Die Welt von gestern mit Methoden von heute

Geschichtslehrerin Adriana Bălaj: Wie Professoren zu Mentoren werden

Adriana Bălaj möchte mehr als nur eine Lehrerin sein – sie will tatsächlich zur Bildung ihrer Schüler beitragen.

Die Geschichtslehrerin setzt in ihrem Unterricht außergewöhnliche Methoden ein und verbindet die Information mit digitalen Elementen. | Fotos: privat

2021 wurde die Lehrerin mit dem Merito-Preis für hervorragende rumänische Lehrkräfte ausgezeichnet.

Beim landesweiten Projekt „Educație la înălțime“ ist Adriana Bălaj eine der Lehrerinnen, die interdisziplinäre Informationen vor Ort vermittelt.

Geschichte ist mehr als eine Aneinanderreihung von Ereignissen und Daten. Geschichte kann Wissen durch Spaß bedeuten – davon ist die junge Temeswarer Geschichtslehrerin Adriana Bălaj fest überzeugt. Sie bringt die Digitalwelt ins Klassenzimmer und macht Geschichte für Schüler so attraktiver. Hitler, Stalin, Mussolini – sie alle sind Facebook-Freunde, doch Auseinandersetzungen und Meinungsunterschiede bringen ihre Freundschaft zum Scheitern. Sie entfreunden sich bei Facebook und so startet der „Krieg“. So hat die junge Lehrerin ihre Schüler beauftragt, die Problematik des Zweiten Weltkriegs und die historischen Figuren in die Gegenwart zu bringen. Die Schüler waren begeistert. 

Für ihre außergewöhnlichen und modernen Methoden, das Fach für Schüler attraktiv zu machen, wurde Adriana Bălaj (30) mit dem MERITO-Preis für rumänische Lehrer vergangenen Herbst ausgezeichnet. Adriana hat für Schüler und alle Neugierigen auch eine Facebookseite gegründet: „History Made Fun“ – dadurch zeigt sie allen, dass Geschichte Spaß machen kann. 

„Die MERITO-Auszeichnung sehe ich nicht als eine persönliche Anerkennung an. Ich sehe den Preis als eine Anerkennung einer Bildung mit Qualität, die für alle Schüler zugänglich gemacht werden kann. Das wollte ich eigentlich beweisen – dass alle Schüler das Recht zu einer guten Bildung haben. Vor allen Schülern, egal aus welchem Umfeld, müssen inte-ressierte und begeisterte Lehrer stehen und ihnen das Beste aus ihren Fächern vermitteln“, sagt Adriana Bălaj. Vor allem Schüler aus benachteiligten Kreisen müsse man für das Lernen begeistern: „Wenn wir ihnen nicht helfen, aus ihrem Kreis herauszutreten, wiederholt sich ihr prekäres Umfeld und sie kommen aus ihrer ‚Blase‘ nicht heraus.“

Gerade deswegen versucht die junge Lehrerin, ihren Stoff mit interessanten Materialien und Elementen zu gestalten. „Man muss den Schülern auf ihrem Niveau begegnen und versuchen, zu verstehen wie sie denken und was sie sich wünschen, so hat man die besten Ergebnisse“, fährt die Geschichtslehrerin fort. 

Ihre Schüler der Klassen 4 bis 8 von gleich zwei Schulen in Temeswar, der Allgemeinschule 1 sowie der privaten Babel-Schule, langweilen sich im Geschichtsunterricht nie. In den ersten Unterrichtsjahren als junge Lehrerin musste sie pendeln und unterrichtete Geschichte in jeweiligen Dörfer und Gemeinden im Verwaltungskreis Temesch/Timiș: darunter in ihrer Heimatortschaft Gertjanosch/Cărpiniș, aber auch in Ketscha/Checea, Großjetscha/Iecea Mare, Grabatz/Grabaț, Lenauheim, Fibisch/Fibiș, Giroda/Ghiroda, und an zahlreichen Stadtviertelschulen in Temeswar. 

Doch ihre Begeisterung für Unterricht und Bildungswesen hat sie nie aufgehalten, bei ihren Schülern, egal in welcher Schule und aus welcher Ortschaft, anzukommen. 

Spielerisch Informationen sammeln

Durch Quiz, Projekte, Portfolien, Wiederholungen und viele kreative Elemente wird den Schülern beigebracht, Geschichte – mit ihren vielen Daten und Ereignissen – zu verstehen, sich diese zu merken und vor allem sie zu lieben. „Meine Schüler befürchten nicht, dass ich sie eines Tages plötzlich abfrage oder einen Blitztest veranstalte – so im klassischen Sinne, wie wir es alle von unserer Zeit in der Schule kennen. Die Benotung erfolgt auf Basis einer komplexen Bewertung. Denn ich ziehe ihr gesamtes Engagement und ihre Aktivität in Betracht – es ist nicht so, dass jemand, der eine Frage nicht beantworten kann, gleich eine schlechte Note bekommt. Mein Ziel ist nicht, ihnen schlechte Noten zu geben und dass sie Angst vor mir bekommen, sondern sie zu motivieren“, sagt die junge Lehrerin. 

Das, was sie in der privaten Babel-Schule anwendet, wird auch für die klassische Schule angepasst. Manchmal wird interdisziplinärer Unterricht angeboten: Geschichte wird mit Geographie, aber auch mit Chemie und Physik in Verbindung gebracht.

„Eine gewisse Routine ist gesund, aber Monotonie tötet die Kreativität! Von dieser Idee gehe ich aus, wenn ich Lernaktivitäten entwerfe. In letzter Zeit habe ich so viele verschiedene Methoden ausgewählt, aber eine liegt mir sehr am Herzen: Ich habe sogenannte ‚Lernstationen‘ im Unterricht vorbereitet. Die Schüler arbeiteten dabei gleichzeitig zu viert und wechselten in einer bestimmten Zeit von einer Station zur anderen. Was sind das für Stationen? Auf einer Fläche aus zusammengerückten Tischen werden Materialien vorbereitet, jeder Schüler kann autonom arbeiten und von einem Tisch zum anderen wechseln, indem er bei jeder Station Halt macht. Die Schüler sind neugierig, mehr und mehr Infos auf jeder Station zu entdecken. Das Arbeitstempo ist unterschiedlich, aber deswegen haben wir noch eine ‚Backup‘-Station, wo die Schüler, die schneller sind, noch einen Zuschuss an Infos bekommen. Am Ende dieser Aktivität wird eine konzeptionelle Infokarte entstehen“, erzählt die Lehrerin. 

Der interdisziplinäre Unterricht ist auch Teil eines landesweiten Projekts – „Educație la înălțime“ (Bildung auf der Höhe). Dabei geht es um Unterrichtsstunden, die von verschiedenen historischen Orten aus im In- und Ausland abgehalten werden. Genauer: Die Unterrichtsstunden werden nach einem klaren Drehbuch aus der Drohne gefilmt und online live übertragen. Also, eine Art Dokumentarfilm in Echtzeit. 

Online-Stunden für alle

Adriana Bălaj machte bereits selbst bei mehreren solchen Online-Stunden mit. Sie übertrug sie direkt in die Klassenzimmer von Schülern in ganz Rumänien: aus der Festung der Daker in Sarmizegetusa oder vor der Törzburg/Schloss Bran. Sie war eine der beiden Professoren, die die erste Unterrichtsstunde aus dem Ausland streamte: aus der Türkei, von Troja. 

„Educație la înălțime“ hat übersetzt gleich zwei Bedeutungen: Bildung aus der Höhe bzw Bildung auf hohem Niveau. Das Pilotprojekt startete 2020 im Verwaltungskreis Hunedoara. Drei Schulen und ihre Lehrer aus dem ruralen Bereich sind online live in Verbindung mit Geschichts-, Erdkunde- und Biologielehrern aus Konstanza, Ulmet, Buzău und dem Fogarascher-Gebirge auf einer Höhe von 1700 Metern Meereshöhe getreten. Geschichte, geologische Formationen, aber auch die Abholzungsproblematik in den rumänischen Wäldern wurden dabei angesprochen. Sowohl die Schüler als auch ihre Lehrer waren vom Ergebnis begeistert. Über 2000 Klassen aus Rumänien und der Republik Moldau, mit Schülern zwischen 7 und 15 Jahren, haben die Drohnenübertragungen in der ersten Phase des Projekts erreicht. 

So wurde das Projekt 2021 fortgeführt und sogar in Partnerschaft mit der Abteilung für nachhaltige Entwicklung im Generalsekretariat der rumänischen Regierung und den Vereinen „Aspire Teachers“ und „Cartierul Creativ Carolina“ erweitert. 

Wie alles abläuft? „Stellen Sie sich eine besondere Unterrichtsstunde vor, in der die Schüler in einen großartigen Ort eintreten, von wo aus sie Live-Aufnahmen sehen, die mit einer Drohne übertragen werden. Dabei beantwortet ein begeisterter Lehrer ihre Fragen direkt aus dem Ort, den sie vor Augen haben“, erklärt Adriana Bălaj das Projekt.

Jede der acht wöchentlichen Lektionen 2021, immer donnerstags um 11 Uhr, wurde live von über 30.000 Schülern aus Schulen im ganzen Land besucht. Der Drohnenunterricht führte die Schüler ins Donaudelta, an die Stelle, wo die Donau ins Schwarze Meer mündet, in die Maramureș zur kleinsten Schule Rumäniens, auf den Gipfel des Bucegi-Gebirges, zur Gedenkstätte für die Opfer des Kommunismus in Sighetu Marmației, in einen Windpark in der Dobrudscha, in den Landkreis Fogarasch/Făgărăș, zum Mausoleum von Mărășești und in die verlassenen Gebiete Olteniens. 

Die letzte Lektion, 2021, fand Anfang Dezember in Troja statt und war somit die erste Unterrichtsstunde aus der Drohne außerhalb Rumäniens – eine Premiere. Die sogenannte „Lektion“ ist mittlerweile mit englischen Untertiteln versehen, so dass die Aufnahme auch für Schüler aus anderen Ländern geeignet ist. Alle Aufnahmen innerhalb des Projekts sind von der YouTube-Seite „Educatie la Inaltime“ des Projekts abrufbar.

Das Projekt wird nun in diesem Frühling fortgesetzt. Bei der ersten Stunde von „Educație la înălțime“ für 2022 wird Adriana aus Karlsburg/Alba Iulia am 24. März live übertragen. Auch diesmal geht es dabei um Geschichte, aber auch um aktuelle Themen.

Damit Schulen und jeweilige Klassen mit ihren Lehrern live teilnehmen und direkte Fragen stellen können, ist eine Anmeldung auf der Webseite www.educatielainaltime.ro erforderlich. Die angemeldeten Klassen und Schulen erhalten im Vorhinein per E-Mail Informationen über die nächsten Unterrichtsstunden, Materialien zur Unterrichtsvorbereitung, Informationen über die vom Projektteam organisierten Wettbewerbe etc. Schulen und Klassen, die die Übertragungen nur live verfolgen wollen, ohne interaktiven Kontakt, können das von der Facebookseite des Projekts aus.