Die von Übergangspräsident Ilie Bolojan angestoßenen Enthüllungen über die horrenden Flugkosten des ehemaligen Präsidenten Klaus Johannis werfen ein grelles Licht auf dessen Amtsführung. Zwar kursierten über Jahre hinweg Gerüchte über den Umfang seiner Ausgaben für Flugreisen, doch erst die nun veröffentlichten Zahlen verdeutlichen das tatsächliche Ausmaß: Über 113 Millionen Lei sollen zwischen 2015 und 2025 allein für Flüge aufgewendet worden sein – Übernachtungen und sonstige Ausgaben nicht mitgerechnet. Für ein Land mit Rumäniens Herausforderungen wirkt diese Summe nicht nur unverhältnismäßig, sondern geradezu obszön.
Besonders irritierend ist der Umstand, dass viele dieser Reisen offenbar eher touristischem als diplomatischem Zweck dienten. Der internationale Vergleich unterstreicht, wie sehr Johannis’ Ausgaben aus dem Rahmen fielen: Während Emmanuel Macron oder Frank-Walter Steinmeier zur Krönung von König Charles III. mit Linienflügen und kleinen Delegationen anreisten, gönnte sich der rumänische Präsident einen teuren Privatjet. Dass ausgerechnet das Staatsoberhaupt eines der wirtschaftlich schwächsten EU-Mitgliedstaaten in solcher Form protzt, zeugt nicht nur von mangelndem Fingerspitzengefühl, sondern auch von einer tiefen Entfremdung gegenüber dem eigenen Land.
Diese monarchieähnlichen Allüren in der Präsidialverwaltung, zusätzlich durch eine unterwürfige Etikette begünstigt, verschärfen den Skandal. Es soll dort üblich gewesen sein, Johannis mit „Exzellenz“ anzusprechen und beim Betreten des Raumes aufzustehen. Solche Gebaren erinnern weniger an die nüchterne, protestantische Tradition der Siebenbürger Sachsen als an byzantinische Rituale. Sie deuten auf einen autoritären Führungsstil hin – und widersprechen den Grundprinzipien eines demokratischen Staatsamts.
Doch gerade hier zeigt sich ein allgemeines Phänomen: Macht hat bekanntlich die Tendenz, selbst integre Persönlichkeiten zu korrumpieren. Wer über Jahre hinweg mit Ehrbezeugungen überhäuft wird und kaum noch Widerspruch erfährt, gewöhnt sich rasch an Privilegien, die anfangs noch fremd erschienen. Mit der Zeit werden sie nicht nur akzeptiert, sondern eingefordert. Die Frage bleibt: War Johannis diesen Versuchungen schlicht nicht gewachsen – oder suchte er sie bewusst? Wie konnte ein Mensch mit einem Hintergrund, der für Zurückhaltung und Bürgernähe steht, eine solche Distanz zur Gesellschaft entwickeln?
In der rumänischen Literatur gibt es für ein solches Verhalten ein bezeichnendes Wort: „Ciocoi“. Geprägt von Nicolae Filimon in seinem Roman„Ciocoii vechi {i noi“(1863), beschreibt es Emporkömmlinge, die durch Opportunismus und Arroganz aufsteigen, ihre Macht zur Schau stellen und ihren Untergebenen mit demonstrativer Distanz begegnen. Vieles, was Johannis während seiner Amtszeit praktizierte – vom Hang zu aufwendigen Reisen bis hin zur fehlenden Nähe zur Bevölkerung – erinnert auffallend an diese literarische Figur.
Diese Distanz zum Volk und das Ausbleiben politischer Impulse haben das Land in einer kritischen Phase zusätzlich belastet. Während Rumänien dringend strukturelle Reformen in Bildung, Gesundheit und Justiz benötigt hätte, unternahm der Präsident wenig bis nichts, um diese Themen voranzutreiben. Zwei Mal ritt Johannis auf einer Welle der Zustimmung: 2014, als Hoffnungsträger gewählt, und 2017, während der Konfrontation mit Liviu Dragnea. Doch bereits 2019, bei seiner Wiederwahl, war von der anfänglichen Begeisterung kaum noch etwas übrig. Wiedergewählt wurde er – faute de mieux, wie es auf Französisch heißt – mangels überzeugender Alternativen. Nicht einmal der Versuch, sich für die Anliegen der Bürger zu interessieren, war bei ihm erkennbar. Vielmehr schien ihm die Rolle eines über den Dingen stehenden Präsidenten zunehmend zu gefallen.
In der Folge verschlug es ihn in entlegenste Regionen der Welt – nach Japan, Tansania, Chile. Internationale Beziehungen sind gewiss wichtig, doch es mangelte auffällig oft an konkreten wirtschaftlichen oder kulturellen Initiativen: Keine Unternehmer, keine Kulturschaffenden begleiteten ihn, keine Partnerschaften wurden angestoßen. Stattdessen war fast immer seine Ehefrau dabei – ein Detail, das in der Öffentlichkeit nicht ohne Wirkung blieb, insbesondere angesichts der dürftigen diplomatischen Bilanz.
Besonders deutlich trat die institutionelle Schwäche des Staates Ende 2024 zutage, als die Präsidentschaftswahl zur Farce geriet und die Ergebnisse annulliert werden mussten. In diesem politischen Vakuum wuchs die Unsicherheit, die gezielt von russischer Propaganda ausgenutzt wurde. Der Verweis auf die chronische Kluft zwischen Volk und Elite – eine Kluft, die Johannis’ selbstbezogene Amtsführung noch vertieft hatte – fiel auf fruchtbaren Boden. Der Staat war weder in der Lage, faire und ordnungsgemäße Wahlen zu garantieren, noch konnte er seine Bürger vor Desinformation schützen. Beides sind Konsequenzen eines politisch lähmenden Präsidialstils – und Ausdruck eines dramatischen Glaubwürdigkeitsverlusts.
Dabei hat Johannis auch einen symbolischen Kredit verspielt, der ihm lange zugutekam: den Mythos des „Deutschen“ – Inbegriff von Sachlichkeit, Integrität und Pflichtbewusstsein. Durch sein abgehobenes Amtsverständnis, die demonstrative Distanz zum Land und den Hang zu persönlichen Privilegien hat er dieses Bild nachhaltig beschädigt. Viele Rumänen sehen in ihm heute keinen Vertreter einer anderen politischen Kultur mehr, sondern einen typischen Ausdruck jener Klasse, die er einst zu überwinden versprach. Damit ist auch der besondere Vertrauensvorschuss gegenüber der rumäniendeutschen Minderheit leider geschwunden.
Diese Enttäuschung über einen Präsidenten, der einst als Hoffnungsträger galt, hat den Aufstieg radikaler Kräfte beschleunigt. Figuren wie C˛lin Georgescu, George Simion oder Anamaria Gavril˛ profitieren seither vom berechtigten Unmut vieler Wählerinnen und Wähler. Wer sich von der etablierten Politik verraten fühlt, sucht Zuflucht bei jenen, die einfache Antworten liefern – auch wenn sie gefährliche Illusionen verkaufen. Johannis’ Amtszeit reiht sich damit in ein altbekanntes Muster rumänischer Politik ein: Eliten, die lieber dem eigenen Prestige dienten als dem Gemeinwohl. Der letzte Präsident war, in diesem Sinne, nur ein besonders teures Beispiel für eine Entwicklung, die das Land seit Jahrzehnten bremst. Korruption, Intransparenz, Arroganz gegenüber dem einfachen Bürger – all das wurde unter seiner Präsidentschaft nicht überwunden, sondern lediglich mit einem anderen Tonfall weitergeführt.
Übergangspräsident Ilie Bolojan hat nun erste Schritte unternommen, um Transparenz herzustellen und verlorengegangenes Vertrauen zurückzugewinnen. Doch bereits elf Kandidaten haben ihre Ambitionen für die anstehende Präsidentschaftswahl angemeldet – und in der Bevölkerung wächst die Sorge, dass sich hinter vielen bekannten Namen erneut ein „Ciocoi“ verbergen könnte. Ob Rumänien aus der Ära Johannis tatsächlich Lehren gezogen hat, bleibt offen. Die Regierungskoalition, sofern sie überhaupt noch als solche existiert, zeigt wenig Einsicht. Die PSD liebäugelt mit Victor Ponta und George Simion – in welcher Konstellation auch immer. Große Teile der PNL unterstützen Nicu{or Dan. Crin Antonescu, angeblich der „Retter in der Not“, spricht sich für die Erhöhung der Diäten für Parlamentarier aus – und verspielt damit zehntausende Stimmen. In den Umfragen liegt George Simion vorne. Wähler zu sein war in Rumänien nie leicht – und wird es auch diesmal nicht sein. PSD und PNL planen bereits für die Zeit nach den Wahlen, so manch einer gibt es zu: Nach den Wahlen wird sich einiges ändern. Was genau? Und wie? Wer weiß.
Johannis selbst hinterlässt vor allem einen faden Beigeschmack: Ein Präsident, dessen Herkunft für Fleiß, Bescheidenheit und bürgernahe Verantwortung stand, hat sich auf einen Führungsstil verlegt, der eher an ein fernes Herrscherbild erinnert als an moderne demokratische Standards. Rumänien hätte Besseres verdient – und braucht es dringender denn je.