Inmitten der urbanen Armut, wo die Verzweiflung groß ist, gibt es eine Organisation, die versucht, sich der Vergessenen anzunehmen. Die Nichtregierungsorganisation „Funda]ia Timișoara 89” bietet benachteiligten oder obdachlosen Menschen sowie ganzen Familien Hilfe und soziale Dienste an. Die Organisation, die ursprünglich den Namen „Societatea de Caritate Română - Timișoara ‘89” trug, wurde von Petru Ilieșu, Vorsitzender der Organisation und rumänischer Schriftsteller, unterstützt von einer kleinen Gruppe von Freunden, unmittelbar nach der Revolution gegen das kommunistische Regime in Rumänien am 30. Dezember 1989 gegründet. Die lokale Verwaltung stellte keinerlei Unterstützung für die Organisation bereit, die bis 1997 ausschließlich durch Spenden von Organisationen aus Schweden und der Schweiz finanziert wurde. Petru Ilieșu stützte sich zunächst auf Freunde. Erst in den späten 1990er Jahren wurde die Stiftung teilweise von der Stadt Temeswar/Timișoara unterstützt.
Der Schriftsteller Petru Ilieșu, der sich in seinen Büchern auch mit der Aufarbeitung des Kommunismus befasst, hat in seiner Kindheit selbst schwierige Erfahrungen gemacht. Aufgrund einer körperlichen Einschränkung verbrachte er viele Jahre in Sanatorien. Das sensibilisierte ihn für das Schicksal anderer. Im Laufe der Zeit wurde daraus die Mission, ein humanitäres Zentrum zu schaffen.
„Am 28. und 29. Dezember 1989, in den Zeiten des Umbruchs, hat die Idee in meinem Kopf konkrete Gestalt angenommen. Ich habe zwei Tage nachgedacht und am 30. Dezember drei Freunde zu mir nach Hause eingeladen. An diesem Tag haben wir beschlossen, die Rumänische Wohltätigkeitsgesellschaft ‚Timișoara 89‘ zu gründen.” Doch bis zur Entstehung der Organisation war es ein langer Weg. „Am Ende blieb mir nur noch einer der Leute, mit denen ich ursprünglich begonnen hatte, übrig. Auch er starb einige Jahre später”, berichtet der Schriftsteller.
„Jeder Mensch verdient ein gesichertes Leben, ein Dach über dem Kopf, Nahrung und Wärme. Obwohl viele Menschen gerade das nicht haben, da sie von der Welt vergessen wurden und nicht an dem Leben teilhaben, das wir normal nennen, gibt es bestimmte Kriterien für die Aufnahme von Sozialfällen. Jeder Fall wird von einem Team aus Sozialarbeitern, Psychologen, und Sozialpädagogen besprochen”, erklärt Petru Ilieșu. Bestimmte Mindestvoraussetzungen müssen für die Aufnahme in jedem Fall erfüllt sein: Sie dürfen nicht betrunken oder aggressiv sein, sie müssen wirklich den Willen haben, aufgenommen zu werden. Dann erfahren die Menschen Unterstützung. Das bedeutet zunächst ein Bad und der Austausch von getragener und schmutziger Kleidung gegen saubere. Sie erhalten anschließend einen Platz im Schlafsaal. „Einige der Hilfeempfänger werden von psychiatrischen Krankenhäusern und Kliniken, vom Sozialdienst der Stadtverwaltung, von verschiedenen Bürgern, die sie verwahrlost auf den Straßen der Stadt finden, von ehemaligen Hilfeempfängern, die jetzt unabhängig leben, und von anderen an uns verwiesen“, erklärt Petru Ilieșu. Um in die Betreuung aufgenommen zu werden, zählen der psychische Zustand des Antragstellers, seine persönlichen Unterlagen, welche jedoch häufig verloren gegangen sind oder vernichtet wurden, sowie die Kapazität des Teams, überhaupt noch neue Fälle aufzunehmen. „Das Unterbringungszentrum hat derzeit nur 45 zugelassene Plätze, kann aber bis zu 56 Obdachlose aufnehmen“, sagt der Stiftungsvorsitzende.
Meistens sind alle Plätze voll besetzt. Frei werden Plätze durch Todesfälle, den freiwillgen Auszug aus der Unterkunft, aber auch dann, wenn Personen, die Gewalttaten oder Diebstahl begehen, ausgeschlossen werden müssen. „Die Einhaltung der Regeln ist unabdingbar, damit alle in der Betreuung zusammenleben können.“
„Jeder Mensch, der hierher kommt, hat eine eigene Geschichte, ein Leben, das er ändern möchte, eine Entwicklung, die er beginnen möchte”, sagt Petru Ilieșu. Darüber erzählt der Schriftsteller auch in seinem Buch „Oameni care nu există” (Menschen, die nicht existieren). In diesem Buch kommen die Betroffenen selbst zu Wort. „Jeder Fall, mit dem wir uns befassen, hat seine eigene Geschichte mit den Gründen, warum er gescheitert ist und in den Zustand geraten ist, in dem er erhebliche Hilfe benötigt.“ Die traurigsten Fälle sind Kinder, die aus Familien stammen, die sich nicht um sie kümmern. Sie stehen von Anfang an allein da. „Deshalb leiden viele von ihnen an psychischen Erkrankungen, ihr Leben ist desorganisiert, sie schaffen es nicht, allein zu leben. Sie sind auch nicht in der Lage, einer geregelten Tätigkeit nachzugehen.” Entsprechend besitzen viele von ihnen einen Krankenschein oder einen Behindertenausweis. Häufig gehören zu den Hilfsbedürftigen auch Alkoholiker, die aufgrund ihrer Sucht ihren Arbeitsplatz, ihre Familie und ihr Zuhause verloren haben. Aufgrund ihrer ungesunden Lebensweise manifestieren sich bei vielen von ihnen gesundheitliche Probleme wie Leberzirrhose, durch übermäßiges Rauchen geschädigte Lungen, Lähmungen. Auch viele psychisch Kranke sind gezwungen, auf der Straße zu leben und werden von Zeit zu Zeit in psychiatrische Kliniken eingewiesen. Sie haben ihr Zuhause verlassen oder wurden von ihren Familien im Stich gelassen, da ihre Versorgung und ein Zusammenleben mit ihnen schwierig sind. Oft benötigen sie zusätzliche Behandlung und Hilfe. In einer ähnlichen Lage befinden sich zudem einige ältere Menschen, die aufgrund der geringen Rentenhöhe nicht mehr in der Lage sind, sich selbst zu versorgen, keine Angehörigen haben und an fortschreitenden Krankheiten leiden.
„Alle Menschen, die in der Notunterkunft der Stiftung ankommen, haben zuvor unter Hunger, Kälte, mangelnder Versorgung und dem Fehlen einer festen Unterkunft gelitten“, bemerkt Petru Iliesu mit Bitterkeit.
Auch wenn es das Leben mit diesen Menschen nicht immer gut meinte, bietet die Stiftung Hoffnung für sie. „Die von der Stiftung angebotenen Dienstleistungen sind auf die Bedürfnisse von Menschen in Krisensituationen zugeschnitten, insbesondere auf Obdachlose, aber auch auf die Unterstützung armer Familien außerhalb des Unterkunftszentrums.“ Die angebotenen Dienstleistungen umfassen Unterbringung, Beratung und emotionale Unterstützung, die darauf abzielen, eine Integration in die Gesellschaft zu erreichen. Zu den bereitgestellten Leistungen zählen Nahrungsmittel (drei Mahlzeiten pro Tag), die Bereitstellung sanitärer Einrichtungen, die Überweisung an Kliniken und Krankenhäuser in Notfällen. Auch wird Hilfe bei der Beschaffung von verlorenen persönlichen Gegenständen geleistet oder bei der Beantragung von Kranken-, Invaliden- oder Altersrenten. Für bedürftige Familien werden materielle Hilfen in Form von Kleidung, Lebensmitteln und Haushaltsgegenständen geboten. Für Obdachlose ist es möglich, ihre persönlichen Papiere hier aufzubewahren, um zu verhindern, dass diese gestohlen oder beschädigt werden. Ebenso wird dafür gesorgt, dass nach dem Erhalt einer Sozialwohnung diese auch eingerichtet wird.
Die Stiftung ist ein Zufluchtsort für Menschen, die von der Gesellschaft im Stich gelassen wurden und vom System benachteiligt werden. Es sind Menschen mit vergessenen Leben und Identitäten. Sie bekommen von der „Fundația - Timișoara ‘89“ praktisch eine neue Chance.
Dan Denov–Petrea, Filip Darius, Ilies Diana (11. SW-Klasse, Nikolaus-Lenau-Schule Temeswar)
Der Artikel, den wir auf der heutigen Jugendseite drucken, entstand im Rahmen des Projekts „Schüler schreiben“ an der Deutschen Spezialabteilung (DSA) des Nikolaus-Lenau-Lyzeums in Temeswar/Timișoara. Das Projekt wurde von Katharina Graupe, Deutschlehrerin an der DSA, koordiniert, die auch für die Korrektur der Schülertexte zuständig war. Die Schüler, die die Artikel verfasst haben, stammen aus der elften Klasse. Für die Fotoauswahl und die redaktionelle Bearbeitung dieses Textes war ADZ-Redakteurin Raluca Nelepcu zuständig.