Der Beruf als Berufung und Pflicht

Zum 70. Geburtstag von Historiker Ioan-Aurel Pop

Prof. Dr. Rudolf Gräf, der ehemalige Bundespräsident Joachim Gauck, Rektor Prof. Dr. med. Wolfgang Schareck und Prof. Dr. Ioan-Aurel Pop 2019 anlässlich des 600-jährigen Jubiläums der Uni Rostock. Internationalisierung war ein Hauptanliegen in Pops Mandat als BBU-Rektor. Foto: privat

 

Ioan-Aurel Pop, der Präsident der Rumänischen Akademie, feierte am 1. Januar 2025 seinen 70. Geburtstag. Eine viel bekannte und geschätzte, teilweise auch umstrittene Persönlichkeit ist auf dem Höhepunkt ihrer wissenschaftlichen und sozialen Laufbahn angelangt. Dennoch scheint Ioan-Aurel Pop auch vor anderen Herausforderungen nicht zurückzuscheuen.

Ioan-Aurel Pop ist einer der bekanntesten rumänischen Hisoriker unserer Zeit. Geboren in Sântioana, Kreis Cluj, einer Ortschaft unweit des Nicula-Klosters (früher griechisch-katholisch, heute orthodox), verbringt Pop seine Kindheit in Kronstadt/ Bra{ov, wo er die siebenbürgisch-sächische Gemeinde kennenlernt und sich auch mit der deutschen Sprache anfreundet. Mit einem glänzenden Abschluss des Andrei-[aguna-Lyzeums in Kronstadt – er bekommt ein Verdienstdiplom und ist Lyzeumsbester – studiert er Geschichte und Philosophie an der Babe{-Bolyai-Universität Klausenburg. Auch das Studium beendet er als Jahrgangsbester.

Bereits als Student werden seine Professoren auf ihn aufmerksam. So Prof. Sigismund Jako, einer der bedeutendsten Lateiner Siebenbürgens, dessen Lieblingsstudent er wird. Prof. Jako behauptet des Öfteren, Pop sei sein bester Student gewesen.

1989 verteidigt Pop seine Dissertation mit dem Thema „Die Knesenversammlungen in Siebenbürgen im 14.-16. Jh./ Adun˛rile cneziale din Transilvania în secolele XIV-XVI“. Doch bereits während des Studiums stellt der Historiker seine wissenschaftlichen Fähigkeiten und seine weniger bekannten oder weniger bekannt gemachten literarischen Talente unter Beweis: Er veröffentlicht in den Klausenburger Kulturzeitschriften „Echi-nox“, „Napoca Universitar˛“ sowie in den historischen Fachzeitschriften „Anuarul Institutului de Istorie {i Arheologie“ und „Studia Universitatis ´Babe{-Bolyai´. Historia“. In den erwähnten Publikationen veröffentlicht Ioan-Aurel Pop Rezensionen, Artikeln und Studien, die schon damals die Aufmerksamkeit seiner Professoren auf ihn lenken.

Schon damals zeigt sich bei Pop eine besondere Charaktereigenschaft: seine enorme Hilfsbereitschaft, die von seinen Kollegen bis heute immer wieder hervorgehoben wird, wenn es darum geht, ihn als Mensch zu beschreiben. Es ist übrigens in der akademischen Welt von Klausenburg etwas absolut Bekanntes, dass, wenn jemand Ioan-Aurel Pop um Hilfe bittet, dieser nicht „Nein“ sagen kann…

Nach dem Hochschulabschluss wird Pop nach damaliger Regel Geschichtslehrer am Klausenburger Industrielyzeum Nr. 6. Er veröffentlicht aber fleißig während seiner Zeit als Lehrer und besetzt durch Wettbewerb im Jahr 1984 eine Assistentenstelle am Lehrstuhl für mittelalterliche Geschichte und Historiografie der Geschichtsfakultät der Klausenburger Universität. Pop spezialisiert sich auf rumänische mittelalterliche Geschichte, ein Bereich, in dem er über vielfältige historische, sprachliche und allgemein kulturelle Kenntnisse verfügen muss.

Latein, Alt-Slawisch und die modernen europäischen Sprachen sind ihm geläufig (neben Französisch und Englisch beherrscht Pop das Italienische, aber auch in Deutsch und Ungarisch ist er relativ gut zu Hause), was ihm den Zugang zu den Quellen der Geschichte Siebenbürgens, aber auch den Umgang mit der Fachliteratur und den Vertretern der historischen Wissenschaft möglich macht.

Der Umsturz von 1989 eröffnet Pop die Möglichkeit einer hervorragenden wissenschaftlichen, aber auch administrativen Karriere: seit 1990 Lektor, seit 1992 Dozent (rum.: conferen]iar), seit 1996 Universitätsprofessor für rumänische mittelalterliche Geschichte mit Schwerpunkt „Geschichte Siebenbürgens” und von nun an mit zahlreichen Auslandsaufenthalten: Fulbright-Stipendiat und Visiting Professor an der Universität Pittsburgh (1996), Associate Professor an der Universität Ca’ Foscari Venedig (1991-1992 und 2007-2003) sowie Visiting Professor an der Universität Turin, Visiting Professor am Institut Nationale des Langues et Civilisation Orientales in Paris (1998). 2001 wird Pop zum korrespondierenden Mitglied der Rumänischen Akademie gewählt, dessen ordentliches Mitglied er 2010 wird.

Sein wissenschaftliches Prestige führt dazu, dass er Mitglied zahlreicher europäischer Akademien oder anderer wissenschaftlicher Foren wird (Akademie für Wissenschaft, Literatur und Kunst Paris, Gorizia, Venedig, Mantova, u.v.a.). 1994-1995 ist er Direktor des Rumänischen Kulturzen-trums in New York, von 2003 bis 2007 Direktor des Rumänischen Kulturinstituts Venedig.

2012 wird er zum Rektor der Babe{-Bolyai-Universität in Klausenburg gewählt, ein Amt, das er zwei Mandate lang innehat. Als Rektor der größten Universität Rumäniens fördert er das Studium auf Deutsch und Ungarisch, indem er die beiden Studienrichtungen der Uni massiv unterstützt. Es ist eine der besten Zeiten der Universität, eine Zeit, in der eine gewissen Ruhe sowie eine lehr- und wissenschaftsfördernde Atmosphäre durch die Persönlichkeit von Ioan-Aurel Pop gepflegt wird.

Als Rektor setzt Pop die Ideen um, die er an den amerikanischen und westeuropäischen Universitäten kennengelernt hat: ein direkterer und weniger formeller Kontakt zu den Studierenden, eine größere Partizipation der Lehrkräfte an den Entscheidungen der Universität, aber auch solche, die seiner humanistischen und aufklärerischen Kultur entstammen, sowie aus der nationalen rumänischen Kulturlandschaft geschöpft sind.

Pop ist übrigens auch als Historiker den traditionllen historischen Schulen Frankreichs und Deutschland verpflichtet, man könnte fast meinen, dass er seine Rolle als Historiker eher als Diener seines Staates mit den Mitteln der Wissenschaft versteht.

Beginnend mit dem Jahr 1993 ist Ioan-Aurel Pop Direktor des Zentrums für Siebenbürgische Studien (Centrul de Studii Transilvane), ein Institut, das 1942 während des Krieges gegründet wurde und nach dem Krieg von den Kommunisten verboten war, um in den 1990er Jahren neugegründet zu werden. Das Zentrum hat sich unter der Leitung von Pop als ein bedeutendes Forschungszentrum Siebenbürgens etabliert, unter anderem auch durch die dreibändige Synthese zur Geschichte Siebenbürgens, an der Historiker aller Ethnien Siebenbürgens mitgewirkt haben, mit Pop als Herausgeber, Thomas Nägler, András Magyari, Nicolae Boc{an, Ladislau Gyemant u.v.a. Mit seinen mehr als 70 verfassten oder herausgegebenen Büchern ist Ioan-Aurel Pop einer der ausgewiesensten Historiker des rumänischen Mittelalters – Themen wie Nationsbildung, historische Demografie, Kirchengeschichte, Kommunismusgeschichte, Geschichte der Minderheiten, Kulturgeschichte und Geschichte der Eliten wurden darin behandelt.  

Seit 1993 ist er auch Direktor der Zeitschrift „Transylvanian Review”, lange Jahre die einzige rumänische ISI-Publikation. Das Amt des Präsidenten der Rumänischen Akademie bekleidet er seit 2018.

Sein Hautptforschungsthema ist die mittelalterliche Geschichte Siebenbürgens und Rumäniens. Beginnend mit seinen ersten Beiträgen, wie „Institu]ii medievale române{ti. Adun˛rile cneziale si nobiliare (boiere{ti) din Transilvania în secolele XIV-XVI”, 1991 im Dacia-Verlag Klausenburg erschienen, bis hin zu „Românii și maghiarii în secolele IX-XIV. Geneza statului medieval în Transilvania”, 1996 im Verlag des Zentrums für Siebenbürgische Studien veröffentlicht, oder „Contribuții la istoria culturii române{ti (cronicile bra{ovene din secolele XVII-XVIII)”, 2003 im Dacia-Verlag Klausenburg erschienen, bis zu den großangelegten Synthesen („Na]iunea român˛ medieval˛. Solidarit˛]i etnice române{ti în secolele XIII-XVI”, Bukarest, Editura Enciclopedic˛, 1998,  „Românii și România. O scurt˛ istorie”, Bukarest, Editura Funda]iei Culturale Române, 1998/auch auf Deutsch erschienen) oder sogar polemische Schriften, „Istoria, adevărul și miturile”, 2. Auflage, Editura Enciclopedic˛, 2014, oder „Istoria Transilvaniei Bd. 1-3” beschäftigt sich Ioan-Aurel Pop hauptsächlich mit der Geschichte der Rumänen in Siebenbürgen und unterstreicht deren Rolle sowohl in der Zeit vor der ungarischen Landnahme, wie auch nach der Integration Siebenbürgens in das ungarische Königreich. Dabei behandelt er, zum Unterschied zu vielen anderen Historikern, diese Epochen anhand der schriftlichen Quellen, die er bestens kennt und verwertet. Das wissenschaftliche Werk von Pop ist äußerst vielfältig, von der siebenbürgischen Geschichte zu den Synthesen rumänischer Geschichte, von Kirchengeschichte zu Herausgabe von Quellen, Militärgeschichte, Nationalgeschichte, Kulturgeschichte usw.

Bemerkenswert ist seine polemische Antwort auf das Buch von Lucian Boia, „Istorie și mit în conștiința româneasc˛”, 1996, „Istoria, adevărul și miturile (Note de lectură)”, Bukarest, Editura Enciclopedic˛, 2002, in dem er zu einer wissenschaftlichen Nutzung der Quellen aufruft und eine nicht einseitige Deutung dieser Quellen vorschlägt. Die wissenschaftliche Auseinandersetzung zwischen den beiden Historikern hat Bewegung in die Gilde der Historiker in Rumänien gebracht.

Seine besten Schüler hat Ioan-Aurel Pop unterstützt und im Lehrstuhl wie auch in den Forschungsinstituten untergebracht. Unter ihnen ist Adinel Dinc˛ einer der besten, der mit Unterstützung seines Professors eine Arbeitsgruppe zur Erforschung mittelalterlicher Dokumente an der Babe{-Bolyai-Universität gegründet hat – es ist das Zentrum Trans.Script für Diplomatik und mittelalterliche Paleographie.

Ioan-Aurel Pop erweist sich als ein komplexer, vielfältig ausgebildeter Historiker, der die Ausübung seines Berufes als Berufung und als Pflicht empfindet – bei seiner Einführung als Rektor der UBB hat er die Broschüre von Vasile Pârvan, „Datoria vie]ii noastre”(Die Pflicht unseres Lebens) wieder drucken lassen. Es ist das Werk eines Mannes, der aus einem Landesteil kommt, der während seiner Geschichte vielumworben und viel umkämpft war, in dem die Spannungen zwischen den Völkerschaften der Provinz lange angedauert haben und noch immer andauern, Spannungen, die man aber nur aufgrund einer fairen und korrekten Kenntnis der Geschichte abbauen kann. Ioan-Aurel Pop kommt, wie die meisten rumänischen siebenbürgischen Historiker, aus der Tradition der Siebenbürgischen Schule ([coala Ardelean˛), für die die Nationalfrage ein entscheidendes Thema ist. Seine Standpunkte präsentiert er stets mit fundierten wissenschaftlichen Argumenten und einer bemerkenswerten schriftstellerischen Begabung.