„Die deutsche Kneipe“, eine Institution seit 27 Jahren

Deutsche Küche und ein authentisches Wirtshausgefühl findet man schon seit Jahren bei Alin und Ileana Sibiescu

Die Deutsche Kneipe in der Strada Stockholm: Alin Sibiescu zapft gekonnt ein Bier.

Ein Schnitzel und ein helles Bier gehören zu den Klassikern in der Wirtschaft. Fotos: Valentin Brendler

„1996 haben wir demokratisch entschieden: Meine Frau wollte wieder zurück nach Rumänien und ich habe akzeptiert!“, berichtet Alin Sibiescu. Er und seine Frau Ileana leiten seit 27 Jahren „die Deutsche Kneipe“ in der Strada Stockholm in Bukarest. Während in dieser langen Zeitspanne zahlreiche deutsche Restaurants eröffnet haben, ist mittlerweile der Großteil davon wieder geschlossen, außer die kleine etwas versteckte Kneipe. Das Geheimrezept des Familienunternehmens: Hausmannskost, originale Rezepte und Bier, sowie das deutsche Kneipengefühl, welches sich gleich im Namen widerspiegeln soll. „In Deutschland war eine Kneipe immer ein Ort, wo du dich wohlfühlst“, erklärt Sibiescu: „Jeder kennt jeden. Es ist ein „Wir-Gefühl“ und man ist nicht einfach Tischnummer fünf, acht oder zehn!“

Wahrscheinlich war Neugier der ausschlaggebende Punkt, dass Alin und Ileana Sibiescu überhaupt jemals nach Deutschland gekommen sind. „Es war einfach so eine Idee“, meint der Gastwirt und so landeten die beiden für ganze sieben Jahre im Bundesland Hessen. Während er als Industriekaufmann sein Geld verdiente, arbeitete seine Frau sich bis an die Spitze einer Supermarktfiliale. Das nächste logische Ziel: eine Führungsrolle in der Verwaltung der Kette. „Nein, ich habe keinen Bock mehr, hat sie mir dann gesagt“, berichtet Alin. „Sie hat alles erreicht und allen gezeigt, was sie kann, und jetzt wollte sie was Neues anfangen.“

Nach der Rückkehr vermissten sie Deutschland

So landeten die beiden im Bukarest relativ kurz nach der Wende. Als sie dort jedoch einmal etwas Gutes essen gehen wollten, fiel ihnen auf, dass das gar nicht so leicht war. „Es gab nichts! Es gab einen Irish Pub, einen Libanesen und sonst gab es nur die ganzen alten kommunistischen Restaurants“, erklärt er. Da dachten sie sich: das können wir besser.
Außerdem liegt Alin Sibiescu die deutsche Kultur einfach am Herzen.„In Deutschland ist das irgendwie verlorengegangen und wenn du deine Identität verlierst, dann ist das nicht gut“, erklärt der Rumäne, der offenbar die altmodische und klassische deutsche Wirtshauskultur vermisste. Nach der Arbeit in Hessen war er oft in Kneipen auf ein schnelles Bier oder ein gutes Schnitzel. „Es ist wie im Dorf. Dieses Urige, das Gemütliche“, erinnert er sich. Genau dieses Gefühl wollte er von Anfang an mit seiner eigenen Wirtschaft einfangen. Deswegen haben er und seine Frau sich gesagt: „Wir führen das Restaurant mit einer strikten Linie: nur Hausmannskost und richtige deutsche Küche“. So finden sich auch heute hauptsächlich viele Klassiker wie Schweinebraten, Jäger-Schnitzel oder Weißwürste auf der Karte. Unterstützt natürlich von einer Auswahl an deutschen Bieren: darunter Pils, Weißbier, ein Helles oder ein Dunkles.

Deutsche Küche in Rumänien – eine Herausforderung

Sowas in Rumänien anzubieten ist jedoch gar nicht einfach. Das erste Problem sind die Zutaten. Zwar gibt es in Rumänien viele tolle Würste, jedoch keine originale Weißwurst. Deswegen bestellt der Unternehmer eine Gewürzmischung aus Deutschland, die er dann in Zusammenarbeit mit einem lokalen Metzger zu Weißwürsten macht. „Fleisch ist Fleisch, aber die Gewürzmischung macht 80 Prozent des Geschmackes aus. Es wäre ein Sakrileg, eine Weißwurst ohne richtige Zutaten herzustellen!“, meint er. Auch an das Bier zu gelangen, ist eine Herausforderung für sich. Gerade am Anfang, 1996, war es schwer, einen Lieferanten zu finden, der deutsches Bier nach Bukarest schaffte. „Ja, wir haben deutsches Bier“, erklärte ein Lieferant Sibiescu: „Aber es ist komisch und trüb!“. Da wusste er Bescheid: es handelt sich um Weißbier und der Gastwirt bestellte mehrere Fässer. 

Trotz des schnellen Glücks muss er sich immer wieder neu umschauen. Die verschiedenen Importfirmen schließen immer wieder, das heißt: ein neuer Lieferant muss schnellst-möglich her. Dabei möchte Sibiescu insbesondere da-rauf achten, dass sich seine Gäste an einen Geschmack gewöhnen können und nicht jeden Tag ein anderes Bier auf den Tisch gestellt bekommen. Momentan stammt das Bier in der Kneipe von der Thüringischen Firma Dingslebener.

Ein Schnitzel ist nicht gleich ein Schnitzel

Nur mit orginalen Zutaten kann ein orginales Gericht entstehen. Der zweite Schritt sind die Rezepte. „Viele sagen ja, ein Schnitzel ist ein Schnitzel, überall. Doch das stimmt nicht! Es ist wie bei Pizza. Die Leute sagen, dass man keinen Verstand braucht, eine Pizza zu machen, aber wie oft haben sie schon eine schlechte Pizza gegessen? Es ist nicht so einfach.“ Das heißt für ihn, dass ein Schnitzel immer ganz klassisch mit dem richtigen Mehl paniert werden muss, aus Schwein besteht und nur so ist es gut. „Ich habe eine schwere Kindheit hinter mir! Alle meine Schnitzel waren unpaniert und ich habe mir geschworen: nie wieder unpaniert!“, scherzt er.

Zuerst kamen nur deutsche Gäste

Neben gutem Essen muss ein Restaurant natürlich auch Kunden haben. Nach der Eröffnung des Geschäftes seien dies hauptsächlich Deutsche gewesen, welche für verschiedenste Firmen arbeiteten und in Bukarest tagtäglich lebten und sich ein Stück Heimat wünschten, welche sie in „der deutschen Kneipe“ fanden. „Es war anders“, schwärmt Sibiescu, „es ging einem nicht finanziell besser, aber die Stimmung war total geil und alle waren viel offener und die Rumänen freuten sich auch immer nach den Jahren des Kommunismus, Ausländer zu treffen!“. 

Schon damals begann der begeisterte „Eintracht Frankfurt“-Fan verschiedenste Sportereignisse in seinem Laden auszustrahlen. „An einem Abend waren um die 70 Deutsche hier, um das Spiel Deutschland gegen Italien zu schauen. Nur der eine Österreicher, der da war, trug ein Trikot von einem italienischen Spieler“, erinnert er sich.

An manchen Abenden waren auch nur Japaner da, oder Menschen aus den USA, Israel oder England, berichtet er. „Jeder ist gekommen mit seiner eigenen Mentalität. Da muss man wissen, wann man Witze machen kann, oder nicht, aber es waren immer lockere Abende.“

Großes Fest im kleinen Hof

Kulminiert hat sich die Anfangszeit, als die kleine Wirtschaft ihr zehnjähriges Jubiläum feierte. „Es kamen Stammkunden aus der ganzen Welt zusammen, welche mittlerweile schon Jahre nicht mehr in Bukarest gewohnt hatten!“, erklärte der stolze Kneipenbesitzer, der perfektes Deutsch spricht. An diesem Tag musste er immer von Tisch zu Tisch rennen und alle begrüßen, während seine Frau Ileana – „die Küchenfee“, wie er sie nennt – für alle die Speisen vorbereitete. Denn, trotz Unterstützung ab und zu, leiten die beiden das Geschäft komplett allein, auch wenn der Biergarten und alle Tische drinnen voll sind. 

Mittlerweile klingt der Laden aber ganz anders. Statt viel Deutsch hört man nun hauptsächlich Rumänisch. „Am Anfang waren es so 70 Prozent Deutsche und 30 Prozent Rumänen. Heutzutage ist es andersherum“. Dies führt er auf die geringere Vertretung deutscher Unternehmen in Bukarest zurück – diese seien nun öfters in Westrumänien.

Dies zwingt den Restaurantbesitzer zu einem Spagat. Das deutsche und rumänische Essen habe zwar oft dieselben Grundbausteine, aber ist im Kern verschieden. „Man fährt auch in beiden Ländern Autos, nur in Deutschland BMW und in Rumänien Logan. Für die Rumänen schmeckt das deutsche Essen süßlich“, erklärt er, außerdem mögen viele Rumänen ihre Gerichte ohne schwere Soße, welche bei deutschen Gerichten fast immer dazugehört. Doch Sibiescu habe „mittlerweile einen Spagat geschafft“, zwischen dem Festhalten an den klassischen Gerichten und dem Entgegenkommen an den rumänischen Geschmack.

Auch beim Bier sei es nicht so einfach. Denn die meisten rumänischen Gäste bestellen oft ein „blondes Bier“, wobei er nicht genau wisse, was der Besucher denn genau möchte. Ein Helles, ein Weißbier oder doch ein Pils? „Ich frage dann immer: Mögen sie es etwas bitterer, oder doch nicht so bitter? Ungefähr neun von zehn Gästen möchten es nicht so bitter. Also bringe ich ihnen ein Landbier/Helles. Für die meisten Rumänen ist ein Bier einfach ein Bier. Sie machen da keinen Unterschied.“

Eine Erfolgsgeschichte

Doch auch wenn es für die rumänischen Kunden oftmals eine neue Welt ist, hat die Kneipe Erfolg. 27 Jahre sprechen für sich und das Paar würde am liebsten noch weiter 27 Jahre dranhängen, sofern sie fit bleiben. „Wir haben zwar keine Kinder, aber die Kneipe ist sowas wie ein Kind für uns“, schwärmt der Gastronom: „Es kommen Kunden manchmal herein, die Bukarest bereits 15 Jahre verlassen haben, und ich weiß immer noch, was sie am liebsten trinken! Man sieht kleine Kinder erwachsen werden und wie sie dann mit ihren Kindern in den Laden kommen. Ich bin sehr stolz auf meine Kneipe.“

Einmal im Jahr schließt auch „die deutsche Kneipe“ für zwei Wochen ihre Tür. Im August, während der Feriensaison. Zum einen kommen dann weniger Gäste, außerdem möchte das Ehepaar auch ein paar Tage im Jahr Urlaub haben. Oftmals ist dann auch Deutschland das Ziel: „Wir haben noch einen Teil der Familie dort. Es ist immer eine Freude, sie zu besuchen!“