Nach Rumänien zu ziehen war nie auf der Liste seiner Pläne, aber schon als Kind war ihm klar: er wollte Schauspieler werden. Martin Székely wurde in Ungarn, in Veszprém, geboren und ist in der ungarischen Stadt Pápa aufgewachsen. Mit sieben fing er an, die deutsche Sprache zu erlernen. Mit elf stand er schon auf der Bühne bei einem Deutschwettbewerb und trug dem Publikum „Das verhexte Telefon“ von Erich Kästner vor. Die Freude, auf der Bühne zu stehen, die er damals entdeckte, war Auslöser einer Reihe von Gefühlen, die seine ganze Persönlichkeit stark beeinflussten. Schauspieler zu werden, wurde einer der Träume, nach dem er fortan strebte. „Auf der Bühne fühle ich mich immer zu Hause“, sagt Martin Székely entschlossen. Nun ist der angehende Schauspieler seit einem Jahr in Rumänien und studiert Theater an der deutschsprachigen Schauspielabteilung der West-Universität in Temeswar/Timișoara. So geht er gleich zwei seiner Leidenschaften nach – der deutschen Sprache und dem Schauspiel.
Seit seinem ersten Auftritt auf der Bühne als Schüler sind Jahre vergangen. Den Traum, tatsächlich eines Tages Schauspieler zu werden, hat Martin Székely (32) aber nie aufgegeben. Zuerst pflegte der gebürtige Ungar seine Vorliebe zu Fremdsprachen, denn er lernte Deutsch mit sieben und Englisch mit 14 Jahren. Wenn man sprachbegabt ist, öffnen sich Welten – das wusste der junge Mann schon immer zu schätzen. „Durch verschiedene Sprachen hat man einen anderen Bezug zu Menschen – man kann sie ansprechen, egal woher sie kommen. Ich wollte immer mit Menschen arbeiten und dabei einfach Positivität in die Welt reinbringen“, erzählt Martin. So hat er sich mit 18 für einen Au-Pair-Job in Deutschland beworben. Auch nach seinem Abitur 2011 kehrte er jeden Sommer nach Deutschland zurück, wo er neben Au Pair auch andere Jobs als Kellner oder Gärtner ausübte.
Jahre vergingen, doch für den inzwischen ausgebildeten Gymnasiallehrer hat der Drang nach dem Schauspiel nicht nachgelassen. „Mir fehlten die Vorstellungen, die Bühne, das Publikum und das Gefühl. Dann entschied ich mich, nach staatlichen Schauspielschulen zu googeln. So habe ich Infos zur deutschsprachigen Schauspielabteilung in Temeswar gefunden“, erzählt Martin Székely. „Ich versprach mir – da ich schon 31 war – wenn ich hier aufgenommen werde, würde ich gleich ja sagen und nach Rumänien ziehen. So kam also Temeswar in mein Leben“, setzt Martin fort.
Für die Aufnahme an der deutschen Schauspielabteilung der Fakultät für Musik und Theater an der West-Universität Temeswar musste er sich hart vorbereiten. Der Sommer 2023 war für ihn ein anstrengender Sommer, sagt er. Verschiedene Monologe, Gedichte, Kurzgeschichten und Lieder habe er für die Aufnahmeprüfung erlernen und vorbereiten müssen. In einer ultraheißen Stadt bei rund 40 Grad Celsius kam Martin Mitte Juli in Temeswar an. Die westrumänische Stadt habe er davor noch nie besucht, sagt er. „Die Aufnahmeprüfung verlief in drei Runden: In der ersten Runde trug ich einen Monolog und ein Gedicht vor einer Kommission und den anderen Kandidaten vor. In der zweiten Runde beschäftigten wir uns mit Improvisationsübungen. Alle Aufgaben hörten sich verrückt an, aber ich genoss sie, weil ich frei spielen konnte. Ich musste eine betrunkene Person spielen, die sich schämte oder einen frischgebackenen Vater, der seine neue Lebenssituation komplett hasst, und während dieser Situation durfte ich nureinen einzigen Satz benutzen, den die Kommission mir vorgab. Als nächste Übung musste ich ein Sinnesorgan verlieren und so in der Welt zurechtkommen. Am Ende des Tages hat uns ein Schauspiel-Dozent geholfen, unsere Monologe noch zu verbessern. Ich war sehr überrascht, dass sie so viel Energie für uns aufbrachten, damit wir eine bessere Leistung erreichten. Die dritte und letzte Runde kam am folgenden Tag: Wir mussten als Ensemble auftreten. Wir bekamen verschiedene Aufwärmungsübungen, in denen wir aufeinander achten mussten. Als letzte Aufgabe erhielten wir die schwierigste – und schönste – Übung: wir mussten uns vorstellen, wieder in unserem Kinderzimmer zu sein. Ich musste einfach weinen und es tat gut. Ich fühlte mich wieder zu Hause. Die Anstrengung hat sich ausgezahlt, denn in kurzer Zeit kam das Ergebnis: ich wurde aufgenommen!“, erinnert sich Martin Székely an die Aufnahmeprüfung.
Als Student habe er im ersten Studienjahr in der Bega-Stadt mehr als je zuvor über das Schauspiel lernen dürfen, er habe die Grundlagen des Schauspiels und viel über Improvisation gelernt, denn Theorie geht dort Hand in Hand mit der Praxis, erklärt er. Doch auch Vernetzung war im vergangenen Jahr für Martin Székely groß geschrieben. Durch die deutschsprachige Schauspielabteilung konnte sich der Auszubildende mit vielen Schauspielern aus Rumänien und aller Welt verbinden, denn im November letzten Jahres wurde das Network-Festival der europäischen Theaterschulen in Temeswar organisiert. Sieben europäische Theaterschulen kamen in der Bega-Stadt zusammen, brachten Aufführungen vor dem Temeswarer Publikum dar, aber setzten sich auch innerhalb von Debatten, Konferenzen und praktischen Workshops mit verschiedenen Themen auseinander. „Es war ein Treffpunkt für uns alle: Studenten, Theaterlehrer, Fachleute, Kritiker, Theaterintendanten, etablierte Schauspieler und Regisseure. Ich bin unglaublich dankbar dafür, dass ich die Chance hatte, mitzumachen und am Ende dieses Festivals auch Teil einer gemeinsamen Performance mit den Teilnehmern der jeweiligen europäischen Schulen zu sein”, sagt er.
Um sich das Leben in Rumänien zu finanzieren, unterrichtet Martin in seiner Freizeit Deutsch und Englisch als Fremdsprache, meistens online, privat, aber auch an Sprachschulen. Er hat derzeit etwa neun Privatschüler, aber auch Menschen, die sich auf gewisse Sprachprüfungen oder auf die deutsche Staatsbürgerschaftsprüfung vorbereiten. Seine Kursanten kommen aus der Schweiz, Polen, Großbritannien, Spanien, Ungarn, Mexiko, Russland und der Slowakei. Des Weiteren ist Martin Székely auch Träger des Stipendiums in seinem Jahrgang an der West-Uni. „Ich genieße all meine Aufgaben, egal ob als Lehrer oder Schauspieler, denn ich bin fest davon überzeugt, dass man dadurch voran kommt. Nur weil du in einer armen Familie geboren wurdest, bedeutet das nicht, dass du nichts im Leben erreichen kannst“, sagt der junge Mann.
Derzeit genießt Martin Székely sein Leben in Rumänien, doch nach dem Abschluss seines Studiums nimmt er sich vor, in Deutschland oder England zu leben. Auf der Bühne verbleibt für ihn ein vertrautes Gefühl von Frieden und Erfüllung, doch inzwischen habe er sich auch mit der Kamera angefreundet. „In stelle mir meine künftige Schauspielkariere aus mehreren Schichten vor: das Theater bleibt meine erste Liebe, aber ich würde mich gerne auch mit Filmen und Serien beschäftigen. Wie du siehst, habe ich sehr große Pläne und Träume“, schließt er lächelnd.
Die deutschsprachige Schauspielabteilung an der West-Universität Temeswar wurde vor mehr als 30 Jahren von den Schauspielern des Deutschen Staatstheaters Temeswar (DSTT), Ildiko Jarczek-Zamfirescu, Hans Lengenfelder und Ida Jarczek Gaza gegründet. Die Fachrichtung ist einzigartig in Rumänien und außerhalb des deutschsprachigen Raumes.