„Die Temeswarer Philharmonie braucht ein durchgängiges Konzept für die Spielzeit und ihre Festivals“

Gespräch mit Ovidiu Florian Andriș, dem Interimsleiter der Temeswarer Banatul-Philharmonie

Ovidiu Florian Andriș, derzeit Manager der Banatul-Philharmonie Temeswar
Fotos: Dana Moica

Andriș lernte zunächst Geige, wechselte aber bald zum Schlagzeug.

Nicht weniger als vier traditionsreiche Festivals der Stadt Temeswar musste der seit August 2021 als Manager der Banatul-Philharmonie Temeswar interimistisch eingesetzte Ovidiu Andriș ausrichten: Die XXX. Auflage der Blues-Jazz-Kamo Gala im September, das 45. Festival „Musikalisches Temeswar“, das Festival Mittelalterlicher Musik und das Intrada-Festival für zeitgenössische Kompositionen. Eigene Akzente konnte der 34-jährige Schlagzeuger bereits setzen und hat in den ersten vier Monaten seiner Amtszeit, die Anfang Dezember bis März 2022 um weitere vier Monate verlängert wurde, schon Pläne für die nächsten zwei Jahre geschmiedet. Er bringt eine musikalische Ausbildung und Erfahrung im Kulturmanagement mit. Über seinen Werdegang, seine Pläne für die Philharmonie und die Herausforderung, aus dem privaten in das staatliche Management umzusteigen, sprach ADZ-Redakteurin Astrid Weisz mit ihm.

In Temeswar sind Sie nach den Intendanten des Deutschen Staatstheaters, der Rumänischen Nationaloper und des Kunstmuseums der vierte Kulturmanager, der gut Deutsch spricht. Woher haben Sie, Herr Andriș, Ihre Deutschkenntnisse?

Ich bin in Temeswar geboren, meine Mutter und mein Onkel haben mit mir Deutsch gesprochen und ich hatte die Möglichkeit, den Lenau-Kindergarten zu besuchen. Danach war ich am Kunstgymnasium und habe zunächst weniger Kontakt zur deutschen Sprache gehabt. Im Studium wurde dann aber alles wieder aufgefrischt, denn ich habe in Hamburg studiert und dort acht Jahre lang gelebt.

Wie haben Sie Ihre musikalische Karriere aufgebaut?

Im Ion-Vidu-Kunstlyzeum habe ich zunächst Geige gelernt, denn meine Mutter war da Geigenlehrerin, bis ich mit etwa zehn Jahren einen Bogen zerbrochen habe und wir im Familienkonzil bestimmt haben, dass Schlagzeug vielleicht doch das passendere Instrument für mich ist. 

Bei Doru Roman habe ich dann bis Ende des Lyzeums gelernt, aber schon mit 15 Jahren habe ich Meisterkurse in Deutschland besucht, auch bei Junge Künstler Bayreuth, wo ich die Gelegenheit gehabt habe, die ganze Wagner-Oper im Großen Theater zu hören (manche warten bis zu zehn Jahre, um ein Ticket dort zu bekommen). Ich habe meine Aufnahmeprüfung an der Musikhochschule Lübeck geschafft, aber sechs Monate später auch an der Hochschule für Musik und Theater in Hamburg und bin dahin gewechselt. 

Zwei Jahre später bekam ich einen Zeitvertrag an der Hamburger Staatsoper, wo ich ein Jahr lang mitgespielt habe, und anschließend hatte ich die Möglichkeit, zwei Jahre lang die hauseigene Akademie zu besuchen. Dann musste ich jedoch auch das Studium beenden und schaffte es mit Bestnote. 2016 kam ich dann wieder nach Temeswar und gründete hier ein Jahr später die Stiftung Tribart, mit der ich seither viele großartige Projekt auf die Beine stellen konnte.

Warum sind Sie nach Rumänien zurückgekommen?

Erstens lag das an meiner Familie, denn es war mir superwichtig, bei ihnen zu sein. Und zweitens wollte ich einen Wechsel bringen, etwas machen, was die Dinge hierzulande verändert. Ich wollte aktiv auf dem Markt sein und das, was ich gelernt habe, hier auf die Bühne bringen. Und dafür habe ich Tribul Artistic (Anm. d. R. „die Künstlersippe“) gegründet. Mit kleinen Schritten haben wir 2018 das Eufonia-Festival mit einem ehemaligen meiner Mitschüler, Vlad Popescu (er hat die künstlerische Leitung übernommen), begonnen und 2019 kamen dann größere Projekte hinzu, wie Romanian Chamber Orchstra mit Maestro Cristian M˛celaru, mit dem wir Ende November auch unsere erste CD herausgebracht haben. 

Auch in der Pandemie und trotz Restriktionen, oder gerade wegen ihnen, haben wir auch andere Projekte speziell für eigenständige Musiker erarbeitet, um ihnen über die Runden helfen zu können, als ihre Einnahmen drastisch zurückgegangen sind und sie auch keine Möglichkeit mehr hatten vor Publikum aufzutreten. Wir sind ein tolles Team, sieben Leute, die jeden Tag dafür arbeiten, um erfolgreiche, schöne Ereignisse und Veranstaltungen zu organisieren.

Sie sitzen nun seit vier Monaten auf dem Stuhl des Managers einer der wichtigsten Kulturinstitutionen der Stadt Temeswar. Sie bekleiden dieses Amt interimistisch. Wie war der Start für Sie als Leiter der Temeswarer Banatul-Philharmonie?

Die Nominierung war und ist eine Ehre für mich, sie kam unerwartet, wenn ich mir das auch sehr gewünscht habe, aber ich hatte nicht gedacht, so bald mit so einer verantwortungsvollen Aufgabe in meiner Heimatstadt vertraut zu werden – beziehungsweise, dass einer meiner Träume, in einem so großen Haus mit so vielen Leuten zusammenarbeiten zu können, in Erfüllung geht. 

Aber es war auch eine natürliche Folge für mich, zumal ich die nötige Expertise in Musik und Musikmanagement mitbringe. Das Ensemble hat mich sehr freundlich empfangen, ich fühle mich hier angenommen und angekommen. Die vier Festivals, die wir in den letzten Wochen ausgerichtet haben, waren zwar ein Erbe meines Vorgängers und sie sind auch wichtig, es muss allerdings ein Konzept für jedes von Ihnen her und wir müssen uns auch ernsthaft überlegen, was die Mission und die Vision der Philharmonie ist, um eben für verschiedenste Musikveranstaltungen bekannt zu werden und uns gut auf dem Markt zu positionieren. Das Intrada-Festival soll etwa von nun an – wie in diesem Jahr – immer in memoriam Remus Georgescu organisiert werden, und junge Komponisten sollen eingeladen werden, Stücke für die Stadt zu schreiben.

Also haben Sie einige Veränderungen angestoßen. Was war Ihnen denn möglich und gestattet, an der Philharmonie nach eigenen Wünschen zu gestalten?

Mein Ziel war es zunächst, die ganze Lage zu stabilisieren. Zu den ersten Schritten hat also gehört, dass wir eine gute Planung bis zum Ende der Spielzeit aufgestellt haben. Es war mir wichtig, die Sichtbarkeit der Philharmonie und ihrer Veranstaltungen zu verbessern, wir haben deshalb jetzt einen Kommunikationsmanager und einen neuen Designer. 

Ich musste auch einige Prozesse standardisieren, Aktenwege, damit wir hier effizienter arbeiten und die Bürokratie etwas bändigen können. Aber unser Hauptbestreben ist es, konstant Publikum in den Saal zu bringen. In der Zwischenzeit haben wir ein neues Branding gemacht, wir haben ein neues Logo, das wir diese Woche präsentieren, also ein neues mediales Kleid für die Philharmonie geschaffen. Außerdem habe ich auch Programme mitbestimmt, wie beim Festival „Musikalisches Temeswar“, und ich versuche bei der Repertoirgestaltung eine hohe Qualität zu halten und gute Dirigenten und Solisten für Gastauftritte zu engagieren, so zum Beispiel Cosmin Morariu als Dirigent für die Silvesterkonzerte, bei denen als Solisten Mihaela Marcu und Florin Estefan (Oper Klausenburg) auftreten, oder Sergey Simakov aus Russland, der an diesem Freitag das Dollper 200-Jahre-Jubiläumskonzert mit János Bálint (Ungarn) und Vlad Alecsandru Colar als Flöte-Solisten aufführt.

Für 2023 haben wir bereits eine Partnerschaft mit dem WDR abgeschlossen, die dann für eine Woche nach Temeswar kommen. Außerdem habe ich die Beziehungen zu unserer Partnerstadt Gera gepflegt, und wir werden in Zusammenarbeit ein supergroßes Projekt im Kulturhauptstadtjahr durchführen. Und wir führen noch Gespräche, um eine Partnerschaft mit der Deutschen Philharmonie Rheinland-Pfalz abzuschließen, die ebenfalls 2023 hier auftreten wird. Das wären drei große Ensembles allein aus Deutschland, mit denen wir gemeinsam 2023 musizieren werden.

Vor etwas mehr als einem Monat haben Sie ein Probesingen für verschiedene Stellen in Chor und Orchester organisiert. Wie viele neue Ensemblemitglieder konnten Sie dadurch gewinnen?

In den ersten Monaten haben wir einige Beförderungen vorgenommen, die seit Jahren nicht mehr stattgefunden haben und längst fällig gewesen sind. Zudem gab es Probesingen und Probespielen für einjährige Zeitverträge, und wir haben nun 14 neue Kollegen, junge Musiker im Team, manche davon sogar vom rumänischen Jugendorchester, aus Klausenburg und Bukarest. Wir brauchen junges Blut und ich bin froh, sie für das Ensemble gewonnen zu haben. 

Inwiefern hat die Pandemie ihre Vorhaben beeinträchtigt?

Leider sehr stark: Zurzeit dürfen wir nur 30 Prozent unserer Saalkapazität besetzen. Außerdem haben die Leute immer noch Angst, zu Indoor-Veranstaltungen zu kommen. Aber wir sind geduldig und hoffen, dass sie bald verstehen, dass wir auch hier ein klares Hygienekonzept haben und die Ansteckungsgefahr beim Konzertbesuch minimal ist. Tatsächlich hatten wir auch einige Krankheitsfälle im Ensemble, aber wir haben die Zeit gut überstanden. Wir haben inzwischen bestimmte Abläufe festgelegt und unser Personal wird auch zweimal in der Woche getestet.

Am 21. Oktober waren es 150 Jahre seit der Gründung des Temeswarer Philharmonischen Vereins, am 8. Dezember 1871 hatte das erste symphonische Konzert stattgefunden. Ein großes Jubiläumskonzert, das ursprünglich für den Jahrestag geplant war, musste wegen der Corona-Pandemie inzwischen bereits zweimal verschoben werden. Wie und wann haben Sie vor, dieses Jubiläum zu begehen?

Wegen der vierten Corona-Welle mussten wir das Konzert verschieben. Vorgesehen war die Aufführung des Oratoriums „Die Könige in Israel“ von Franz Wilhelm Speer, was aber zu viele Leute gleichzeitig auf der Bühne vorausgesetzt hätte. Dr. Franz Metz sollte und wird dirigieren und die musikalische Leitung übernehmen, allerdings ist das Jubiläumskonzert auf April 2022 verschoben worden. Am 16. Dezember führen wir dafür das Requiem von Gabriel Fauré auf, in Gedenken für die Gefallenen der Revolution von 1989. 

In Zukunft wollen wir die Vorräume der Philharmonie, die ja ausgezeichnete Ausstellungsmöglichkeiten bieten, nutzen, um mittels Zeitdokumenten auch diese 150-jährige Geschichte zu dokumentieren, ein kleines Museum einzurichten. Denn ein Haus der Musik sollte auch einen Platz für seine Geschichte haben, gerade wenn es eine so ehrenvolle ist.