In der Politik und in der Justiz wird dir jedes Wort im Mund umgedreht und potenziell zur Waffe gegen dich. Das hat Mister Donald Unberechenbar, gerade Präsident der USA, verinnerlicht. Er verweigerte am vergangenen Sonntag, mittels eines Briefs seines Rechtsberaters Pat Cippolone an den (demokratischen) Ausschussvorsitzenden Jerrod Nadler, sein Erscheinen vor dem Justizausschuss des US-Repräsentantenhauses.
Nadler hatte dem US-Präsidenten ein Angebot gemacht, das mit einer kaum verborgenen Drohung ausklang: Trump möge sich am gestrigen Mittwoch vor dem Justizausschuss des Repräsentantenhauses zu den bisherigen Vorwürfen in der Ukraine-Affäre äußern; oder er möge einen Rechtsanwalt seines Vertrauens beauftragen; und schließlich, falls er beide Alternativen ablehne, solle er wenigstens „aufhören, sich über den Prozess zu beschweren“. Mister Donald Unberechenbar wählte einen vierten Weg: Den Brief seines Rechtsberaters Cipollone, der über Reuters als offizielle Antwort des Weißen Hauses publik wurde. In einem Satz: Es wurde kein rechtlicher Vertreter des Präsidenten zu den Anhörungen am gestrigen Mittwoch entsendet.
Pat Cipollone argumentiert im Schreiben an Jerrod Nadler jämmerlich-populistisch: Es sei unmöglich, von Trumps Team „fairerweise zu erwarten, an einer Anhörung teilzunehmen, wenn Zeugen noch nicht benannt sind und es weiterhin unklar ist, ob der Justizausschuss dem Präsidenten durch weitere Anhörungen ein faires Verfahren ermöglichen wird.“ Zweimal „fair“, ein Wort und ein Wortsinn, der im Weißen Haus während dem Trumpismus ungeläufig wurde (man denke an die Wirtschaftspolitik der Trump-Administration und an ihre Einstellung zur NATO…). Andrerseits, wenn man Wortwahl und -sinn der zitierten Aussage unter die Lupe nimmt: Wie gerecht kann ein politisch motiviertes Rechtsverfahren in den USA sein, wenn ein Präsident – vorausgesetzt, er ist so unschuldig, wie er tut – sich vor einem Rechtsverfahren derart drückt? Man denke auch an seine Weigerung, die fiskalischen Belege für die Besteuerung seines Einkommens offenzulegen.
Und all das in einem Kontext, der es immer unwahrscheinlicher scheinen lässt, dass Donald Trump sich einem Amtsenthebungs-Verfahren stellen wird müssen – da bisher weder das von den gegnerischen Demokraten dominierte Repräsentantenhaus sich über die Ergebnisse der zahlreichen Untersuchungen in der Ukraine-Affäre geäußert hat, noch der von Trump-Freunden und -Verteidigern dominierte US-Senat, der mit hoher Sicherheit gegen ein Amtsenthebungsverfahren stimmen wird.
Wie bekannt, geht es um ein Telefonat des US-Präsidenten mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyi am 25. Juli, in dem Donald T. den Schauspieler Selenskyi drängte, gegen den Präsidentschaftskandidaten der Demokraten, Joe Biden, und dessen Sohn Hunter ein Korruptionsverfahren anzukündigen, von dem Trump eine versprochene Militärhilfe von 400 Millionen US-Dollar abhängig zu machen suggerierte.
Ins Rollen kam der Fall durch einen Whistleblower, und viele der Zeugen, die bislang vor die Ausschüsse des Repräsentantenhauses vorgeladen waren (Alexander Vindman, Fiona Hill, Gordon Sondland, John Bolton, Masha Yovanovich u. a.), belasteten Trump schwer – dessen einzige Reaktion darauf waren Twitter-Meldungen voller persönlicher Verunglimpfungen und Drohungen gegen sie. Einer, der sich offenbar von Trumps Vorgehen distanziert hatte, war sein vormaliger Nationaler Sicherheitsberater John Bolton, der ein Treffen von US-Botschafter Sondland mit Vertretern der Ukraine wegen eines „unzulässigen Arrangements“ brüsk abbrach (so Fiona Hill, Ex-Mitglied im US-Sicherheitsrat, spezialisiert auf Europa und Russland). Bolton wies Hill an, den Chefjuristen des US-Sicherheitsrats zu informieren, dass er nicht Teil des „Drogendeals“ von Rudy Giuliani (Trumps persönlichem Anwalt) und Stabschef Mick Mulvaney sein wolle.