Die Blasmusik ist nicht ausgestorben

Matthias Roos versucht, am Honterus-Nationalkolleg Schüler dafür zu begeistern

Matthias Roos (mit Mikrophon) zusammen mit (von links) dem Dirigenten Glăvan, dem Trompeter Mich (alle Burzenländer Blaskapelle) und Thomas Roos, dem 1. Vorstand des Aalbachtaler Musikvereins, beim Jubiläumsfest in Uettingen Foto: Aalbachtaler Musikverein e.V.

Matthias Roos spielt in der Burzenländer Blaskapelle und singt im Kronstädter Bach-Chor. Foto: privat

Deutsche Jugendblaskapelle auf Siebenbürgen-Tournee: Junger Bläserkreis Mecklenburg Vorpommern (Dirigent Martin Huss) bei einem Auftritt in der evangelischen Kirche in Crizbav (2016) Foto: der Verfasser

Dass sich heute Kinder oder Jugendliche für Blasmusik interessieren ist eigentlich schwer vorstellbar. Dieses Musikgenre erscheint vielen als altmodisch. Rock und Pop sind in. Schülern heute Polkas oder Märsche beizubringen ist, als ob man Fußballfans auf Kunstturnen umstimmen wollte. Und dennoch - in Kronstadt/Brașov will Matthias Roos zeigen, dass Blasmusik am Honterus-Kolleg (und nicht nur dort) wiederbelebt werden kann.

Ein neuer Lehrer und Trompeter 

Matthias Roos ist vor wenigen Jahren zum Kronstädter geworden. Auch dabei hat die Blasmusik „dazwischen gespielt“. Denn der erste Kontakt zu Rumänien überhaupt kam anlässlich des Kronstädter Oktoberfestes 2013 zustande. Unter den Gastensembles, die im Festzelt am Sportplatz unter der Zinne aufspielen sollten, befanden sich auch die Bläser von „Aalbachtal-Express“ aus Uettingen. Zu ihnen gehörte Matthias eigentlich nicht mehr, denn er war nur als „Aushilfe“ dabei. Die unmittelbare Nähe des Zinnenwaldes zur Stadt ist ihm in Erinnerung geblieben. Überrascht war er auch, dass er sich dort so leicht auf Deutsch unterhalten konnte. Die Geschichte und die Traditionen der Siebenbürger Sachsen waren ihm praktisch unbekannt. Aber die 1991 von Prof. Ernst Fleps gegründete Burzenländer Blaskapelle des Deutschen Forums in Kronstadt (heute ein eingetragener Verein mit Iosif Mich als Präsidenten und Vasile Glăvan als Dirigenten) gefiel ihm auf Anhieb. Nicht diese Blaskapelle war aber der Hauptgrund seines – für die meisten aus seinem Freundeskreis wohl überraschenden –   Umzugs aus Uettingen (Landeskreis Würzburg) nach Kronstadt. Seine Ehefrau Maria Ecaterina, die er 2014 in Deutschland heiratete, ist Kronstädterin. Inzwischen hat der 33-jährige Matthias sich in Kronstadt eingelebt, folgte gern der Einladung der Burzenländer Blaskapelle, mitzuspielen, singt auch im Bach-Chor mit. Als ihm im September dieses Jahres von der Schulleitung des Honterus-Nationalkollegs und von Musiklehrerin Claudia Miri]escu angeboten wurde, einige Musikstunden zu übernehmen, sagte Roos gern zu. So kommt es, dass Roos, der Klavier spielt und Trompete bläst, heute in den VII. und IX. Klassen Musik unterrichtet. 

Eine Frage der Motivation

Die Aufnahme im Lehrerteam sei herzlich gewesen, sagt Roos nach den ersten Schulwochen. Es werde im Lehrplan vieles gefordert, was angesichts der einen Musikstunde pro Woche in der VII. Klasse und der nur „halben“ Stunde in der IX. Klasse, wo Musik gemeinsam mit Kunsterziehung unterrichtet wird, nicht so leicht umgesetzt werden kann. Matthias hat jedoch eine reiche Erfahrung in der Jugendarbeit betreffend Blasmusik, ausgehend vom Aalbachtaler Musikverein bis zur Verbandsebene des Nordbayerischen Musikbundes. In Uettingen hatte er 2008 auch hören können: „Die Blasmusik stirbt aus; es gibt keinen Nachwuchs!“ Matthias entschloss sich damals, das Ausbildungssystem für junge Bläser zu ändern. Er merkte, dass der Einzelunterricht abschreckend wirkt. In einer Gruppe zu proben, das bereite mehr Spaß und bringe mehr Motivation. „Wir sind ein Team und proben gemeinsam.“ Dieses Gefühl vermisst man, wenn allein geübt wird. Die Krise wurde überwunden und der Musikverein kann heute auf seine Nachwuchsbläser stolz sein.

In Kronstadt könnte das ähnlich laufen, hofft der Neu-Kronstädter Matthias. Er ist sich bewusst, dass am Honterus Lyzeum die Blasmusik-Tradition Geschichte geworden ist, dass die Schüler unter einem nicht geringen Prüfungszwang stehen, dass das Freizeitangebot sehr groß und verlockend ist. „Wir haben mit dem Handy zu kämpfen“, bringt es Roos auf den Punkt. Also muss das Musikangebot von Beginn an sehr spannend sein, damit die Schüler mitmachen wollen. „Wichtig ist, dass die Kinder zu einem Instrumententag kommen und das Instrument selbst ausprobieren.“ Bei einem „Instrumentenkarussell“ kann jeder eines der Blasinstrumente einspielen. Matthias schildert, wie erlebnisreich ein erster unmittelbarer Kontakt zum Instrument sein kann: „Das Instrument überträgt die Vibration. Das ist ein Gefühl, das man nur dann nachvollziehen kann, wenn man es probiert hat. Durch eigene Anstrengung erzeugt man direkt einen Ton. Beim Blasinstrument entsteht das durch den eigenen Atem.“  

Man müsse sich auch nicht unbedingt auf den Begriff Blaskapelle versteifen, gibt Matthias Roos zu: „Es handelt sich um eine musikalische Grundausbildung. Ob das Blasinstrument in die orchestrale Richtung geht oder in die Kapelle, wie bei der ‚Burzenländer Blaskapelle‘, das ist den Schülern noch nicht bewusst. Wir lernen ja nicht gleich einen Marsch, den wir spielen, sondern wir spielen Übungslieder.“ Es gäbe viel zu üben und sehr wichtig sei es, überhaupt dranzubleiben. Nach rund zwei Jahren seien dann die jungen Bläser in der Lage, selbst zu entscheiden, welche Lieder sie gemeinsam spielen wollen.
Ideal wäre ein Einstieg ab der IV. Klasse in diesen musikalischen Unterricht. Denn ab der IX. Klasse, nach der Prüfung, sind viele Schüler bereits von der Musik „weggedriftet“, weiß Matthias.

„Musik öffnet Augen und Ohren“

Das sei schade, denn Musik sei ein wunderschönes Hobby. Es ermögliche einen großen Weitblick und öffne Augen und Ohren. Roos weiß das aus eigener Erfahrung. Mit den Aalbacher Bläsern ist er bis nach Italien, Polen, Frankreich und sogar in die Vereinigten Staaten, nicht zuletzt auch nach Rumänien, gekommen; mit dem Bach-Chor war er bereits in Portugal und Deutschland. Musik bringt Menschen zusammen. Im Oktober feierte der Aalbachtaler Musikverein sein 50. Gründungsjubiläum. Matthias hätte allein hinfahren können, aber: „Eigentlich ist mein Herz in Rumänien und schlägt mit der Burzenländer Blaskapelle.“ Warum sollte er dann nicht probieren, die „Burzenländer“ zum Mitfeiern einzuladen und versuchen, eine Partnerschaft aufzubauen? Alles klappte hervorragend. Die Burzenländer Bläser konnten dank Spenden kostenlos nach Uettingen reisen, waren bei Gastfamilien untergebracht, traten im schön geschmückten Festsaal erfolgreich auf, besuchten Würzburg und konnten sogar einer Einladung zu einem kurzen Empfang beim Bürgermeisteramt Nürnberg, mit Kronstadt in einer Städtefreundschaft verbunden, folgen.

Unterstützung ist willkommen

Rund ein Jahr ist vergangen, seitdem Roos erstmals sein Konzept zum Wiederbeleben der Blasmusik in Form einer Schüler-Kapelle vorgestellt hat. Schnell überzeugte er sich in Gesprächen mit Vertretern des Honterus-Kollegs, des Deutschen Demokratischen Forums in Kronstadt, des „Pro Honterus“-Fördervereins, bei den Versuchen, neue Verbindungen für das Blasmusik-Projekt zu knüpfen, wie viele Fragen zu klären und Herausforderungen zu bewältigen sind. Die ursprünglich angestrebte Finanzierung von 40.000 Euro für das Aufstellen einer Bläserklasse von rund 40 Schülern erwies sich als unrealistisch. Es musste also umgedacht werden.

Kleinere Kostenbeteiligung von mehreren Projektpartnern ist angesagt. Geld wäre vor allem für den Erwerb von Instrumenten notwendig. Diese bleiben im Besitz der Schule oder der Förderer. Ideal wären 20 Blasinstrumente: Alt-Saxofon (sehr beliebt bei Jugendlichen), Trompete, Klarinette, Querflöte, Althorn (das in Siebenbürgen einen Sonderstatus in einer Kapelle einnimmt), Posaune, Bariton-Horn. Schlagzeug sei nicht Thema dieser Ausbildung, weil es Schlagzeuger bereits gebe und dieses Instrument eine Sonderausbildung erfordere, was zusätzliche Kosten mit sich bringen würde. Die Tatsache, dass die Ausbildung gemeinsam in der Schule und durch einen Lehrer dieser Schule erfolge, sei ein klarer Pluspunkt verglichen mit einem After-School-Programm. Roos ist auch auf die Hilfe weiterer drei oder vier Lehrer angewiesen, da er als Dirigent nicht alles im Alleingang schaffen kann. Die Ausbildung muss zudem kostenpflichtig sein und über eine von Matthias bereits gegründete GmbH abgewickelt werden. Hinzu kommen weitere Schwierigkeiten, angefangen von der Sicherung eines Abstellraums für die Instrumente bis zur Aufstellung eines Zeitplans, der für alle Teilnehmer passt. Denn die Gruppenarbeit bleibt die Grundvoraussetzung dieses Projektes. 

Noch sind nicht alle organisatorischen und finanziellen Aspekte restlos geklärt. Aber erste Gespräche mit ermutigenden Ergebnissen gibt es bereits auch mit anderen Partnern außer dem Honterus-Kolleg, wie zum Beispiel mit der Kronstädter Schule Nr. 12 oder mit dem Bürgermeisteramt in Marienburg/Feldioara, berichtet Matthias Roos. Er weiß inzwischen aus eigener Erfahrung, dass in Rumänien manches „ganz anders abläuft als ich es gewohnt bin.“ Zum Beispiel, dass Monate vergehen mussten, bis endlich eine zusätzliche Stromzufuhr in seinem Haus genehmigt und fertiggestellt werden konnte. Matthias nimmt es nicht tragisch. „Viele Sachen sind sehr spannend“, sagt er lachend. Er behält seinen Optimismus: „Ich wache jeden Tag mit neuer Motivation auf!“