Das unsinkbare Rumänien

Oder wie die Bürger den Staat retten sollen

Mit einer neuen Staatsanleihe von 4,7 Milliarden Lei versucht sich Rumänien weiterhin über  Wasser zu halten. Kurze Laufzeit, zwei bis drei Jahre, und voraussichtlich hohe Zinsen (über sieben Prozent) sollen helfen, das Geld aus den Sparbüchsen und Matratzen in die leeren Staatskassen zu befördern. Dieses Mal werden nicht mehr der Internationale Währungsfonds oder die Europäische Union bemüht. Das Geld soll auf dem Binnenmarkt eingesammelt werden.

Einerseits klingt es logisch, dass die eigenen Bürger zur Rettung des Staates beitragen sollen. Andererseits tun sie es bereits jedes Mal, wenn sie einkaufen oder Steuer zahlen. Dazu wäre noch zu klären, woher das Geld kommen soll. Das Deutsche Reich konnte die Bürger zum freiwilligen Kauf von Kriegsanleihen für die Finanzierung des Ersten Weltkriegs bewegen, weil sein Zweck klar definiert war. Die UdSSR zwang ihre „Untertanen“ dazu, den maroden Staat zu unterstützen. Wie kann aber ein auf den Prinzipien der Demokratie und der freien Marktwirtschaft basierendes Land sein Volk oder die Unternehmen zur Kasse bitten? Der Lockvogel lautet: hohe Zinsen.

Da wird doch jeder, ob Lehrer, Arzt oder Rentner, sofort seinen Broker anrufen und ihm befehlen, das Ersparte in die Staatsobligationen zu investieren. Sonst könnte es ja wie im Sommer 2010 kommen, als der Staat sich einfach, auf dem dafür geschaffenen legalen Weg, bedient hat. Also, gibt man lieber freiwillig ab. Denn es besteht die Wahrscheinlichkeit, dass Rumänien in den kommenden zwei oder drei Jahren nicht bankrott geht.
In den vergangenen fünf Jahren hat sich die Außenverschuldung Rumäniens verdreifacht. Hingegen befindet sich das Bruttoinlandsprodukt im freien Fall. Auch die Staatseinnahmen sinken seit bereits drei Jahren. Irgendwie muss man das Defizit ausgleichen.

Grundsätzlich gibt es an internen oder externen Staatsanleihen nichts auszusetzen: Seit dem 14. Jahrhundert borgen die Staaten Geld. Problematisch werden solche Anleihen nur, wenn man sie nicht zurückzahlen kann. Natürlich für den Käufer dieser Papiere und nicht deren Emittenten. Und im Unterschied zum Deutschen Reich kann man in Rumänien über den Zweck der Anleihen nie so sicher sein. Auch ihre Laufzeit scheint gut gewählt: Die nächste Regierung soll sich um Zinsenauszahlung und Schuldenbegleichung kümmern. Wenn die Anleihe nicht ausreichend sein sollte, obwohl alle guten Bürger ihr Erspartes doch abgeben werden, kann man immer noch zu anderen Mitteln greifen. Präsident Băsescu erinnerte in einem Interview daran, dass es in seinem Land noch zu viele Staatsangestellte gibt: ganze 200.000 zu viel. Diese kann man aus Spargründen entlassen und den „Überlebenden“ die Gehälter kürzen. Dadurch kann sich Rumänien noch eine Weile über Wasser halten.

Sollten auch diese Maßnahmen nicht so funktionieren, wie man es sich vorstellt, bietet ein böser Witz eine weitere Lösung: Von den Lehrern, die trotz der hundertprozentigen Kürzung der Gehälter weiterhin ihren Job erledigen, könnte man noch Eintritt für das Betreten der  Schule verlangen. Der Fantasie sind bekanntlich keine Grenzen gesetzt. Übrigens fanden die bisherigen Staatsanleihen keinen rasenden Absatz: im August zum Beispiel sammelte der Staat nur 2,59 von den geplanten 4 Milliarden Lei auf dem Binnenmarkt ein. Daran sind bestimmt nur Kredit-Ratingagenturen schuld, die Investitionen in Rumänien als „spekulativ“ beziehungsweise „durchschnittlich gut“ bewerten.