„Die Gemeinschaft hat alles vorangetrieben...“

Gespräch mit Zsolt Czier, Leiter der Blaskapelle in Fienen

Zsolt Czier, Leiter der Blaskapelle Schwabanda und Gründer der Do-Re-Mi-Blasmusikschule in Fienen, setzt sich ehrenamtlich für die Gemeinschaft ein.
Fotos: privat

Ferienlager der Do-Re-Mi-Blasmusikschule in Großkarol

Fienen/Foieni ist eine der sathmarschwäbischen Gemeinden, in denen die Blasmusik eine Tradition hat. Einen Bruch erlebte diese nach dem zweiten Weltkrieg, als aus der Gemeinde, wie auch aus anderen Ortschaften mit deutscher Bevölkerung im Kreis Sathmar/Satu Mare, die jungen Männer und Frauen zur Zwangsarbeit in die damalige Sowjetunion verschleppt wurden – darunter auch die Mitglieder der damaligen Blaskapelle. Erst 1978 wurde die Blaskapelle in Fienen neu gegründet. Zu den Mitgliedern gehörte auch der Vater von Zsolt Czier, er selbst spielt nun auch seit gut 33 Jahren in der Dorfkapelle und leitet sie seit 2000 alleine. Über seine vielseitige Tätigkeit als Dirigent, Vorsitzender des Deutschen Forums in Fienen und seine ehrenamtliche Arbeit im Dienste der Gemeinschaft sprach ADZ-Redakteurin Gabriela Rist mit Zsolt Czier.

Mittlerweile spielen Sie seit über 30 Jahren Blasmusik. Was hat Sie damals motiviert, Blasmusik zu spielen, und auf welchen Instrumenten spielen Sie?

Im Alter von zwölf Jahren habe ich 1988 angefangen,  in der Blaskapelle in Fienen Blasmusik zu spielen. Unsere Gruppe war damals die dritte Generation, seitdem die Blaskapelle 1978 neu gegründet wurde. Nachdem der Leiter, Emmerich Kreczinger, nach Deutschland ausgewandert war, leitete Stefan Martin lange Zeit die Blaskapelle. Ich spielte zuerst vier, fünf Jahre lang Althorn und Tenorhorn, später Baritonhorn und dann alle möglichen Blechblasinstrumente, sogar zehn Jahre lang Tuba. Ich habe gespielt, was gebraucht wurde. In einer Dorfkapelle müssen die fehlenden Stimmen ersetzt werden, und deswegen gibt es immer Mitglieder, die alles spielen können. Es war selbstverständlich, dass ich Blasmusik spiele, denn auch mein Vater spielte in der Kapelle.

Seit wann sind Sie Leiter?

Ich beschäftige mich seit 2000 mit der Leitung der Kapelle, davor haben wir sie zusammen mit Csaba Knecht geleitet. 2004 gründeten wir aus drei Dorfkapellen eine vereinte Blaskapelle: die Vereinte Blaskapelle von Fienen, Schamagosch und Schinal.

Wie viele Generationen spielen heute in der Blaskapelle zusammen? 

Man kann sagen, dass drei Generationen in dem Orchester zusammen spielen, drei von uns sind um die 45 Jahre alt und die anderen sind 20 bis 30 Jahre alt. Mein älterer Sohn Rudolf repräsentiert derzeit allein die dritte Generation in der Kapelle. Er ist 13 Jahre alt. Sonst spielen die zehn- bis 16-Jährigen im Kinderblasorchester.

Seit wann sind Sie Dirigent der Blaskapelle, und wann haben Sie die Ausbildung gemacht?

Ich dirigiere die Kapelle, seitdem ich ihr Leiter bin. In den Dörfern spielen die Dirigenten in der Regel selbst in der Kapelle. Wenn die Anzahl der Mitglieder mehr als 20 ist, dann dirigiert man die Kapelle bei den Auftritten. In den Proben üben wir vor den Aufführungen alles ganz gründlich. Jeder weiß, was zu tun ist, beherrscht die Stücke, die gespielt werden, kennt die Reihenfolge. Ich besuchte immer wieder Fortbildungen in Deutschland und in Ungarn.

Normalerweise nehme ich regelmäßig zweimal im Jahr an einwöchigen Schulungen teil. Wegen der Pandemie habe ich in den letzten zwei Jahren keine Fortbildung besucht. Diese Schulungen sind aber sehr wichtig, denn man kann immer etwas Neues dazulernen und man kann auch die Erfahrungen der anderen Blaskapellenleiter hören. 

Seit wann reparieren Sie Instrumente, wie kam die Idee, diesen seltenen Beruf zu erlernen? 

Ich beschäftige mich seit 2006 mit der Instrumentenreparatur. Am Anfang habe ich nur kleinere Reparaturen vorgenommen, denn wir haben für die Instrumentenreparaturen viel Geld ausgegeben. Wir sind eine selbsttragende Blaskapelle und haben festgestellt, dass unser ganzes Honorar, das wir bei Beerdigungen oder bei anderen Anlässen verdient haben, in die Reparatur geflossen ist. Ich habe also versucht, die kleinen Dinge selbst zu reparieren. Dann habe ich einwöchige Kurse in Budapest, Deutschland und in Österreich besucht. Inzwischen habe ich Werkzeuge gekauft und 2007 habe ich meine eigene Firma gegründet. 

Inzwischen beschäftigen Sie sich auch mit dem Verkauf der Blasinstrumente. Wie kam es dazu? 

Dazu bin ich durch die Reparatur gekommen, weil es Bedarf an gebrauchten, hochqualitativen Instrumenten gab. Ich habe alte Instrumente gekauft, diese repariert und verkauft. Die Instrumente, die von guter Qualität sind, sind sehr teuer und es lohnt sich nicht, ein neues Instrument zu kaufen, denn die gebrauchten sind genau so gut, nur die Lackierung ist ein bisschen abgenutzter. 

Seit 2004 sind Sie Vorsitzender des Deutschen Forums in Fienen. Davor waren Sie Leiter der Deutschen Jugendorganisation „Gemeinsam in Fienen“. Was motiviert Sie, sich ehrenamtlich für die Gemeinschaft einzusetzen?

Dazu kam ich auch durch die Blaskapelle. Um die Orchester bildete sich mit der Zeit eine aktive Gemeinschaft. Zwei, drei Mal haben wir wöchentlich geprobt. Auch finanziell haben die Mitglieder viel in die Blaskapelle investiert. Die Gemeinschaft hat alles vorangetrieben, denn wir lernten bei den Auftritten andere Blasorchester kennen, die wir zu uns eingeladen haben. Wir organisierten selbst Blaskapellentreffen mit der Unterstützung des Forums und der Jugendorganisation. Es gab immer ein neues Ziel. Das hat uns motiviert.

In Fienen gibt es ein Gemeinschaftshaus – welche Wirkung hat dieses auf das Leben der Schwaben in Fienen? 

Es begann damit, dass die Blaskapelle im Religionssaal probte, wo auch die Religionsstunden gehalten wurden. Der Raum war ziemlich klein. Die Instrumente und das gesamte Equipment mussten wir immer mit nach Hause nehmen. Dann haben wir aus eigenen Kräften im kleinen Kulturhaus ein altes Zimmer renoviert und es selbst ausgestattet. Wir wussten, dass wir einen eigenen Raum brauchen, wo wir ruhig proben können und wo wir unsere Instrumente und Partituren unterbringen können. 2014 ist es uns gelungen, mit Unterstützung des Landesforums ein altes traditionelles Dorfhaus zu kaufen, zu renovieren und auszustatten. Das Haus ist in diesem Jahr fertig geworden. 

Wer besucht das Haus und welche Veranstaltungen beherbergt es?

Zurzeit besuchen drei Generationen das Haus: die Senioren, die Mitglieder der Blaskapelle und die Kinder. Ich kann behaupten, dass wir die stärkste Gemeinschaft im Dorf sind, die jede Generation umfasst. Regelmäßig finden im Haus und im Hof Veranstaltungen statt. Wir haben unter anderem schon traditionelles Schweineschlachten, ein Künstlercamp und jede Menge kleinere Veranstaltungen organisiert. Jeden Monat gibt es eine Veranstaltung.

Sie beschäftigen sich auch mit der Bildung des Nachwuchses für die Blaskapelle. Wie kam die Idee für die Gründung der „Do-Re-Mi-Blasmusikschule“? 

Bei den Schulungen, die ich besucht habe, tauchte immer wieder das Problem des Nachwuchses auf. Da ist mir klar geworden, dass man die Zeit so einteilen sollte, dass man sich 20 Prozent mit der aktiven Blaskapelle beschäftigt und 80 Prozent mit dem Nachwuchs. Auch konnte ich feststellen, dass man das Problem des Nachwuchses nicht auf traditionelle Weise lösen kann. Die Kinder kamen nicht, um Blasmusik zu spielen, und wir hatten das Gefühl, dass etwas nicht stimmte und mehr Marketing gemacht werden müsste. Wenn wir den Kindern zum Beispiel gesagt hätten, sie sollen Trompete spielen kommen, würde vielleicht niemand kommen. Dann haben wir die Blasmusikschule nach dem Vorbild der Bläserklassen im Westen gegründet. 

Wie viele Kinder besuchen die Do-Re-Mi-Blasmusikschule? Woher kommen die Schülerinnen und die Schüler und wie kam die Idee, der Blasmusikschule gerade diesen Namen zu geben? 

Der Name fiel mir eines Nachts ein. Es ist ein einfacher Name, aber wir dachten, eine Blasmusikschule für Kinder sollte keinen komplizierten Namen haben. Und es wurde abgestimmt. Insgesamt 60 Kinder besuchen zurzeit die Blasmusikschule. Die ganz Kleinen, die sechs- bis siebenjährigen Kinder spielen Flöte. Erst mit neun, zehn Jahren wählt das Kind ein Blasinstrument. Die Schüler kommen aus Fienen und aus den benachbarten schwäbischen Ortschaften. Nach Terem gehen wir zum Unterrichten, denn dort sind viele kleine Kinder. Wir, die Lehrer, unterrichten freiwillig, niemand zahlt etwas. Wenn wir nach Terem fahren, bezahlen die Eltern der Kinder den Treibstoff. Wir arbeiten nach deutschem Lehrplan und mit deutschen Methoden. Den Schülerinnen und Schülern der Blasmusikschule bieten wir eine dreijährige Ausbildung ab zehn oder elf Jahren an. Jedes Jahr müssen die Kinder eine Prüfung ablegen, um das Spielen eines Musikinstruments zu erlernen. Dadurch nehmen die Kinder die Schule ernst und machen Fortschritte. 

Wir unterrichten zu viert in der Blasmusikschule: Mit Helmuth Schuller unterrichten wir  die Kinder mit Blasinstrumenten, wir haben zu zweit sozusagen den Löwenteil der Arbeit übernommen. Balázs Jitaru unterrichtet die Schlaginstrumente. Die Flötistin Petronella Mezöfényi kann wegen ihrer Arbeit nicht immer kommen. In ihrer Abwesenheit unterrichtet mein Sohn Rudolf die ganz Kleinen. Er kann ihnen zwei, drei Lieder beibringen und die Kinder mögen ihn. Bisher ist die Schule selbsttragend. Meine Firma, die Musizier GmbH, sichert den Kindern und den Jugendlichen die Instrumente und das Zubehör. Ich repariere die Instrumente. Der Unterricht findet im Gemeinschaftshaus statt, Strom und Heizung bezahlen wir selbst. Das Wasser wird vom Kreisforum bezahlt. Am Samstag haben wir zum Beispiel den ganzen Tag Holz gehackt, um den Winter über heizen zu können.

Warum finden Sie das Blasmusikspielen so wichtig?

In der heutigen Welt gibt es wenige aktive Tätigkeiten für die Kinder, aber man braucht eine regelmäßige Aktivität für sie. Die Kinder, die in einer Blaskapelle spielen, sind selbstsicherer, sie haben ein sicheres Auftreten. Sie mögen die Gemeinschaft. Es wurde bewiesen, dass Kinder, die Blasmusik spielen, auch in Mathematik besser sind. Außerdem können sie bei uns Gemeinschaft erleben. Jedes Jahr organisieren wir ein Blasmusikcamp für die Schüler und die Schülerinnen der Blasmusikschule und wir besuchen mit ihnen auch Blasmusikferienlager. 

Wie sehen Sie die Zukunft der Blasmusik in den sathmarschwäbischen Ortschaften?

Wenn es uns die pandemische Lage erlaubt, planen wir im Dezember mit den Schülerinnen und Schülern der Blasmusikschule mehrere eigene Weihnachtskonzerte in den Ortschaften Großkarol, Terem und Fienen. Wir möchten möglichst vielen Kindern und Jugendlichen das Spielen auf einem Blasinstrument beibringen. Geplant ist die Gründung eines gemeinnützigen Vereins, damit wir den Absolventen der Blasmusikschule ein akkreditiertes Diplom geben können. Außerdem sollten wir mehr Zeit in die Öffentlichkeitsarbeit investieren, und wir suchen nach finanzieller Unterstützung für die Proben und die Instrumente. Ideal wäre, wenn die Eltern die Instrumente kaufen würden, denn das würde bedeuten, dass sie ernsthaft und langfristig planen, das würde auch die Kinder motivieren, weiter Blasmusik zu spielen. Seit Februar, seitdem die Blasmusikschule gegründet wurde, haben die Kinder und die Jugendliche viele Fortschritte gemacht, vor allem die 14- bis 15-Jährigen. Es gibt viele begabte Kinder. Das bedeutet, dass die Blasmusik in den sathmarschwäbischen Gemeinden eine Zukunft hat.