Bohnebohnen mit Tittenfisch

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Vor ein paar Jahren begleitete ich eine Delegation nach Hermannstadt, die in einem bekannten Vier- oder Fünf- sternehotel einquartiert war. Natürlich gab man sich dort den Anschein, alles sei edel und vom Feinsten: das Zimmer, der Service, das Essen. Mit Erfolg – bis ich zufällig mangels anderweitiger Lektüre das auf dem Zimmer ausliegende Menü des hauseigenen Balkan-Bistros studierte... Mein Abend war gerettet! Nein, nicht wegen der dort angebotenen Köstlichkeiten – oder irgendwie doch? Denn da gab es wundersame Dinge: „Bohnebohnen“, „Meerestieraufsteckspindeln“ und eine Speise namens „Ankara werfen“. Ein Gericht hieß gar „Mit der Soße werfen“! Wer wohl den Mut hat, das zu bestellen? Ob der Zimmerkellner es einem gleich ins Gesicht klatscht, wenn man die Tür öffnet? Poetisch hingegen las sich die Speise „Reis füllte die Rebeblätter an“. Beim „Gebratenen Paprika-Schotten“ bekam ich es dann mit der Angst zu tun! Wie gut, dass ich Vegetarier bin. Obwohl das berühmte österreichische Zigeunerschnitzel ja auch nur aus Schweinefleisch besteht...

Amüsiert las ich weiter: „Gebratene Miesmuscheln dienten mit Erdnusscreme“. Ja, wo dienten sie denn? Bei der Armee oder bei der Luftwaffe? Die englische Version, „Fried mussels served with peanuts creme“, verrät, wo sich der Fehlerteufel eingeschlichen hat: „to serve“ heißt sowohl „dienen“ als auch „servieren“... So erklärt sich auch, was sich hinter dem Gericht „Fleischkugeln kochten mit Kreuzkümmel, gedient mit Bulgursalat“ verbirgt. Dann aber schlägt wieder eine Denkaufgabe zu, dass es in den Gehirnwindungen nur so rappelt: „Leiste mit Raki Soße und gebratenen Kartoffeln hocken“. Wo die Kartoffeln wohl hocken mögen? Auf der Leiste? In der Soße? Dort halten sie sich vermutlich vor Lachen den Bauch, oder sie besaufen sich vor Frust mit dem Raki. Die rumänische Version, „Fileuri de biban cu sos raki şi cartofi copti“ verrät uns schließlich, dass die Kartoffeln brav im Ofen hocken. Der Fisch, den sie begleiten, auf Englisch „perch pike“, wurde wohl so direkt ins Online Wörterbuch reingedrückt. Dort spuckt der Automat prompt für „perch“ neben vielen anderen Varianten die Übersetzungsvorschläge „Hühnerstange“ oder „hocken“ aus. Bei so einer Speisekarte hat man wenigstens Unterhaltung, bis das Essen kommt. Außerdem entlasten phantasievolle Gerichte den Koch vor jeder Verantwortung: Der Gast weiß ja nicht, was er sich darunter vorzustellen hat, kann sich also auch nicht beschweren...

Es ist jedoch keinesfalls eine Unart rumänischer Restaurants, beim Übersetzen des Menüs den Dolmetscher einzusparen. In Andalusien bestellte mein Vater einst erwartungsvoll einen „Tittenfisch“. Was dann auf den Teller kam, war enttäuschend: statt Brüsten hatte das Vieh bloß acht Beine mit Saugnäpfen. Auch die „Advokaten in Cocktailsoße“ entpuppten sich nicht als Kannibalenmenü aus in Hahnenschwanzsuppe (cock-tail) gesottenen Rechtsgelehrten, sondern als harmloser vegetarischer Avocadosalat, und der „Schnellfisch“ war gar nicht mehr schnell, der Kamerad lag ziemlich tot auf dem Teller.

Das Beste aber passierte wiederum in Bukarest: als ich nämlich einem Gast aus Deutschland mit verhaltenem Schmunzeln klarmachen musste, dass das von ihm auf der Karte ausgewählte Gericht – „fudulii“ – keinesfalls seinen Erwartungen von lecker Fleischklopsen entsprechen würde. Nur zögernd begriff er, dass die als „meatballs“ übersetzte Speise eine ganz andere Art von Fleischbällchen bezeichnet...