Barocke Kulturlandschaft des Banats wird lebendig

Der Prachtband „Barock im Banat“ von Rodica Vârtaciu-Medeleţ dokumentiert in Wort und Bild die europäische Prägung der Region

Im heutigen Rumänien mischen sich Kultureinflüsse aus Ost und West, was auch historisch wechselnden politischen Zugehörigkeiten der Regionen und kulturellen Hegemonien geschuldet ist. So findet sich im Banat bis heute auch eine reiche katholische Kultur, die an das Habsburger Reich erinnert. In jenem Vielvölkerstaat mischten sich ebenfalls Kulturen und Traditionen aus Ost und West. In einem neuen Buch von Rodica Vârtaciu-Medeleţ wird die barocke Kulturlandschaft des Banats nun so eindrucksvoll dargestellt, dass sie lebendig vor dem Auge des Lesers erscheint. Das Banat nimmt bis heute als Grenzregion zwischen Rumänien, Ungarn und Serbien eine besondere Stellung ein und hat eine lange Geschichte seit der Antike. In der Frühzeit von den Dakern besiedelt, wurde die Region dann fast zur Gänze von den Römern erobert. Im 11. Jahrhundert kam das Gebiet unter ungarische Herrschaft, Temeswar/Timişoara wurde 1316 unter Karl Robert von Anjou zur Residenzstadt seines Königreiches.

1552 wurde das Banat von den Türken erobert und blieb 156 Jahre lang ein Paschalik des Osmanischen Reiches. Die Region war später „nach den unter Prinz Eugen erfolgreich geführten Befreiungskriegen gegen die osmanische Herrschaft ein erfolgreiches Modell für den administrativen und wirtschaftlichen Neuanfang an der bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts bestehenden östlichen Militärgrenze der Habsburgermonarchie.“ (S. 7) Die Geschichte des Banats und Siebenbürgens, auch der 1775 von Österreich annektierten Bukowina unterscheidet sich von jener der durch die Karpaten getrennten Gebiete mit rumänischer Bevölkerung, die unter osmanischer Herrschaft blieben. Das Banat entwickelte sich im 18. Jahrhundert zu einer prosperierenden Region. Die Provinz bildete „für die habsburgische Politik auch ein Tor zum südosteuropäischen Raum und ermöglichte ständige Kontakte mit den Gebieten jenseits der Karpaten und ihrer Bevölkerung.“ (S. 17)

Der Band vermittelt zunächst die notwendigen Informationen zur Vorgeschichte und präsentiert sich dann als eine umfassende Kunst- und Kulturgeschichte des Barock im Banat. Die Autorin Vârtaciu-Medeleţ war als Kunsthistorikerin lange Zeit als Kustodin des Banater Museums in Temeswar für dessen Barocksammlungen verantwortlich und lehrt seitdem als Professorin für Kunstgeschichte an der Universität von Temeswar. Westeuropäische Kultur wird hier sichtbar – in der Architektur, im Kirchenbau, auch in der Porträtkunst, wie dieser farbig gedruckte Prachtband vorführt. Auch der orthodoxe Kirchenbau war geprägt von der kulturell dominanten barocken Umwelt.
Das Zusammenleben von Ungarn und Deutschen mit den orthodoxen Rumänen und Serben der Region verlief weitgehend konfliktfrei, was auch an den „Illyrischen Privilegien“ liegen mag, die der serbischen orthodoxen Bevölkerung von Kaiser Leopold I. 1690 gewährt wurden. Sie sicherten der orthodoxen Kirche eine weitgehende Autonomie sowie das Recht auf Pflege des orthodoxen Glaubens und der alten religiösen Traditionen zu. So gab es auch in Temeswar und Karansebesch seit Jahrhunderten orthodoxe Bistümer, das katholische Bistum von Tschanad/Cenad freilich existierte seit König Stefans Zeiten und der Gründung 1030. Nach dem „Leopoldinischen Diplom“ mussten die orthodoxen Bischöfe allerdings Serben sein, was die Entwicklung des rumänischen orthodoxen Kultus behinderte.

Von Wien aus geförderte militärische, zivile oder kirchliche Bauprojekte lockten zahlreiche Architekten, Künstler und Handwerker an. Wie noch heute der Dom zu Temeswar und das Kloster Maria Radna zeigen, spielte die Kirche als Trägerin der katholischen Reform eine entscheidende Rolle für die Verbreitung des Barock. Vârtaciu-Medeleţ hält dazu fest: „Die Kirche spielte (…) natürlich auch eine entscheidende Rolle für die Verbreitung des Barock im Banat. Das 18. Jahrhundert brachte mit dieser Entwicklung eine Europäisierung der eingesessenen Bevölkerung.“ (S. 22) Die barocke Kunst und Kultur wurden in den Dienst der katholischen Reform und des kaiserlichen Absolutismus gestellt, spürbar zum Beispiel im barocken Theater mit moralisierend-religiösen und historisierenden Inhalten.
Der Band dokumentiert die Entwicklung des Barock im Banat an Beispielen aus der militärischen und zivilen Profanarchitektur und der Sakralarchitektur, Bildhauerei sowie der religiösen und profanen Malerei. Ein eigener Abschnitt widmet sich dem Einfluss des Barock auf die orthodoxe Malerei und Druckgrafik. Immer wieder wird der starke Einfluss des Barock auf die volkstümliche Kunst reflektiert und die Bemühungen um eine eigenständige regionalspezifische Kunst verdeutlicht. Besonders weiterführend und bedenkenswert ist die Schlussbetrachtung zu den „Folgen der Barockisierung des Banats bis in die Gegenwart“ (S. 389-396).

Die Autorin stellt die Wandlungen der Barockepoche im Banat im historischen Zusammenhang dar und würdigt die dabei erbrachten künstlerischen Leistungen. Bisherige Forschungsergebnisse aus Rumänien werden mit umfangreichem Material aus Wiener Archiven ergänzt. Die Bildauswahl des Prachtbandes ist mit der Charakterisierung als allumfassend fast noch zu wenig gewürdigt. Alte Karten, Bauskizzen und Stiche, historische und aktuelle Aufnahmen von Bauwerken sowie aussagekräftige Detailfotos von Bauten und aus Kirchen wie auch die Reproduktion repräsentativer Gemälde aus jener Zeit führen drucktechnisch brillant und in Hochglanz diese barocke Kulturprägung vor. Die Bildnachweise und -erklärungen sind ausführlich, hilfreich ist außerdem die Konkordanz der Ortsnamen.
Der Band lädt zum Studieren und zum Bereisen dieser Kulturlandschaft ein, um den hier gezeigten Reichtum an barocken Kulturschätzen in einer Region Südosteuropas zu besichtigen, wo man ihn auf den ersten Blick nicht unbedingt vermutet. Das Buch dokumentiert in Wort und Bild diese barocke Kulturlandschaft und darf künftig als Standardwerk gelten.

Rodica Vârtaciu-Medeleţ: „Barock im Banat. Eine europäische Kulturlandschaft“; Übersetzung aus dem Rumänischen von Stefan Melwisch und Simina Melwisch-Birăescu, Regensburg, Verlag Schnell & Steiner 2012, 430 S., über 250 farbige Abbildungen, ISBN 978-3-7954-2607-1; 49,95 Euro