Der Turm im Turm

Die Tuchmacherbastei in Kronstadt wurde für Besucher geöffnet

Kronstadt setzt auf Tourismus, und das nicht seit gestern. Um Urlaubern und Reisenden aus dem In- und Ausland möglichst viele Anziehungspunkte zu bieten, wurde seitens des Kreisrates ein ehrgeiziges Restaurierungsprogramm gestartet, welches nun, nach zehn Jahren, als abgeschlossen betrachtet werden kann. Vor Kurzem wurden nämlich die Arbeiten an der letzten Wehranlage der Inneren Stadt durchgeführt und nun ist auch die Tuchmacherbastei von innen begehbar, bis hinauf auf den höchsten Wehrgang. 

Erbaut wurde diese Bastei allerdings nicht von der Zunft, deren Namen sie heute trägt – den Tuchmachern – sondern von den Goldschmieden, welche sie großzügig anlegten. Erst 1640, im Zug der Stadtentwicklung, der Erweiterung und des Ausbaus der Wehranlagen wurde die Bastei der Tuchmacherzunft zur Pflege, Ausstattung und Verteidigung übertragen.

Der elliptische Grundriss hat den großen Durchmesser von 16 Metern und die Bastei erhebt sich auf drei Ebenen über dem Boden. Zählt man auch das unterste Geschoss hinzu, so sind es sogar vier. Dieses wurde wohl als Keller angelegt, doch mehrere Umbauten in diesem Bereich stellten die Architekten vor die Frage, wie man heute den Raum für Besucher zugänglich machen kann, ohne die ursprüngliche Anlage zu verbauen. Die gefundene und angewandte Lösung ist ein Metallbau, der auf dem Boden des einstigen Kellers aufliegt und sich bis zu dem obersten Wehrgang erhebt: ein Turm im Turm.

Auf dieser untersten Ebene der Bastei wurden während der Ausgrabungen auch die Spuren eines Brunnens entdeckt, von einer steinernen Krone umgeben und bis auf über zwei Meter Tiefe ausgemauert. Um auch diesen Fund zu verwerten, wurde der Schacht gesäubert, aber auch abgedichtet, um zukünftig das Einsickern von Grundwasser zu verhindern. 

Dem Besucher eröffnet sich nun, wenn er die stählerne Wendeltreppe des inneren Turmes besteigt, ein Ausblick auf die – auf Bodenebene – zwei Meter dicke Mauer der Bastei. Auf den zwei Ebenen des inneren Turmes werden ein kleines Café und ein Ausstellungsraum eingerichtet. Im Ausstellungsraum werden auf Großbildschirmen Kurzfilme über die Stadtgeschichte ausgestrahlt, aber auch Präsentationen mit Archivaufnahmen von Kronstadt gemacht. Über Berührungsbildschirme können gezielt Daten und Kurzinfos zu ganz bestimmten Jahren oder Geschehnissen von einer eigenen Datenbank abgerufen werden.

Natürlich sind darin die Angaben über die Geschichte der Bastei enthalten. So kann man erfahren, dass sich in der Bastei laut einer Aufstellung von 1562, als sie noch der Goldschmiedezunft gehörte, ein beachtlicher Waffenbestand befand: zehn Musketen, welche aus Prag stammten, und 16 Schusswaffen größeren Kalibers. Auf dem ersten Wehrgang standen drei kleinkalibrige Kanonen, deren Herkunft nicht genauer beschrieben wird, welche aber vielleicht aus der Gießerei stammten, die es in der Nähe der Klostergässer Bastei gab. Eine hölzerne Nachbildung eines solchen Kanonentyps befindet sich in Schussstellung vor einer Schießscharte, um dem Besucher einen Eindruck von den Waffen der damaligen Zeit zu vermitteln.

Einen ganz anderen Eindruck hinterlässt das Aussehen des inneren Turmes, das eher futuristisch anmutet. Gedämpft wird dieser Eindruck allerdings durch die künstlich rostige Oberfläche der Stahlplatten des Baues. An dessen Gestaltung und Konzept wurde lange Zeit von Architekten der Firma Ramb-Sistem aus Kronstadt gearbeitet. Die rötlichen Oberflächen sind nicht so, wie es den Anschein erweckt, „schon rostig“, sondern extra zu diesem Zweck einer Behandlung unterzogen worden. Der innere Turm ist aus sogenanntem COR TEN Stahl gebaut, eine besondere Legierung mit erhöhtem Phosphorgehalt. COR TEN wird weltweit schon seit mehreren Jahrzehnten für Bau- und Kunstwerke oder für Gebäudefassaden benutzt, eben weil sein Aussehen eine leichte Integration von neuen Elementen in Altbauten ermöglicht. Dazu kommen die mit großflächigen Glasscheiben geschlossenen Räume auf den verschiedenen Ebenen, in denen sich sowohl das Mauerwerk der Bastei als auch das Wolkenspiel am Himmel spiegeln.

Alles in allem ist die restaurierte Bastei einen Besuch wert, auch für Kronstädter.