Die Freude am Musizieren ist erlernbar

Gespräch mit Matthias Roos über seine Blasmusik-Klasse

Die Jugend-Blaskapelle und ihr Dirigent in der Marienburg.
Foto: Radu Cătălin Firicel

Matthias Roos beim diesjährigen Bartholomäusfest.
Foto: Ralf Sudrigian

Das diesjährige Bartholomäusfest klang am 22. August mit einem Platzkonzert der von Matthias Roos geleiteten Jugendblaskapelle aus. Das bedeutete eine willkommene und mit regem Beifall begrüßte Neuigkeit, nicht nur für diese traditionelle Kronstädter Veranstaltung. Denn die Gründung einer Jugendblaskapelle war ein Vorhaben, das beim Demokratischen Forum der Deutschen aus Kronstadt, insbesondere von Stadtrat Cristian Macedonschi und beim Honterus-Nationalkolleg bereits vor vier Jahren als schöner Wunsch geäußert wurde. Dass diese Initiative, die in der Tat das Fortführen von Tradition darstellt, nun erste sicht- und hörbare Formen angenommen hat, ist das Verdienst von Matthias Roos. Der 35-jähhrige Wahlkronstädter hatte seine ersten Kontakte zu Kronstadt dem hiesigen Oktoberfest zu verdanken, wo er 2013 als Keyboarder des „Aalbachtal-Express“ aus Uettingen mitwirkte. Inzwischen hat er in der Stadt am Fuße der Zinne seine Heimat gefunden, hat geheiratet und ist Vater einer Tochter. Außerdem singt er im Jugendbachchor, spielt in der Burzenländer Blaskapelle mit und beteiligt sich aktiv am Bartholomäer Gemeindeleben. Seine Erfahrung in der Förderung junger Bläser hatte er aus Uettingen mitgebracht und versuchte sie nun auch in Kronstadt anzuwenden. Niemand hatte etwas dagegen, alle wünschten ihm viel Erfolg, aber unausgesprochen blieb doch ein großes Maß an Skepsis: Gibt es für Blasmusik bei der Jugend von heute noch Interesse? Finden sich Instrumente? Wo wird geprobt? Wer kommt für die Kosten auf? Matthias Roos gab nicht auf und hatte Erfolg, wofür ihn nun alle beglückwünschen. Die größte Freude dürfte wahrscheinlich bei den jungen Bläsern und deren Eltern herrschen. Über seinen Einsatz zur Förderung des Kronstädter Blasmusik-Nachwuchses sprach Matthias Roos mit ADZ-Journalist Ralf Sudrigian.

Herr Roos, wie kam die Musikklasse zusammen?

Durch einen Aushang in den Schulen und Präsentationen während der Elternabende sowie Zusammenarbeit mit den Musiklehrern. Die Akquise ist schwierig gewesen, da Musik nicht als wichtiges Fach oder Fähigkeit angesehen wird. Es wird der Fokus auf die Hauptfächer gelegt, und das bekommt man auch sehr direkt gesagt, obwohl unzählige Studien beweisen, dass ein Instrument zu erlernen nur positive Auswirkungen insbesondere auch auf andere Schulfächer hat. Die Ausrede, dass die investierte Zeit zulasten der Noten geht, ist also seit langem widerlegt. Das bedeutet keine Schwächung, sondern sogar eine Stärkung. Eine Überforderung gerade auch in den Übergangsjahrgangsstufen wird fälschlicherweise oft durch Verzicht auf künstlerische Betätigung kompensiert. Was bewiesenermaßen falsch ist. Das Gehirn kann nun mal nicht mehr Informationen verarbeiten, nur weil es intensiver mit Nachhilfe traktiert wird. Zudem unterrichte ich ja so, dass man die deutsche oder englische Sprache anwenden muss und eh kaum auf rumänisch.

War es schwierig, Schüler zu finden? Wer sind sie?

Es war sehr unterschiedlich. Einerseits ist es in Marienburg/Feldioara fast ein Selbstläufer geworden: Beim ersten Treffen waren es fünf Anmeldungen, beim zweiten schon zehn und jetzt sind 13 Teilnehmer mit dabei. In Kronstadt sind es aktuell leider nur noch vier aus der Anfangszeit. Zum Glück sind einige jetzt in der Fortgeschrittenen-Gruppe dazugestoßen, um die ausgedünnte Besetzung wieder aufzufüllen. Leider noch stark überwiegend Jungs. In Deutschland war das in manchen meiner Gruppen umgekehrt!

Wo findet der Unterricht statt? Welche Instrumente stehen zur Verfügung?

Aktuell immer mittwochs beim Sitz des Deutschen Forums, von 16 bis 18 Uhr. Alle Kinder haben zeitgleich ihre Unterrichtseinheit. Vieles ergänzt sich, und die Gruppe wird von der ersten Stunde an gemeinsam trainiert. So ähnlich wie beim Gruppensport. Der Intensivkurs für Anfänger und Fortgeschrittene startet ab September. Wir haben Klarinetten, Saxophone, Bariton, Trompeten, ein Schlagzeug, Klavier. Dringend nötig wäre eine Verstärkung am tiefen Blech, aber auch Querflöten fehlen uns noch komplett. In Zukunft wäre auch ein E-Bass und eine E-Gitarre denkbar.

Es gab auch ein Musikcamp?

Das Transilvanian Musikcamp konnte in diesem Sommer in Stein/Dacia im zweiten Anlauf voll durchstarten. Hier hatten wir zwölf Teilnehmer aus den laufenden Kursen. Es wurde intensiv mit viel Freude etliche Stunden am Tag neue Stücke einstudiert und Technik intensiviert. Viele waren traurig, dass es so schnell vorbeiging. Die Eltern konnten den Quantensprung im abschließenden Campkonzert anhören.

Wer unterstützt die Initiative?

Gott sei Dank wächst die Unterstützung stetig. Anfangs wurde mir noch von vielen versichert, dass ich scheitern würde. Das hat sich stark geändert: Was anfänglich noch unmöglich schien, hat – wie auch schon in meinem alten Musikverein – durch moderne Unterrichtsmethoden und stetiges Fordern und Fördern viel Begeisterung geweckt. 

Die Partituren habe ich so schon in Deutschland genutzt, seit zwölf Jahren habe ich damit viel Erfahrung sammeln können. Es handelt sich um die auch von der Yamaha Class Band (Bläserklasse) empfohlene Literatur für den Einstieg. Vom „Aalbachtaler Musikverein aus Uettingen“ kommen viele gebrauchte und generalüberholte Instrumente, die ich im Unterricht einsetze. Zu meiner Überraschung gab es in Marienburg seitens des Bürgermeisteramtes einen kompletten Satz an neuen Instrumenten, die wir kostenlos verwenden dürfen.

Wie können heute die Kinder für Blasmusik begeistert werden?

Die Freude am Musizieren ist erlernbar. Ich glaube, der Reiz der Blasinstrumente liegt nicht im Liedgut, sondern in der Kompatibilität beim Zusammenspiel: „One Band – one Sound“. Das häusliche Üben kann nicht gegen Playstation & Co. mithalten, aber der wöchentliche Class Band Unterricht (Orchesterunterricht in Großgruppen) macht genügend kleine, aber dennoch kontinuierliche Schritte in die richtige Richtung und hängt keinen der Teilnehmer so schnell ab.

Wer steht Ihnen bei diesem Projekt zur Seite?

Wichtig ist ein gutes Team, das ich größtenteils aus der Burzenländer Blaskapelle, aber auch der Oper sowie der Philharmonie rekrutieren konnte. Auch die evangelische Gemeinde in Bartholomae hat mir bereits 2019 ein Apartment für die Musikschule zur Verfügung gestellt, in dem seit jeher viel unterrichtet wird. Der Bartholomäer Kurator Dr. Klein, Kirchenmusiker Steffen Schlandt oder auch Iosif Mich (Burzenländer Blaskapelle) stehen immer mit einem offenen Ohr zur Verfügung, wenn ich Fragen habe. Auch der Bürgermeister von Marienburg, Sorin Taus, ist ein Unterstützer der ersten Stunde und hat sich überaus kooperativ gezeigt. 

Feste Mitarbeiter gibt es noch nicht, das wäre ein Ziel fürs nächste Jahr. Ein notwendiger Schritt war die Erweiterung der Teilnehmer von nur der Honterusschule zu allen interessieren Schülern mit Hilfe des Forums. Seit diesem Jahr wächst hier die Zusammenarbeit und wir konnten – während die Burzenländer Blaskapelle gerade ihr 30-jähriges Jubiläum feiert – die Jugendblaskapelle Kronstadt gründen. Auch die Yamaha Class Band Europe hat jetzt in mir die erste Vertretung in Rumänien.

Wie kann man sich zu diesem Musikunterricht anmelden?

Anmelden kann man sich über Facebook (facebook.com/YCBromania), WhatsApp (0749 664 972), E-Mail (office@matthiasroos.eu) oder auch telefonisch (0749 664 972), die Adresse ist  Strada Lung², Nr. 236, Ap. 3, 500059 Brașov. 

Oft werde ich bei den Auftritten angesprochen, das freut mich sehr, weil es mir direkt zeigt, dass es die Zuhörer bewegt, was wir mit viel Energie leisten. Die Anfänger- und Fortgeschrittenen-Kurse sind kostenpflichtig, aber günstiger als Einzelunterricht. Zudem gibt es die Möglichkeit, Instrumente zu leihen. Für Fortgeschrittene ist die Teilnahme kostenlos, sie müssen aber mit dem eigenen Instrumentallehrer trainieren.

Gibt es beim Abschluss eine Urkunde?

Alle Kurse werden mit einem Examen abgeschlossen. Zuerst das Juniorabzeichen Insignia Junior: Hierfür muss grundlegende Gehörbildung trainiert, Musiktheorie und Rhythmik beherrscht werden. Im nächsten Schritt gehen wir dann zu Bronze, Silber und Gold, vermutlich in jeweils ein bis zwei Jahren. Die Leistungsstufen sind, wie international üblich standardisiert, und alles ist an den Deutschen Musikbund angelehnt.

Wie geht es nun weiter?

Die Zusammenarbeit mit Marienburg wurde nach zwei Jahren nochmal verlängert, und die Kinder machen auch alle weiter. Ich werde im nächsten Schuljahr weiter expandieren und Ortschaften hinzunehmen. Die Teilnehmerzahl soll schrittweise erhöht werden und die Möglichkeit des Instrumentalunterrichts möglichst vielen Kindern und Jugendlichen zugänglich gemacht werden. 
Mein größter Wunsch wäre es, die größte und beste Musikschule Siebenbürgens aufzubauen. Die Qualität stetig steigern und möglichst viele zur Musik und auf die Bühne bringen: „Matthias Roos: Te aduce la muzica!“, lautet meine Devis – „Matthias Roos bringt dich zur Musik!“

Herzlichen Dank für dieses Gespräch und viel Erfolg!