„Das Wichtigste ist, immer dort zu sein, wo Gott uns haben will“

Gespräch mit Schwester Marie-Gudrun Glückert, Marienschwester von Schönstatt in Temeswar

Schwester Gudrun beginnt und beendet ihre Tage in der kleinen Hauskapelle, die sie als großes Geschenk und als geistigen Mittelpunkt ihrer Temeswarer Niederlassung erlebt.
Foto: Bischöfliches Ordinariat

Die Marienschwestern von Schönstatt sind inzwischen kein Novum mehr im Temeswarer Stadtbild. Dies, weil einige Mitglieder dieser Gemeinschaft apostolischen Lebens aus unserer Stadt stammen und öfter ihre Heimat besucht haben, aber auch, weil die Schwestern schon seit mehreren Jahren in verschiedenen Bereichen in Temeswar tätig sind. Anfang 2019 wurde eine ständige Niederlassung (Str. Corbului Nr. 2) mit nun fünf Mitgliedern eröffnet. Ein Mitglied dieser Gemeinschaft ist seit Sommer 2019 Schwester Marie-Gudrun Glückert, eine 76-jährige gebürtige Bayerin. Ein Gespräch über ihr Leben und Wirken führten Enikö Sipos und Claudiu Călin vom Pressebüro der römisch-katholischen Diözese Temeswar.

Wie kamen Sie zur Schönstattbewegung und was hat Sie bewogen, Schönstätter Marienschwester zu werden?

Ich wuchs in Üchtelhausen nahe Schweinfurt mit zwei Brüdern und einer Schwester in einer katholischen Familie auf. Unser Ort war zu dieser Zeit noch von einer gut katholischen Tradition geprägt. Ein Priester aus der Schönstattbewegung machte uns mit dieser Bewegung bekannt. Weil mich die Spiritualität und Ziele innerlich angesprochen haben, schloss ich mich einer Gruppe an.

Von 1966 bis 1968 besuchte ich das Seminar für Sozialpädagogik der Schönstätter Marienschwestern auf der Liebfrauenhöhe bei Rottenburg am Neckar. Zum anschließenden Anerkennungsjahr war ich in Bamberg in einem Übergangsheim für Kinder von deutschen Spätaussiedlern aus Polen, Ungarn, dem ehemaligen Jugoslawien und Russland. Die Kinder und Jugendlichen sollten vor allem die deutsche Sprache lernen und mit der westlichen Kultur vertraut werden. Dieses Jahr wurde für mich eine wertvolle Erfahrung und vermittelte mir einen Eindruck von der kommunistischen Erziehungsweise und Prägung. Ich erlebte, was es bedeutet, einen neuen Anfang in einem fremden Land zu machen, die Sprache nicht zu verstehen und Heimweh zu haben. 

Mit etwa 14 oder 15 Jahren beschäftigte mich die Frage, in welche Richtung mein Lebensweg gehen soll – abgesehen von der beruflichen Tätigkeit. Da erhielt ich eines Tages eine Spruchkarte, deren Text für mich ein roter Faden für die Zukunft wurde. Er lautet: „Das Wichtigste ist, immer dort zu sein, wo Gott uns haben will“ (Bernanos).

Die Suche nach dem Wichtigsten, wo Gott mich haben will, hat begonnen. Damit ich diesen Weg finde, wandte ich mich bei diesen „Suchbewegungen“ immer wieder an die Gottesmutter Maria und vertraute auf die Aussage, dass sie noch nie jemand, der sie um Hilfe bat, im Stich gelassen hat. Die Frage nach der Berufung, das ganze Leben in den Dienst Gottes zu stellen, ihm allein zu gehören, beschäftigte mich immer wieder. Mir kam auch öfter die Szene aus der Verkündigungsstunde in den Sinn, als der Engel Maria die Botschaft Gottes mitteilte. Was wäre aus unserer Welt geworden, wenn sie „Nein“ gesagt hätte? Im Kontext dieser Überlegungen durfte ich eine kleine Verkündigungsstunde erleben. Ich kam mit einem mir bis dahin unbekannten Priester, der in unserem Dorf Urlaubsvertretung machte, ins Gespräch über das, was mich innerlich im Blick auf eine religiöse Berufung beschäftigte. Der Priester gehörte der Gemeinschaft der Salvatorianer an. Er war überzeugt, dass ich eine Berufung zu einem jungfräulichen Leben als Schwester hätte. Ich solle mit der Entscheidung nicht zu lange warten. 

Ich entschied mich, zuerst die Ausbildung als Erzieherin und das Anerkennungsjahr zu machen, und dann erst einzutreten. Im Nachhinein habe ich diesen Entschluss doch ein wenig bereut, denn ich hätte, wenn ich vor der Ausbildung eingetreten wäre, dem Gründer Schönstatts, Pater Josef Kentenich, persönlich begegnen können. „Warten Sie nicht zu lange!“ Dieses Wort des Priesters klang mir nach dem Tod des Gründers Schönstatts 1968 noch lange in den Ohren.

Was waren Ihre Aufträge in der marianisch-apostolischen Bewegung bis Sie nach Temeswar kamen?

Im September 1969 bin ich in die Gemeinschaft der Schönstätter Marienschwestern eingetreten. Nach der Zeit des Noviziats begann der Einsatz in verschiedenen Aufgabengebieten: Erzieherin in Kindergarten, Heimleiterin, Arbeit in der Schönstatt-Familienbewegung, Mitwirkung in Provinzleitung, Oberin.

Im Herbst 2003 brachte der „Engel des Herrn“ eine neue Botschaft, die einen gravierenden Einschnitt in mein Schwesternleben brachte: Meine Vorgesetzten baten mich, das Amt als Provinzoberin für Bayern und die Donauländer Österreich und Rumänien zu übernehmen. Zwölf Jahre durfte ich erfahren, dass die Hilfe der Gottesmutter und unseres Gründers eine tragende Kraft ist und dass das Wohlwollen und Mitgehen der Schwestern die Bürde des Amtes erleichtern kann.

Da Rumänien zu unserem Provinzterritorium gehörte, war es wichtig, dass ich, wie auch schon meine Vorgängerin im Amt, diesen Teil der Provinz kennenlernte. Inzwischen gehörten sieben junge Schwestern aus Rumänien zu unserer Gemeinschaft. 2006 besuchte ich mit zwei Mitschwestern zum ersten Mal das Land, das ich bis dahin nur vom Schulunterricht her kannte.

Anliegen dieser Reise: Kontakte mit Bischöfen aufnehmen, bisherige vertiefen und die Heimat und Familien unserer Mitschwestern aus Rumänien kennenlernen. So kam es zur Begegnung mit Bischof Tempfli, Bischof Roos, Bischof Schönberger und Bischof Böcskei. Wir durften viel Wohlwollen unserer Gemeinschaft und Schönstatt gegenüber erfahren. Die Deutschkenntnisse der Bischöfe erleichterten die Gespräche. Man spürte, dass sie sich freuen würden, wenn wir eine Niederlassung unserer Gemeinschaft in den Blick nähmen.

Nachdem meine Zeit als Provinzoberin im Dezember 2015 endete, übernahm ich nach einer „Auszeit“ im Herbst 2016 bis Oktober 2019 im Schönstattzentrum Waldstetten (Nordbaden in Baden- Württemberg) die Haus- und Wallfahrtsleitung.

Was bewog Sie dazu, nach Temeswar zu kommen?

Seit meiner Ablösung als Provinzoberin habe ich jeden Tag für Rumänien gebetet, damit sich im Blick auf die Gründung einer Niederlassung bald eine Lösung ergibt. Die Zukunft Rumäniens hat mich also von innen her bewegt und ich habe das Anliegen so „als Kind meines Herzens“ mitgetragen.

Deshalb war meine Freude groß, als im Frühjahr 2019 die erste Niederlassung mit drei Schwestern in Temeswar gegründet wurde.

Im Frühsommer des gleichen Jahres brachte „der Engel des Herrn“ eine neue „Botschaft“ für mich. Es war die Anfrage, ob ich zur Mithilfe und Unterstützung der Schwestern in Temeswar nach Rumänien gehen könnte. Obwohl es für mich keine Frage war, zum Willen Gottes ja zu sagen, gab es doch eine Zeit des Abwägens, des Für und Wider, vor allem auch im Blick auf mein schon fortgeschrittenes Alter. Ausschlaggebend, dass ich mich für Rumänien entschieden habe, war die Tatsache, dass ich schon eine Beziehung zu diesem Land hatte und dass ich die Schwestern hier kenne. Auch die Tatsache, dass sich diese Schwestern über mein Kommen freuen würden, hat mich motiviert und den neuen Schritt leichter gemacht.

Welche Erfahrungen konnten Sie nun in Temeswar machen?

Eine sehr positive Erfahrung war zu Beginn meines Hierseins das Erlebnis der Hauseinweihung. Dass der Diözesanbischof, Bischof Josef Pál und viele Priester daran teilgenommen haben, hat den Eindruck vermittelt, dass dieses Haus eine Bedeutung haben wird. Die liturgische Feier, die von Mitgliedern aus der Bewegung mitgestaltet wurde und die Mehrsprachigkeit schufen die Atmosphäre einer Völkerfamilie, die sich um einen Mittelpunkt schart. Die deutschen Worte wirkten heimatlich und ließen das Gefühl, Ausländerin zu sein, gar nicht aufkommen. Ich staunte auch immer wieder, wie viele Leute Deutsch sprechen oder wenigstens verstehen.

Durch die Begegnung bei der Einweihung des Hauses war auch Gelegenheit, mich mit deutschstämmigen Personen (Nachkommen der „Donauschwaben“) bekannt zu machen. Sie freuten sich besonders, dass nun auch eine deutsche Schwester hier ist. Durch eine Volontärin aus Deutschland, die in einem Hospiz in Temeswar arbeitete, fand ich Kontakt zu Bewohnern im „Adam-Müller-Guttenbrunn-Haus“.

Leider konnten Besuchskontakte meinerseits durch die Corona-Pandemie nicht weiter gepflegt werden – außer über Telefon. In der Weihnachtsfeier, die mit deutschen Liedern und Auftritten gestaltet war, staunte ich, wieviel deutsches Kulturgut lebendig ist. In der „Deutschen Zeitung“ konnte ich auch lesen, wie alte Bräuche gepflegt und erhalten werden.

Wohltuend ist für mich die Tatsache, dass in den Pfarreien auch Gottesdienste in deutscher Sprache gefeiert werden oder ein Gottesdienst mehrsprachig gestaltet wird. Es beeindruckt immer wieder neu die tiefe Religiosität der Menschen, sowohl der katholischen, der orthodoxen sowie der reformierten Christen.

Inzwischen konnte ich bei verschiedenen Gelegenheiten mit meinen Mitschwestern die Stadt Temeswar ein wenig näher kennenlernen. Dass Temeswar auch „Klein-Wien“ genannt wird, kann ich zu meiner Freude an vielen Bauwerken, Parkanlagen und Denkmälern bestätigen. Ich kann auch beobachten, dass seit meinem ersten Besuch hier 2006 die Renovierungsmaßnahmen enorm fortgeschritten sind. Es wirkt manches viel gepflegter. Temeswar wird schöner!

Dass wir als kleine Gemeinschaft hier in der Str. Corbului Nr. 2 miteinander wohnen können, war für mich von Anfang an ein „Beheimatungsfaktor“. Es sind die gleiche Gemeinschaft, die ich seit meiner Zugehörigkeit als Schönstätter Marienschwester kenne, die gleiche Spiritualität, die gleichen marianisch geprägten Lebensformen, die gleichen apostolischen Ziele usw. Es ist meine Gemeinschaft, meine geistige Familie. Diese Familie zeigt sich auch im alltäglichen Miteinander, im familienhaften Verbundensein. Es zeigt sich im gemeinsamen Gebet, im miteinander Tun, wenn es um apostolische oder soziale Projekte geht, aber auch in der Pflege des frohen Miteinanders und der Entspannung, z. B. bei einer Fahrt in die landschaftlich so schönen Vorkarpaten.

Was sind ihre Aufgaben in der Temeswarer Niederlassung der Marienschwestern von Schönstatt?

Meine Aufgabe hier ist es, schwerpunktmäßig für das leibliche Wohl der Schwestern oder der Gäste mit zu sorgen. In diese mehr „innerhäusliche Aufgabe“ musste ich mich langsam einarbeiten, aber es macht mir Freude, für andere da sein zu können, vor allem entsprechend zu kochen, backen, etc. Ein abwechslungsreicher Küchenzettel ist eine Herausforderung! Dabei ist auch die einheimische, regionale Küche zu berücksichtigen, ein Lernprozess, bei dem mir meine Mitschwestern gerne behilflich sind.

Als großes Geschenk dürfen wir unsere kleine Hauskapelle erleben. Sie ist der geistige Mittelpunkt unseres Hauses, eine Oase. Hier beginnen und beenden wir unseren Tag. Hier bringen wir unsere Gebetsanliegen und die Sorgen vieler Menschen vor den Herrn und seine heilige Mutter. Hier kommen wir zu innerer Ruhe und Geborgenheit.

In der Covidzeit begann ich, mich mit der rumänischen Sprache zu beschäftigen. Dafür stellte sich eine alleinstehende pensionierte Frau zur Verfügung. Der Unterricht erfolgte über Telefon. Dass das Erlernen einer Fremdsprache im fortgeschrittenen Alter nicht leicht ist, merke ich immer wieder. Ich bewundere die Geduld meiner „Lehrerin“. Es weckt aber auch das Verständnis für Mitschwestern oder andere Menschen, die die deutsche Sprache erlernen mussten.

Als Fazit meiner Erfahrungen darf ich sagen, dass mir der Aufenthalt in Rumänien eine gewisse Weite meines Lebenshorizontes geschenkt hat und dass das Älterwerden Chancen für neue Perspektiven, neue Lebensfreude und noch einen gewissen Hauch an jugendlicher Beschwingtheit haben kann.

Es ist auch schön, noch eine Aufgabe erfüllen zu können, die dazu beiträgt, dass innerlich und äußerlich etwas wachsen kann. Ich bin dankbar, dass ich mit meinen Kräften helfen kann, dass die Schönstattbewegung in Rumänien zum Segen und fruchtbar für die Diözese Temeswar und für das ganze Land wird.

Das Pressebüro bedankt sich herzlichst für das Gespräch!