Expedition auf den Spuren der Daker (Teil I)

Einblicke in das Leben zu Decebals Zeiten

Daker „Daus” führte durch die Ausstellung und berichtet interessante Details aus dem Alltag seiner Vorfahren. Fotos: George Dumitriu

Von diesem Felsen in Bani]a verteidigten die Daker ihr Land

Der Hirtenhund nimmt ein Bad in den Blätterhaufen zwischen den Mauerresten

Eingang zur Dakerfestung Piatra Ro{ie

Dakerausstellung in Deva

Im Museum für dakische und romanische Zivilisation in Deva fand vom 11. April bis 15. Mai die Ausstellung "Kunst und Handwerk in der Zeit des dakischen Königreichs: Keramik" statt. Danach wurde sie ins Ethnografiemuseum nach Brad verlegt, wo sie noch bis Ende des Jahres zu sehen ist.

Am Eingang der Ausstellung werden die Besucher stilgerecht von Daker "Daus", in Schlabberhosen aus Hanf, Dolchgürtel, halblangem Haar und dem obligaten Barbarenbart begrüßt. Im wirklichen Leben heißt er Marius Barba, ist Archäologe und stellvertretender Leiter der Vereinigung Terra Dacica Aeterna, einer Organisation, deren Mitglieder sich hobbymäßig mit dem Nachstellen des Alltags der Daker befassen. Mit "Daus" kommt Leben in die Austellung, die vorwiegend aus Scherben und Tongefäßen besteht.

Einblick ins Leben der Daker

Wir erfahren, dass die Daker beim Essen am Boden hockten und sich aus einer gemeinsamen Schale mit hohem Fuß bedienten, deren Größe sich proportional zur Anzahl der Familienmitglieder verhält. Wasser wurde in schmuckloser Krügen mit vier Knöpfen zum Hochheben aufbewahrt - im Gegensatz zu den edleren Flüssigkeiten wie trübes Bier oder Wein, die in verzierten Gefäßen gereicht wurden. Scherben von Kultgefäßen zeigen gar farbige Muster, astronomische Motive oder Räder mit Speichen - wohl der steinernen Sonnenscheibe aus der Kultstätte von Sarmizegetusa nachempfunden. Seltener sind zoomorphe Darstellungen und buchstabenähnliche Symbole, zum Beispiel ein immer wieder auftauchendes Motiv, das wie ein großes "M" aussieht. Aus der Zeit von Decebal – der eigentlich Diurpaneus hieß und erst später den Beinamen "der Starke" (Decebalus) annahm – wurde gar eine überdimensionale Kultschale gefunden, auf der in lateinischer  Spiegelschrift geschrieben steht "Decebalus per Scorilo" (Decebal, Sohn von Scorilo). Nur zwei auf diese Art bestempelte Gefäße hat man bisher entdeckt. Offenbar war das Anbringen von Schriftzeichen auf Ton eher unüblich. Angeblich verwendeten die Daker als Schriftträger flache Baumschwämme, die leicht und gut ritzbar sind. Kein Wunder also, dass sich kaum Belege für eine dakische Schrift finden, was nicht bedeutet, dass es keine gab - unsere heutige Amtskorrespondenz findet ja auch nicht auf Tontöpfen statt. Immerhin hatte Decebal ein kompliziertes Staatssystem, mit Ministern und internationalen Beziehungen, die sicher auch Fremdsprachenkenntnisse voraussetzten.

Wir löchern unseren Daker mit Fragen, der kompetent und geduldig Rede und Antwort steht. Dann erklärt "Daus" eine nachgebildete Kochstelle: die Tonplatte wurde im Feuer erhitzt, herausgenommen und mit glühenden Kohlen umgeben. Darauf liegt eine typische Dakermahlzeit – Fladenbrot, Linseneintopf, Hirsebrei, Knoblauch und Zwiebeln. Neben dem Schlemmermenü steht eine Tonschale mit flüssigem Schweinefett, in der mehrere brennende Dochte aus Hanf schwimmen.  Käse, Senf und Spinat standen ebenfalls auf Decebals Speisekarte. Auch Rind- und Schweinefleisch wurde verzehrt, jedoch nur von älteren Tieren. Die Daker gerbten Leder und fertigten Kleidung aus Hanf - Wolle hingegen galt als Kostbarkeit und wurde nur für die gehäkelten Zipfelmützen der Aristokraten verwendet! Tonware, von Hand oder auf Töpferscheiben geformt und mit über 1000 Grad gebrannt, muss für den Normalbürger recht teuer gewesen sein, denn offenbar lohnte es sich, zerbrochene Gefäße mit Tiersehnen zu flicken. Ein großes Wandbild zeigt die Daker als Bürger, die in primitiven Holzhütten lebten, im Freien kochten und ihre Schlafstelle mit heißen Steinen heizten. Nur Adelige wohnten in mit Steinfundament erhöhten Holzhäusern und mit Balkon im Eingangsbereich, zur Beaufsichtigung des Volkes. Exakt dieselbe Konstruktion kann man noch heute in abgelegten Bergdörfern um Ha]eg antreffen! Im letzten Ausstellungsraum befindet sich eine kleine Werkstatt, in der Kinder nach der Schule Gefäße aus Ton im Stil der Daker nachmodellieren und ausstellen können.

Experimentelle Archäologie – ein neuer Freizeitspaß

Wer nun Lust bekommen hat, den Alltag der Daker hautnah mitzuerleben, kann sich der Terra Dacica Aeterna (www.terradacica.ro) anschließen oder ihren Aufführungen beiwohnen. Die Mitglieder kleiden sich in historische Kostüme, organisieren Sommerlager mit handwerklichen Aktivitäten und Reenactment-Spektakel. Experimentelle Archäologie nennt man den fachkundig betreuten Freizeitspaß. In der "Noaptea Muzeelor" (Nacht der Museen, 14./15. Mai auf nationalem Niveau) kann man die selbsternannten Daker in Deva und Baia Mare antreffen. Vom 27.-29. Mai nehmen sie am internationalen Festival für Reenactment, "Eagle on the Danube", in Shishtov, Bulgarien teil.

Aufbruch zur Dakerfestung Piatra Ro{ie

Nun haben wir Blut geleckt und machen uns auf, die originalen Stätten der Daker zu erkunden. Von Deva geht es auf der DN7 nach Cal?n, dann Richung Ora{ul Nou, Streisangeorgiu – Bo{orod - Luncani zu unserem ersten Ziel, der Festung von Piatra Ro{ie. Hinter Luncani erreichen wir eine Brücke, wo ein Schild links nach Piatra Ro{ie weist. Es stellt sich leider als falsch heraus! Wir landen in einem Bergdorf namens Alun, kehren um und kämpfen uns mit dem Geländewagen die serpentinenreiche Dreckstraße hinauf, die sich bei Regen in eine Schlammrutsche verwandelt. Dann führt ein kurzer Fußweg steil den Berg hinan, dessen rotes Gestein dem Ort seinen Namen gab. Unterwegs begrüßt uns ein riesiger Zottelhund stürmisch und geleitet uns nach oben. Reste einer steingepflasterten Dakerstraße führen zum Plateau mit der Festung. Über den Hang ergießen sich bemooste Steinquader, als hätte Xamolxes eine Handvoll Würfel verschüttet. Oben angekommen, liefert der Hirtenhund ein filmreifes Spektakel: er stürzt sich freudig in die mit Blättern gefüllten Räume zwischen den Mauerresten, taucht unter, wirbelt herum und nimmt ein stürmisches Bad. Vom Rand des Plateaus bietet sich ein spektakulärer Ausblick auf Berge und Täler. Von hier aus haben die Daker einst ihr Land verteidigt! Heute krallen sich Wurzeln uralter Bäume an behauenen Quadern fest. Da und dort noch eine intakte "murus dacicus", mit den typischen, viereckigen Löchern zum Verankern von Holzbalken, aus denen jetzt Veilchen wachsen.

Wilde Felsformationen in Bani]a

Als nächstes fahren wir von Ha]eg in Richtung Petro{ani und biegen in Bani]a hinter einer aufgelassenen Tankstelle links ein. Auf dem schroffen Felsen vor uns soll – kaum zu glauben - eine Dakerfestung liegen! Einheimische versichern uns, es gibt keinen Weg, auch wenn man manchmal ein paar Verrückte nach oben klettern sieht. Ein alter Mann rät, den Hügel von der weniger steilen Rückseite zu besteigen. Wir horchen an den Schienen, rennen durch den Eisenbahntunnel und gelangen an einen Bach. Mit Kamera und Objektiven schwer beladen, kämpfen wir uns tapfer bergauf. Auf einmal tut sich ein atemberaubender Anblick auf: wir schauen direkt in den Schlund einer abgrundtiefen Schlucht! Unter unseren Füßen schimmert dunkel der Bach, der sich um das sonnige, mit Primeln und Leberblümchen übersäte Plateau windet. Vor uns eine ausgewaschene Felswand, die sich wie ein Dach über unsere Köpfe wölbt. Ob dieses Anblicks brauchen wir keine "murus dacicus" mehr! Wir erklären den Felsen für unbezwingbar - erfahren allerdings später, dass es auf der steilen, der Straße zugewandten Seite doch einen Klettersteig gibt. Fazit: wer Mauerreste sehen will, sollte sich lieber an die anderen Festungen halten. Bani]a hingegen ist wegen seiner überwältigenden Felsformationen ein reizvolles Ziel!

Dakerfestungen, die wie diese beiden zum UNESCO-Weltkulturerbe gehören, befinden sich auch bei Capâlna, Coste{ti-Blidaru, Ceta]uie-Coste{ti und Sarmizegetusa Regia - der am besten erhaltenen, mit einem Heiligtum aus kalendarischen Steinkreisen, Sonnenscheibe, Kanalsystemen und mehr. Sie alle liegen auf schwer zugänglichen, strategisch günstigen Plateaus mit malerischem Ausblick auf die umliegenden Berge und Täler. Dort wird einem klar, warum die Daker keine expansiven Eroberungsfeldzüge unternahmen. Was will man mehr, wenn man schon mitten im Paradies sitzt?