„Die Freude am Schreiben ist mir wichtig“

Gespräch mit der siebenbürgischen Kinderbuchautorin Karin Gündisch

Die rumäniendeutsche Kinderbuchautorin Karin Gündisch war vor Kurzem in Temeswar/Timisoara, wo sie zwei Lesungen in der Nikolaus-Lenau-Schule und einen Workshop im Deutschen Kulturzentrum hielt. Die aus Heltau/Cisn²die stammende Schriftstellerin präsentierte da ihre Kinderbücher und versuchte, die Schüler fürs Lesen zu begeistern. „Geschichten über Astrid“, „Im Land der Schokolade und Bananen“ und „Das Paradies liegt in Amerika“ sind nur einige der Bücher, die sie nach ihrer Auswanderung in Deutschland veröffentlichte. Die ADZ-Redakteurin Raluca Nelepcu traf die Kinderbuchautorin und führte mit ihr folgendes Gespräch.


Wie haben Sie zur Kinderliteratur gefunden?

Ich habe immer mit Kindern zu tun gehabt und immer gern Geschichten erzählt. Ich war ja im Hauptberuf Deutschlehrerin und habe des Öfteren, als eine Art Belohnung, den Schülern Geschichten erzählt. Außerdem habe ich meinen eigenen Kindern immer Geschichten erzählt. Dann stellte ich fest, dass es im „Neuen Weg“ eine Rubrik gab, in der Kindergeschichten veröffentlicht wurden. Da habe auch ich Kindergeschichten veröffentlicht. Einmal waren es dann so viele, dass es für ein Buch reichte.

Wie ist es zu den „Geschichten über Astrid“ gekommen?

Als meine Kinder klein waren, habe ich festgestellt, dass ihre Kindheit ganz anders verläuft als meine eigene. In diesem Spannungsfeld zwischen eigener Kindheit und der Kindheit meiner Kinder ist dann dieses Buch entstanden. Ich habe mich erinnert und die Erinnerung kam in Form von Geschichten, die ich niedergeschrieben habe. Ich habe das Buch in Rumänien, noch vor meiner Auswanderung 1984, fast fertig gehabt, habe es dann aber in Deutschland veröffentlicht. Ich hatte das große Glück, dass das Manuskript mit dem Peter-Härtling-Preis ausgezeichnet wurde. Dadurch habe ich den Schritt in die Literaturszene geschafft, wir haben Einladungen zu verschiedenen Symposien und Lesungen bekommen und ich konnte mir in Deutschland eine neue Zukunft als freischaffende Autorin aufbauen.
Gibt es in Deutschland einen Markt für Kinderbücher?

Ich würde sagen, dass ich mit meinen Büchern eher unmodern bin. Die Kinder stehen zur Zeit auf Fantasy und ich bin keine Fantasy-Autorin. Realitätsnahe Literatur, realistische Literatur spielt aber auch eine wichtige Rolle. Die ist zur Zeit jedoch nicht unbedingt in Mode. Moden aber ändern sich. 

Viele Erwachsene lesen eigentlich Kinderliteratur. Besonders im Fantasy-Bereich gibt es Erwachsene, die ausdrücklich diese Literatur lesen. Da spreche ich aber von einer Infantilisierung des Lesers. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein erwachsener Mensch mit einer solchen Literatur vollauf zufrieden sein kann und dass sein Bedarf an Literatur dadurch vollständig abgedeckt ist. 

Inwiefern wurden Sie von den Erfahrungen in Rumänien geprägt?

Rumänien und insbe-sondere Siebenbürgen, und um ganz genau zu sein die Ecke um Heltau, Michelsberg, Hermannstadt, Prislop ist meine literarische Landschaft und an ihr messe ich alles andere, was ich erlebe.

Wie haben Sie den Aspekt der Auswanderung in Ihren Büchern verarbeitet?

Die Auswanderung war eine Zäsur in meinem Leben und die hat natürlich nachhaltige Spuren hinterlassen, ich habe sehr viel übers Auswandern, übers Weggehen geschrieben. Ich habe den Alltag in Deutschland beschrieben und den fremden Blick von Neuankömmlingen in das Land. In dem Buch „Im Land der Schokolade und Bananen“ habe ich das gemacht, aber ich habe auch recherchiert und bin draufgekommen, dass auch vor hundert Jahren Menschen aus ganz Europa nach Amerika ausgewandert sind. Und auch aus meiner Heimatstadt Heltau sind Menschen in die USA ausgewandert. Ich habe eine solche Biografie verfolgt und habe „Das Paradies liegt in Amerika“ geschrieben – der Titel ist natürlich ironisch gemeint. Auswanderung bleibt wahrscheinlich ein Thema, das mich auch weiterhin beschäftigen wird.

Haben Sie noch Zugang zur Gefühlswelt eines Kindes?

Ich würde sagen, ja. Ich habe vielleicht nicht mehr Zugang zur jugendlichen Sprache, weil ich viele Elemente aus den verschiedenen Jugendaktivitäten nicht kenne. Aber bei den Kindern verhält es sich ja anders. Die kindliche Gefühlswelt ist nicht so unterschiedlich zu dem, was ich in meiner Kindheit erlebt habe. Sie haben heute gesehen, dass der Kontakt zu den Kindern sehr gut funktioniert. Die Kinder mögen Geschichten und tragen auch selbst dazu bei. Sie erzählen selbst Geschichten aus ihrem Leben. Bei den Jugendlichen ist es etwas schwieriger, man muss sie für bestimmte Themen interessieren können.

Was ist Ihnen wichtig beim Schreiben?

Zum einen ist mir wichtig, dass ich Freude am Schreiben habe. Und natürlich möchte ich auch, dass meine Geschichten gelesen werden. Instinktiv habe ich dann doch den Leser im Blickfeld. Ich will auf irgendeine Weise die Kinder und Jugendlichen erreichen.

Führen diese Lesungen zu neuen Ideen?

Nicht alle. Ich habe noch nie ein Buch geschrieben, das von einer Lesung ausging. Einzelne Ideen fließen dann aber doch ein, aber nicht ganze Bücher. Die große Thematik hat vorrangig immer mit mir zu tun. Man braucht aber den Kontakt zu den Kindern und Jugendlichen.

Woran schreiben Sie jetzt?

Ich schreibe zur Zeit meine Tagebücher aus den Jahren 1982 bis 1984 ab. Ich habe in Bukarest gelebt und habe sehr genau Tagebuch geführt. Es heißt, dass es Tagebücher in dieser Form nicht gebe. Ich schreibe jetzt meine Handschrift ab und das dauert ungefähr noch ein halbes Jahr.

Wie kann man die Kinder für Kinderliteratur begeistern?

Ich glaube, dass es noch immer ausschlaggebend ist, ob die Eltern lesen oder nicht. Man muss den Kindern Bücher kaufen, sie ihnen zur Verfügung stellen. Dann müssen es Themen sein, die die Kinder interessieren. Bei den älteren Schülern wirken Liebesgeschichten am besten. Wenn man dann eine Liebesgeschichte vorliest, dann sind sie sehr aufmerksam und konzentrieren sich gut.

Wie sehen Sie die Zukunft des Buches, zumal heutzutage vor allem die E-Books und Audiobücher „in“ sind?

Das sind alles hübsche Sachen – Beiwerk, würde ich sagen. Ich glaube fest an den Fortbestand des Buches, es ist einfach handlicher. Zum Beispiel, wenn ich den ganzen Tag vor dem Computer gesessen bin, möchte ich mich nachher nicht mit einem E-Book vergnügen. Ich möchte es nicht auf dem Bildschirm lesen, ich lese es viel lieber auf dem Papier.