„Für die Menschen ist nicht die Nationalität wichtig, sondern was man für die Gemeinde tut“

Gespräch mit Gheorghe Gyákon, Bürgermeister der Gemeinde Turterebesch

Gheorghe-Nicolae Gyákon, Bürgermeister von Turterebesch. | Foto: Gemeindeamt Turterebesch

Die Gemeinde Turterebesch/Turulung liegt am Fluss Tur im Kreis Sathmar und besteht aus drei Siedlungen: Turterebesch, Weinberg Turterebesch/Turulung Vii und Kleinterebesch (Drăgușeni). Das Präfix seines Namens bezieht sich auf den Fluss Tur, der durch die Siedlung fließt. Die ersten Daten zur Siedlung stammen aus dem Jahr 1216. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts war die Landbevölkerung stark zurückgegangen, und Baron Károly Perényi siedelte Schwaben ins Dorf. Bekannt ist die Gemeinde aufgrund der drei Bischöfe der römisch-katholischen Kirche, die aus Turterebesch stammen. 1990 wurde Paul Reizer Bischof der römisch-katholischen Diözese Sathmar und sein Nachfolger wurde der jetzige Bischof Eugen Schönberger. Aus der Gemeinde stammt auch Ferenc Cserháti, der 2007 Weihbischof der Erzdiözese Esztergom-Budapest wurde. Im Jahr 2006 wurde am Fuße der Brücke zu Ehren des heiligen Johannes von Nepomuk eine kreisförmige Kapelle errichtet, eine Nachbildung der alten Kapelle. Der Bau wurde von in Deutschland lebenden Schwaben und dem Bürgermeisteramt finanziert.
Der gebürtige Turterebescher Gheorghe Gyákon ist einer der vier Bürgermeister im Kreis Sathmar, der für das Demokratische Forum der Deutschen für das Amt kandidierte. Erfahrungen konnte er in diesem Bereich bereits zwischen 2000 und 2004 sammeln, als er als stellvertretender Bürgermeister in Turterebesch arbeitete. Nach dieser Amtsperiode leitete Gyakon ein Chemikaliengeschäft in der Gemeinde, und erst 2012 kehrte er wieder in das öffentliche Leben zurück. Seit den letzten Kommunalwahlen nimmt er als Bürgermeister der Gemeinde Turterebesch sein drittes Mandat wahr. Darüber, wie er mit der Politik in Verbindung kam, was ihm gemeinsam mit seinem Team bereit gelungen ist zu verwirklichen und welche Vorhaben er im neuen Mandat hat, sprach Gabriela Rist mit dem Bürgermeister aus Turterebesch. 

Sie sind einer der vier schwäbischen Bürgermeister des Kreises Sathmar. Wie sind Sie mit der Politik in Verbindung gekommen und was motivierte Sie, seitens des Deutschen Forums zu kandidieren?
Ich betrachte mich selbst nicht als Politiker, aber auch, wenn ich das nicht mag, bin ich gewollt oder ungewollt in Verbindung mit der Politik. Davor war ich in der Privatwirtschaft tätig und wollte eigentlich gar nicht Bürgermeister werden. 
Das Forum hatte ab 1990 immer zwei Mitglieder im Gemeinderat, und viele Menschen haben mich deswegen angesprochen. Anfangs hat das mich gar nicht interessiert, aber nachdem ich gesehen habe, dass so viele Menschen Vertrauen in mich haben, habe  ich in letzter Minute zugesagt. 

Wie war es bei den letzten Wahlen? Wie viele Menschen haben für Sie gestimmt und was denken Sie, warum sie gewonnen haben?
Bei den letzten Kommunalwahlen haben fast 800 Menschen für mich gestimmt. Die Gemeinde Turterebesch hat zusammen mit den dazugehörigen zwei Dörfern Weinberg Turterebesch und Kleinterebesch 3600 Einwohner. Kandidaten stellten außer dem Deutschen Forum die National-Liberale Partei, die Sozial-Demokraten und der Ungarnverband. 
Die Leute kennen sich untereinander. Es gibt viele, die auf politischer Ebene nur für die Partei stimmen, der sie angehören, aber es gibt auch eine Menge Leute, die nur interessiert, wer bisher was getan hat – egal, ob es sich um einen Ungarn, einen Rumänen oder einen Schwaben handelt. Wichtig ist für sie, was jemand für die Gemeinde getan hat und auch in Zukunft tun wird. Ich kenne alle drei Siedlungen sehr gut, kenne jeden Menschen beim Namen, sogar die Kinder. 

Wenn sie auf Ihre Mandate zurückschauen, was konnten Sie in dieser Zeit verwirklichen? Worauf sind Sie besonders stolz?
Das Trinkwassernetz wurde in Kleinterebesch und in Turterebesch fertig ausgebaut. Beide Siedlungen sind durch eine Trinkwasserleitung verbunden, jeder kann sich an diese anschließen. In allen drei Siedlungen haben wir je einen Rasensportplatz, in Turterebesch gibt es daneben auch einen Spielplatz. 
Wir haben circa 80 Kilometer Feldstraße in Turterebesch, von denen bereits rund 60 Kilometer befahrbar sind. Wir hoffen, dass wir dieses und nächstes Jahr den fehlenden Teil auch für Kleinautos befahrbar machen können. Um die Instandhaltung dieser Straßen zu erleichtern, haben wir einen großen 14-Tonnen-Straßenschaber beschaffen. Das Gebäude der ehemaligen Bäckerei haben wir gekauft und abgerissen und für den Hochzeitssaal einen Parkplatz gebaut. Der Hochzeitssaal selbst wurde modernisiert und mit einer Klimaanlage ausgestattet, so ist er für jede Veranstaltung mit bis zu 300 Personen geeignet. Die Küche wurde modern ausgestattet, es gibt fließendes Wasser. 
Wir haben sogar ein weiteres Gebäude neben der ehemaligen Apotheke gekauft, das derzeit renoviert wird, wir möchten dort ein Einwohnermeldeamt einrichten, damit die Leute nicht nach Livada fahren müssen, um ihre Unterlagen zu erhalten. Wenn das Wetter es zulässt, wollen wir noch ein paar Kilometer Straßen asphaltieren. Die öffentliche Beschaffung wurde dafür bereits durchgeführt. Im Frühjahr möchten wir einige Kilometer Asphaltstraßen reparieren und haben außerdem bei der Nationalen Investitionsgesellschaft CNI (Compania Na]ional² de Investi]ii) ein Projekt für die Asphaltierung der Straßen aller drei Siedlungen eingereicht. Im Entwicklungsministerium (Ministerul Dezvolt²rii Rurale) haben wir die Finanzierung für zwei Projekte erhalten – eine der Arbeiten hat bereits mit der vollständigen Renovierung des Arztpraxisgebäudes begonnen, das heißt mit dem Außen- und Innenputz und der Zentralheizung. So können die Ärzte in einer zivilisierten Umgebung ihre Sprechstunden halten. 

Ein anderes Projekt, das wir in Angriff genommen haben, ist der Bau einer neuen Brücke, die Turterebesch und Weinberg Turterebesch über den Bach Turt verbinden wird. Leider haben wir hier ein Problem, denn bis wir alle Genehmigungen erhalten haben, ist der Bebauungsplan abgelaufen, so dass wir alles von vorne anfangen müssen. Wir hoffen, bis zum Frühjahr alle Genehmigungen zu erhalten und dann mit den Arbeiten beginnen zu können. 
Ich möchte noch ein paar Worte über die Kanalisierung sagen: Wir sind zusammen mit den Gemeinden Halmeu und Porumbe{ti an einem Großprojekt beteiligt, das über die Sathmarer Wasserversorgungsfirma Apaserv laufen wird. Wenn alles gut geht, werden die Arbeiten im Sommer beginnen. Die Kläranlage wird bei uns gebaut, wir haben dafür ein Grundstück gekauft. Es ist zu hoffen, dass auch diese Arbeiten im Sommer beginnen. Es gibt also genügend Arbeit, und in diesem Sommer wird Turterebesch wie eine Baustelle aussehen. 

Hat die Gemeinde auch EU-Projektgelder erhalten?
Ja, es gab ein Projekt, das wir durch die Mikroregion Someș Codru (GAL) für die Beschaffung eines Baggerladers eingereicht haben. Außerdem sind wir Mitglied der FLAG, einer Organisation, die für die Fischzucht wirbt. Mit Hilfe dieser Organisation haben wir ein Projekt gewonnen: In Turterebesch gibt es einen See, Glajni-Grube genannt. 
Im Rahmen des Projektes planen wir, den See zu säubern und das Ufer in Ordnung zu bringen. Da kann man eine Promenade mit Stegen und ein paar Booten anlegen, und in einer Laube kann man dann die Fischgerichte servieren. Ein weiteres EU-Projekt, das zur Zeit ausgewertet wird, besteht in der Beschaffung von Computern und Tablets für die Schulen sowie von Hygienemitteln für den Kampf gegen die Pandemie. 

Wie funktioniert die Schule während der Pandemie? Gab es Schwierigkeiten mit dem Online-Unterricht?
Es gab Schwierigkeiten für diejenigen, die in einer benachteiligten Lage sind, nicht alle können sich etwa Internet leisten. Für die Unterstützung der Kinder, die aus sozial benachteiligten Familien stammen, veranstaltete die Organisation Caritas vormittags Programme und Nachmittagsbetreuung, wenn es Präsenzunterricht gibt. 
Es gibt zwei Gebäude, wo die Programme der Caritas gestaltet werden. Das Bürgermeisteramt hat für diese Gebäude das Grundstück zur Verfügung gestellt. Ich finde persönlich den Präsenzunterricht besser. Die Gemeinschaft entwickelt sich besser und die Kinder schenken einander mehr Aufmerksamkeit.

In Turterebesch ist das Deutsche Forum ziemlich aktiv, es gibt sechs Mitglieder im Gemeinderat, auch der stellvertretende Bürgermeister ist Mitglied des Deutschen Forums. Welche Rolle spielt das Forum im kulturellen und gemeinschaftlichen Leben der Gemeinde?
Die Pflege und Weitergabe der schwäbischen Traditionen ist für uns sehr wichtig, auch gedenken wir jedes Jahr den 89 ehemaligen Russlanddeportierten der Gemeinde. Es gibt im Zentralpark ein Denkmal mit den Namen der im Ersten und Zweiten Weltkrieg gefallenen Soldaten, der Russlanddeportierten und der Opfer des Holocaust. 
Jährlich feiern wir den Deutschen Kulturtag. Dazu laden wir mehrere kulturelle Gruppen ein und es werden spezifische schwäbische Gerichte zubereitet. Daneben werden kleinere Veranstaltungen organisiert. Im Gebäude des Deutschen Forums treffen sich oft die Mitglieder der deutschen Gemeinschaft, hier finden die Proben der Volkstanzgruppe statt. Ich gehöre auch zu den Gründungsmitgliedern und mache immer noch gerne bei den Auftritten mit. 
Die kulinarischen Traditionen werden auch weitergeführt, denn wir haben eine Gruppe von Damen, die jedes Jahr beim Strudlifest in Sathmar mitmachen und bei verschiedenen Veranstaltungen des Deutschen Forums Turterebesch auf Kreisebene vertreten. Leider konnten wir im Vorjahr und heuer wegen der Pandemie keine größere Veranstaltungen organisieren. In kleinen Gruppen treffen sich jedoch die Forumsmitglieder im Sitz des Forums. Natürlich werden die Vorschriften streng eingehalten. Hoffentlich können wir im Herbst den Deutschen Kulturtag wieder veranstalten.

Wie lauten Ihre Pläne für die Zukunft?
Nach Finanzierungsmöglichkeiten suchen wir zurzeit für Kleinterebesch, wir möchten die Kanalisation ausbauen. Fast alle Genehmigungen haben wir gesammelt, die Vorstudien wurden auch durchgeführt. Mit staatlicher Finanzierung möchten wir in Turterebesch die Erdgasleitung verlegen lassen. Das Projekt haben wir mit mehreren Ortschaften zusammen eingereicht. Am Ende der nächsten vier Jahre soll die Gemeinde Erdgasnetz, Wasserleitung und Kanalisation haben, damit die Menschen Lebensbedingungen wie die Stadtbewohner haben können. In diesem Hinsicht bin ich optimistisch, denn es gibt ein Team, auf das wir bauen können. 

Vielen Dank für das Gespräch!