität her immer noch sozialistisch geprägt. Mir wurde nach der Sitzung sofort klar, dass ich nicht mehr dort bleiben wollte. Ich habe sofort gekündigt, ohne wirklich zu wissen, wie und wo es weitergeht. 
Ich hatte dann noch im selben Jahr die Chance, für drei Monate an der Maßnahme „Hilfe zur Selbsthilfe“ in Deutschland teilzunehmen. Dies wurde von der Hans Lindner-Stiftung in Sathmar gefördert. Während des Aufenthalts in Deutschland ist mir klar geworden, dass ich meine eigene Firma gründen wollte. Nach meiner Rückkehr nach Rumänien habe ich sofort, es war im November 1993, alles für meine Selbständigkeit in die Wege geleitet. Ich habe selbst Metallbau studiert, zudem waren sowohl mein Großvater als auch mein Vater bereits in der Metallverarbeitungsbranche tätig. Von daher war es klar für mich, dass ich mich in diesem Bereich selbständig machen werde.

Im Februar 1994 habe ich zusammen mit meiner Frau das Unternehmen Steiger offiziell gegründet und wir haben die Verantwortungsbereiche unter uns aufgeteilt. Sie ist die „Finanzministerin“ geworden und ich übernahm den technischen Bereich. Das ist bis zum heutigen Tag so geblieben. Bis 1999 haben wir die Firma aus der Doppelgarage betrieben. Dann sind wir an den Standort, an dem wir uns jetzt befinden, umgezogen. Im Laufe der Zeit haben wir dann Schritt für Schritt durch den Zukauf von Grundstücken die Fläche des Unternehmens erweitert. Wir beschäftigen zurzeit etwa 70 Mitarbeiter. 

Seit 2012 exportieren sie auch verstärkt ins Ausland. Woher kommen die meisten Aufträge? 

Jeweils 40 Prozent kommen aus Deutschland und Frankreich. Die restlichen 20 Prozent verteilen sich auf Finnland, Holland und Belgien. Dies sind die Länder, in die wir am meisten exportieren. Für den Binnenmarkt bieten wir auch Hallenkonstruktionen sowie Industriebau an. Zu unseren bisherigen regionalen Kunden gehörten z.B. ContiTech Fluid, Polipol sowie Gotec. Zudem bieten wir Konstruktionen für Getreidesilos an. Diese sind momentan sehr gefragt.

Wie waren Sie von den wirtschaftlichen Folgen der Pandemie betroffen, und wie konnten Sie die Krise managen? 

Es war überraschend, da wir in den letzten 20 Jahren nahezu nur Wachstum gesehen haben. 2019 hatten wir ein sehr gutes Auftragsjahr, im Januar 2020 kam dann der Einbruch. Es kamen keine Aufträge oder Anfragen mehr, was sehr auffällig war. Im Februar 2020 wurden dann in drei Wochen Aufträge im Wert von über vier Millionen Euro storniert. Diese Aufträge standen bereits vor dem Vertragsabschluss, wofür wir seit Monaten gearbeitet hatten. Im März 2020 haben wir es sehr stark gespürt. Wir haben eine sehr starke Ungewissheit und Unsicherheit wahrgenommen. 

Auch auf der Arbeitnehmerseite wirkte es sich aus. Trotz „şomaj tehnic“ haben wir letztes Jahr 25 Mitarbeiter verloren, für die die Zahlungen zu wenig waren. Niemand wusste, wie es genau weitergehen wird. Es war schmerzhaft, da es junge, von uns ausgebildete Mitarbeiter waren, die uns verlassen haben. 

Uns wurde klar, dass einige unserer Partner und Kunden Probleme hatten und ökonomisch nicht stabil genug waren, eine solche Krise zu überstehen. Wir haben dann unseren Fokus verstärkt auf Marktforschung gelegt. So haben wir vor allem in Deutschland nach Unternehmen und Kunden gesucht, mit denen wir langfristige stabile Kontakte aufbauen können. Zudem haben wir unsere Partnerschaften und Kunden neu sortiert. Die deutsche Wirtschaft ist für uns maßgebend. 

Nach Videokonferenzen und Gesprächen konnten wir dann im Oktober 2020 neue Kundenaufträge gewinnen. Wir konnten feststellen, dass unser Krisenmanagement funktioniert hatte. Unsere sehr gute Kreditwürdigkeit bei den Banken hat uns zudem auch sehr geholfen. 

Viele Unternehmen haben seit der Corona-Krise z.B. in Digitalisierung investiert. Haben Sie auch vergleichbare Strukturen oder Prozesse umgestaltet?

Tatsächlich hatten wir schon vor der Krise in den Jahren 2018/19 über ein EU-finanziertes Programm die Digitalisierung sowie ein System zur Rückverfolgbarkeit von Produkten in unserem Unternehmen ausgebaut. Das Projekt hatte ein Volumen von zwei Millionen Euro. 60 Prozent davon EU-Mittel und 40 Prozent Eigenmittel. Wir hatten das Projekt geplant, um in die Werkzeugmaschinenproduktion einzusteigen. Dafür sind Digitalisierung sowie Produktrückverfolgbarkeit erforderlich. Während der Krise haben wir auch die Prozessstruktur optimiert. 

Sie benötigen viele Fachkräfte. In Rumänien steckt das duale Ausbildungssystem noch in den Kinderschuhen. Wo finden Sie qualifizierte Facharbeiter? Finden Sie junge ausgebildete Menschen?

In unserer Branche gibt es kaum oder fast keine richtige Ausbildung für Fachkräfte. Vorhandenes Fachpersonal ist in der Regel etwas älter und hat bereits eine feste Anstellung. Um eine Lösung für dieses Problem zu finden, haben wir seit fünf Jahren eigene Schulungsräume im Unternehmen. Aus der Not heraus bilden wir selbst junge Menschen im dualen System (Theorie und Praxis) hier bei uns aus. Die Schulen fokussieren bei der Ausbildung nicht auf die Praxis. Wir haben auch versucht, die Schulbehörden davon zu überzeugen, welche Anforderungen in unserer Branche an Fachkräfte bestehen, indem wir berufsorientierte Schulbücher aus Deutschland organisiert haben. Wir haben Kooperationen mit lokalen technischen Schulen in Absprache mit dem Schulinspektorat. Schüler der Klassenstufen 9 bis 11 kommen, neben ihrem Schulunterricht, zur dualen Ausbildung zu uns in den Betrieb. Wir bilden in den Berufen Schlosser, Schweißer sowie auch Bediener von CNC-Maschinen aus. 

Das duale System ist eine absolute Notwendigkeit für unseren Betrieb. Ich glaube, es ist zweckmäßig und unerlässlich, die Struktur der theoretischen Ausbildung in Berufsschulen, mit Einbeziehung der Firmen, die an der praktischen Ausbildung teilnehmen, gesetzlich zu regeln. Für unsere Schulungsräume haben wir aus Deutschland Spezialmaschinen und Geräte für die praktische Ausbildung erworben. Die Schattenseite dabei ist, dass von uns gut ausgebildete junge Menschen das Unternehmen dann wieder Richtung Westen verlassen. 

Sie haben schwäbische Wurzeln und gehören zur deutschen Minderheit in Rumänien. Ihre Kinder haben das deutsche Lyzeum absolviert. Genießen Sie als Deutscher besonderes Ansehen als Unternehmer, gerade in Bezug auf Eigenschaften wie Fleiß, Qualität und Zuverlässigkeit?

Wenn wir Besuch von auswärtigen Kunden oder Partnern bekommen, stellen sie fest, dass wir eine sehr gesunde wirtschaftliche Einstellung im Unternehmen und in der Region haben. Die Schwaben in der Region hatten und haben eine andere Mentalität. Sie sind ständig in Bewegung und müssen immer beschäftigt sein. Besucher sehen und schätzen unsere Arbeitsmoral. Ich bin stolz, dass ich mit dieser Mentalität erzogen wurde. 

Unternehmer in Deutschland haben oft ein Problem mit der Nachfolgeregelung im eigenen Familienbetrieb. Ihre drei Kinder sind alle im Unternehmen tätig. Wie konnten Sie sie überzeugen?

Unser Familienunternehmen ist klein, aber komplex. Manchmal wünsche ich mir noch zwei weitere Kinder, die auch noch etwas in der Firma übernehmen könnten. Die Firma in der Doppelgarage war übersichtlicher. Umso größer eine Firma wird, umso komplexer und schwieriger ist es auch, diese an die nächste Generation zu übergeben. Man benötigt auch deutlich mehr Fachleute, um das Unternehmen fortzuführen. Ich bin stolz mit meinen Kindern im Unternehmen zusammenzuarbeiten. Die Verantwortung, das alles zu übernehmen, wird sehr groß sein. Ich hatte meine Kinder einfach gefragt, ob sie in das Unternehmen wollen, und sie haben sich dafür entschieden. Ich denke, wenn man den Weg dafür bereitet, muss sich die nächste Generation nur dafür entscheiden ihn weiterzugehen.

Viele junge, gut qualifizierte Menschen verlassen Rumänien. Wie könnte man diesen Exodus aus Ihrer Perspektive als Unternehmer verlangsamen oder sogar aufhalten?

Ich hatte vor drei, vier Jahren die Idee, mit deutschen Partnern ein Gemeinschaftsunternehmen aufzubauen, um hier bei uns Teile zu produzieren und diese dann in Deutschland zu montieren. Wir würden dann Personal von hier, z.B. für drei Monate, zur Montage nach Deutschland entsenden, welches danach zurückkehren könnte. So könnten sich die Gehälter an den Westen anpassen und die Mitarbeiter können mit ihren Familien hier vor Ort bleiben. 

In der momentanen Lage ist es aber schwierig das umzusetzen. Es ist schwierig, die Abwanderung zu beeinflussen oder die Mentalität der Menschen zu ändern. Es gehen ja nicht alle und es gibt positive Anzeichen. Wir hatten selbst Fälle von Personal, welches nach der Abwanderung wieder zurückkehrte. Die Menschen erkennen langsam, dass Geld nicht alles ist und es andere Dinge im Leben gibt, die man mit Geld nicht kompensieren kann. Man muss Anreize und ein Klima schaffen, in dem sich die Menschen wohl und geschätzt fühlen. Als Unternehmer versuche ich gerade junge Leute zu entdecken und zu fördern, so dass sie hier in Rumänien bleiben.

Vielen Dank für das Gespräch!