Die ADZ am Puls der Zeit: Heimattreffen, Brauchtum und Kulturerbe 

Nur für uns Deutsche oder für alle? Drei Fragen – Ihre Meinung ist gefragt!

In Kleinscheuern wurde die 700-Jahrfeier des ursprünglich sächsischen Dorfes als gemeinsames Dorffest mit allen Bewohnern begangen. Fotos: George Dumitriu

Trachten: schön oder entstellend – und wer darf das beurteilen?

Symbole: identitätsstiftend – oder dem einheitlichen Dorfbild zuliebe?

Immer wieder wird in letzter Zeit direkt oder indirekt die Frage aufgeworfen: Wie inklusiv sollen Brauchtumsveranstaltungen sein? Dienen Sachsen-, Schwaben-, Zipser- oder Bukowinadeutsche-Treffen dem Zweck der Stärkung der eigenen, ohnehin klein gewordenen Gemeinschaft und der Brauchtumspflege, die im sonstigen Alltag ohnehin zu kurz kommt? Oder sollte man daran denken, die Bevölkerung der inzwischen meist mehrheitlich von Rumänen und Roma bewohnten Orte, an denen diese Treffen stattfinden, bewusst zu integrieren?

Und wie verhält es sich mit Brauchtumspflege? Sind Trachtenumzüge ein „öffentliches Spektakel“, das jeder wie ein Theaterstück rezensieren, sprich kritisieren, darf – so geschehen im Beitrag „Liebling“ des Temeswarer Stadtschreibers Thomas Perle, der nicht nur die Gemüter von Banater Schwaben erhitzt, sondern im Internet einen regelrechten Shitstorm ausgelöst hat... zu unrecht, zurecht? Oder ist Brauchtumspflege Ausdruck des Erlebens einer Gemeinschaft, veranstaltet nur für diese, Zuschauer zwar willkommen, aber Kritik von außen fehl am Platz, weil eben nicht für die Öffentlichkeit veranstaltet? 

Schon einmal angerissen hatten wir auch die dritte Frage: Darf man fremdes Brauchtum übernehmen (ADZ-Online 17. Dezember 2022: „Zeig mir deine Trachtenbluse und ich sage dir, wer du bist? Gedanken und Gespräche zum Thema „kulturelle Aneignung“,  „Authentizität und Identität“) Oder ist es kulturelle Aneignung, sprich anmaßend, wenn z.B. Rumäninnen in einem sächsischen Ort wie Keisd/Saschiz eine „Frauennachbarschaft“ gründen, wie einmal ein Keisder Sachse, ein jüngerer sogar, bemerkte? Andererseits wird oft dazu angeregt, Rumänen für das sächsische Kulturerbe – die siebenbürgische Kirchenburgenlandschaft zum Beispiel – zu begeistern, es als Kulturerbe ihres Landes zu betrachten, sich damit zu identifizieren, um es schützen zu helfen. Wäre es nun unpassend oder wünschenswert, weil ortstypisch, wenn ein zugewanderter Rumäne oder Ausländer in einem sächsischen Dorf eine „typisch sächsische“ Pension aufmacht, sprich, sich fremdes Kulturerbe touristisch zu eigen macht? 

Drei Fragenkomplexe, die kontroverse Gedanken aufwerfen, pro und kontra, alle legitim und nachvollziehbar, es gibt kein „richtig“ oder „falsch“. Aber es gibt einen Puls der Zeit, und den würden wir gerne erfühlen – hier in der ADZ, gemeinsam mit Ihnen, als Experiment: ein Artikel mit Mini-Meinungsumfrage. Und selbstverständlich folgt eine Auswertung. 

Freilich können Sie dieses Experiment einfach nur als Diskussiongrundlage für Ihre Gemeinschaft betrachten. Wenn Sie aber aktiv mitmachen möchten, dann gehen Sie bitte online zum Umfrage-Link (https://s.surveyplanet.com/nf2dmjsz) und wählen zu den drei Fragen eine der beiden dort skizzierten PRO- und KONTRA-Musterantworten aus, der Sie eher zustimmen würden.

Die Umfrage läuft zwei Wochen lang, bis einschließlich 5. Oktober. In der Folgewoche erscheint dann die Auswertung. Teilnehmen dürfen Sie gerne anonym, doch haben wir auch die Frage „Ich fühle mich der deutschen Minderheit in Rumänien zugehörig“ (Ja/Nein) eingebaut. 

Noch eine Bitte im Guten: Keine aufhetzenden oder beleidigenden Kommentare zu diesem Beitrag im Internet! Ihre Meinung können Sie aber gerne im Kommentarfeld der Umfrage kundtun. Vielen Dank fürs Mitmachen.


UMFRAGE
s.surveyplanet.com/nf2dmjsz

Frage 1: Sollen deutsche Brauchtumsveranstaltungen inklusiver sein?

PRO: Inzwischen leben kaum noch Deutsche in den ehemals deutschen Dörfern. Wenn wir Deutschen – ausgewanderte und hiergebliebene – uns gemeinsam in der alten Heimat treffen, müssen wir auch anerkennen, dass sich diese Heimat verändert hat. Es würde der Gesellschaft guttun und vielleicht auch die Jugend stärker ansprechen, wenn wir gezielt gemeinsame kulturelle Aktivitäten durchführen und unser altes Brauchtum auch mal kreativ neu interpretieren würden.

KONTRA: Heimattreffen sind Gelegenheiten, uns untereinander wiederzusehen, uns an früher zu erinnern und unser Brauchtum zu pflegen, das ansonsten in unserem Alltag keinen Platz mehr findet. Wir sind Deutsche und wollen das wenigstens zu diesen Anlässen ausleben und zeigen dürfen. Das Gemeinschaftsgefühl ist uns wichtiger als die „moderne“ Idee der Inklusion.

Frage 2: Darf man fremdes Brauchtum kritisieren?

PRO: Kritik an Brauchtum oder Trachten gehört zur Meinungsfreiheit. Man muss sagen und auch schreiben dürfen, wenn einem etwas nicht gefällt – noch dazu, wenn Tänze oder Trachten in der Öffentlichkeit gezeigt werden.

KONTRA: Wie authentisch die Trachten sein sollen und ob schwäbische Glockenröcke Frauenkörper "verformen“ (Perle in „Liebling“: ..."die jungen frauen in ihren trachtenkleidern, die ihre frauenkörper verformen, zu glocken formen.“) – kann allenfalls eine interne Diskussion zwischen den Generationen der dazugehörigen Volksgruppe sein. Kritische Kommentare Außenstehender sind hier einfach fehl am Platz. Trachten sind kein Modetrend, sondern Symbol einer Gemeinschaft.
 
Frage 3: Darf man fremdes Brauchtum übernehmen?

PRO: Für mich gehört es zum guten Geschmack und ist Zeichen des Respekts, wenn in ein sächsisches Dorf zugezogene Nichtsachsen ihre Häuserfassaden, Pensionen oder Unternehmen am ursprünglichen Stil ausrichten. 

KONTRA: Sich Symbole einer Volksgruppe für Häuserfassaden, Tourismus oder ein Geschäft anzueignen, finde ich zumindest seltsam. Wenn sich andere in meinem ehemals deutschen Heimatdorf niederlassen, dann verändert sich eben auch das Dorfbild.