Auf der Internetseite des Bürgermeisteramtes von Hermannstadt wurde vom 19. Oktober bis 13. November l. J. ein Projekt zur Bebauung eines Grundstücks in der Josefstadt mit Front zur Straße T. Neculuță (Verlängerung der Schulgasse) veröffentlicht und das Publikum aufgefordert, dazu Stellung zu nehmen. Am 12. November ist in der ADZ eine Stellungnahme zu diesem Vorhaben mit dem Titel „Wohnblocks sollen Hermannstädter Altstadt verschandeln – Verstoß gegen Denkmalschutz“ erschienen. In den vergangenen Monaten wurde in ähnlicher Weise auf der Homepage des Rathauses ein Entwurf für Neubauten in der Altstadt zwischen Fleischer- und Brukenthalgasse (str. Mitropoliei, str. Xenopol) vorgestellt, der auch zu Kommentaren in der ADZ (in den Nummern vom 24. und 31. Oktober l. J.) geführt hat.
Aus den Veröffentlichungen des Rathauses ist zu erkennen, dass beide Studien von dem gleichen Planungsbüro erstellt worden sind. Zu dem Vorhaben der Neubauten in der Josefstadt (str. Neculuță) habe ich am 13. November eine Stellungnahme beim Bürgermeisteramt eingereicht, die als Nr. 81539/13.11.2020 registriert wurde. Da diese beiden städtebaulichen Studien von grundverschiedenen städtebaulichen Gegebenheiten ausgehen, ist eine differenzierte Beurteilung dieser Entwürfe angebracht.
In meiner Stellungnahme zu dem zweiten Projekt habe ich darauf hingewiesen, dass die Grundstücke, die Gegenstand der Studie sind, sich in der Nachbarschaft von Baudenkmälern befinden und zum Teil einen wertvollen Baumbestand aufweisen (siehe Foto). Daraus ergeben sich folgende Gesichtspunkte, die bei der weiteren Planung berücksichtigt werden sollten:
Das von den Straßen Schewisgasse (Bdul. Victoriei), str. Transilvaniei, str. Neculuță und dem Industriekomplex im Südwesten begrenzte Areal hat spezifische Voraussetzungen, die unterschiedliche städtebauliche Behandlungen verlangen. Es lassen sich hier vier Bereiche identifizieren, die eine differenzierte Herangehensweise erfordern: So sollte auf einem Viereck, in dessen Mitte sich das orthodoxe Bischofspalais befindet (A), vor allem auf die Restaurierung des Baudenkmals und die entsprechende landschaftliche Gestaltung geachtet werden. In dem nördlich davon gelegenen Viereck (B) kann nur eine Bebauung erfolgen, die auf den wertvollen Baumbestand Rücksicht nimmt. In dem Viereck, auf dem sich das ehemalige Evangelische Seminar befindet (C), ist auf die Gebäude, Baudenkmäler der Kategorie B, und die Kontrolle der vorhandenen Vegetation zu achten. Auf dem für Neubauten vorgeschlagenen Grundstück von 5159 Quadratmetern, begrenzt von der str. Neculuță, dem Industrieensemble und im Südosten von dem Seminargelände (D), halte ich es für sinnvoll und vertretbar, neue Gebäude zu errichten, wenn dabei einige entsprechende Bedingungen berücksichtigt werden:
Angesichts der Tatsache, dass die Gebäude der Nordseite der str. Neculuță etwa 5 Meter von der Grundstückgrenze zurückgesetzt sind, sollten auch die neuen Bauten im Abstand von 5 Metern von der Straße geplant werden.
Da die Häuser in der Umgebung, mit Ausnahme der Industriebauten, Ziegeldächer haben, wäre es wünschenswert, bei den Neubauten auf Terrassendächer zu verzichten. Da im Vorschlag eine maximale Traufenhöhe von 11 Metern und eine Firsthöhe von 16 Metern angegeben ist, kann dies als ein Hinweis in diese Richtung interpretiert werden.
Aus der veröffentlichten Zeichnung und den Kennzahlen der Nutzung des Grundstücks (CUT und POT) kann man darauf schließen, dass bei der vorliegenden Planung eine maximale Rentabilität erzielt werden soll. Wenn wir uns die Viertel in Hermannstadt ansehen, die Ende des 19. Jahrhunderts und bis zum Beginn des 1. Weltkriegs, in der sogenannten Gründerzeit, gebaut wurden, so fällt bei den Prinzipien, nach denen damals gebaut wurde, eine gewisse Monumentalität und Großzügigkeit auf, die auch die Gestaltung der Grünflächen umfasst. Wir denken hier an städtebauliche Ensembles wie die Friedenfelsstraße (C. Noica), Josephgasse (I. Rațiu), Schewisgasse (Bdul. Victoriei), Hochmeisterstraße u. a. Es wäre wünschenswert, wenn bei der Fortführung der hier vorgestellten Planung auf eine so intensive Nutzung des Grundstücks verzichtet und etwas von der erwähnten Großzügigkeit der Gründerzeit in dieses Vorhaben einfließen würde.
Es ist sicher nur bedingt erlaubt, eine Stadt als einen Organismus zu bezeichnen, doch hat diese verschiedene Eigenschaften, die Organismen eigen sind: eine ständige Entwicklung und Erneuerung, die Anpassung an die sich verändernden wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Gegebenheiten, die dynamische Optimierung der einzelnen städtischen Funktionen und auch das Abwerfen von Ballast. Der Städtebauer hat die Aufgabe, die vielfältigen Funktionen der Stadt zu harmonisieren, ein möglichst angenehmes Klima für die Bewohner zu schaffen und darüber hinaus zu versuchen, die in Jahrhunderten gewachsene Persönlichkeit der Stadt zu bewahren. Um das zu erreichen, muss u. a. die Möglichkeit bestehen, auf dem gesamten Areal der Stadt zu bauen oder bauliche Veränderungen vornehmen zu können. Dabei ist es unerlässlich, Grundsätze und Prinzipien zu beachten, die durch städtebauliche Normen, die geschichtliche Entwicklung der Stadt, durch Anstand und guten Geschmack gegeben sind.
Wenn wir unter diesen Gesichtspunkten die beiden Studien betrachten, die das Rathaus zur öffentlichen Diskussion gestellt hat, so muss festgehalten werden, dass das Vorhaben, auf Freiflächen in der Altstadt zwischen den Häuserzeilen der Brukenthal- (Xenopol) und Fleischergasse (Mitropoliei) neue Häuser zu bauen, grundsätzlich inakzeptabel ist und abgelehnt werden muss, während das zweite Projekt in der str. Neculuță, ein Vorhaben ist, das sich, aus meiner Sicht, bei Einhaltung entsprechender Qualitätskriterien, problemlos in die städtebauliche Entwicklung Hermannstadts einfügen lässt.