Gemeinsam das Gastland entdecken

Der Deutschsprachige Kulturkreis Bukarest – soziales Netz und Plattform für Erfahrungsaustausch

Neben den Interviewpartnerinnen engagieren sich Olga Kinas, Ulrike Werner, Edith Ess-Morsch und Tanja Hamker (hier beim Besuch des Goethe-Instituts, v. li.) für den DKKB. Erwähnenswert ist auch das Engagement der nicht abgebildeten Mitglieder Sigrun Schmuck, Ivonne Stoeffel, Silvia Wenzl, Silvia Muchan, Margareta Vlad und Gertrude

Sie reisen in ein fremdes Land. Sie werden mit einer fremden Sprache konfrontiert und in einen neuen Kulturkreis hineingeworfen. Niemand nimmt sie an die Hand und zeigt ihnen ihren neuen Wirkungskreis, keiner strukturiert ihren Tagesablauf, wie sich dies bei einem neuen Arbeitsplatz automatisch ergibt. Die mitreisenden Ehefrauen der ins Ausland versetzten Firmenangehörigen, Instituts- oder Botschaftsmitglieder sind in der Fremde erst mal auf sich alleine gestellt. Ein eingespielter Tagesablauf, Freunde und Hobbykreise, oft auch ein eigener Beruf, bleiben im alten Leben zurück. Nun ist für ein paar Jahre Zurückstecken angesagt.

In dieser Situation hilft es, wenn man Gleichgesinnte trifft, die mit dieser Situation bereits vertraut und im Umgang mit der neuen „Wahlheimat auf Zeit“ versiert sind. Ein soziales Netzwerk dieser Art bildet der Deutschsprachige Kulturkreis Bukarest (DKKB) – mit Betonung auf „-sprachig“, wie die Tirolerin Beatrix Lechner insistiert. Gegründet wurde der Kreis 2004 von Monique Gruber, der Ehefrau des damaligen deutschen Botschafters Wilfried Gruber. Auch wenn bis jetzt nur Frauen Mitglieder sind, so steht er natürlich auch Männern offen.

Blick über den Tellerrand

Die etwa 30 Frauen des DKKB begreifen ihre Präsenz im Gastland als einmalige Chance, gemeinsam gezielt über den Tellerrand zu blicken. So werden neben Treffen mit sozialem Charakter, Ausflügen und Besuchen kultureller Ereignisse auch informative Exkursionen zu Firmen und Institutionen organisiert, „an die man anders wohl nicht rankäme“, wie Kerstin Neuhäuser formuliert. Die burschikose Deutsche lebt seit zweieinhalb Jahren in Bukarest.

„Viel zu kurz, um sich ein umfassendes Bild von Rumänien und den Rumänen zu machen“, bekennt sie und fügt an: „Da hilft vor allem am Anfang der Austausch mit denen, die schon länger hier sind“. „...oder auch mit den Rumänen, die vieles aus ihrer Warte erklären können“, ergänzt Beatrix Lechner, die seit dreieinhalb Jahren im Land ist.
Warum leben die Menschen hier so? Wie ist ihre Geschichte? Dies sind die typischen Fragen, mit denen sich die Frauen auseinandersetzen.

Das Bedürfnis zu Geben

Neben dem „Verstehen wollen“ gibt es aber noch einen wichtigen Aspekt: das „Geben-Wollen“. Weil die Frauen sich persönlich einbringen möchten, „etwas von der eigenen Kraft geben“, wie Kerstin Neuhäuser es ausdrückt, unterstützt der DKKB mit seinen Aktivitäten auch karitative Projekte.

Der Erlös des jährlichen Weihnachtsbasars zum Beispiel, der dieses Jahr am ersten Adventssonntag, am 27. November, von 11 bis 15 Uhr im Crowna Plaza Hotel stattfindet, kommt der Altenhilfe Bukarest zugute, während die Einnahmen aus der Tombola an Health Aid Romania gehen. Hierfür treffen sich die Frauen, wann immer sie Zeit und Lust haben, im Haus von Carla Kraft und basteln Weihnachtsdekor, verschönern Holzobjekte mit Serviettentechnik, binden Adventskränze oder rollen Bienenwachskerzen.

So werden gleich mehrere Fliegen mit einer Klappe erschlagen: die Freude am gemeinsamen kreativen Schaffen, der soziale Zweck, aber auch die Chance zu zeigen, wie man im deutschsprachigen Raum Weihnachten feiert. Die Organisationen, denen der Erlös zugute kommt, wurden mit Bedacht ausgewählt. Die Altenhilfe Bukarest wird von Heike Meier geführt und soll bedürftigen Rentnern helfen, mit Essen oder Heizmaterial über den Winter zu kommen. Auch Petra Wolf, die sich bei Health Aid Romania mit persönlichem Einsatz stark engagiert, ist den DKKB-Mitgliedern gut bekannt. Sie haben Vertrauen, dass ihre Spenden wirklich ankommen.

Flexibel, persönlich und unbürokratisch

Was steht nun im Vordergrund des Deutschsprachigen Kulturkreises? „Das liegt ganz bei den Interessen der Mitglieder“, meint Beatrix Lechner. Der DKKB ist kein Verein, hat kein festes Programm, keinen Vorstand und keine bürokratische oder hierarchische Struktur. Von alleine hat sich ein „harter Kern“ herauskristallisiert, der sich organisatorisch stärker einbringt, andere wiederum nehmen nur gelegentliche Kulturangebote wahr.

Vorschläge für gemeinsame Aktivitäten können von jedem eingebracht werden. Wer Mitglied werden möchte, meldet sich einfach per E-Mail an (siehe dkkb.eu). „Vielleicht bekommen wir demnächst sogar einen Mann dazu“, freut sich Beatrix Lechner und lächelt verschmitzt. Berufstätige Männer treffen sich meist in anderen Kreisen, während mitreisende Ehemänner, die sich um den Haushalt kümmern, immer noch die (löbliche!) Ausnahme sind.

Kritischer Blick aufs Gastland

Was für ein Rumänienbild vermittelt man Neuankömmlingen, die entweder mit den gängigen Vorurteilen beladen sind oder sich lieber gar keine Erwartungen erlauben, weil die Grenze des Vorstellungsvermögens bei Osteuropa bisher Halt machte?

Sicherheit ist da ein wichtiges Thema. Als Kerstin Neuhäuser in ihrem früheren Umfeld den bevorstehenden Auslandsaufenthalt ankündigte, reagierten viele entsetzt. „Du hast Mut!“ meinten die einen. „Das würd ich nie machen!“ bekannten andere offen. Doch sie fühlt sich hier sicher –  sowohl in Bukarest, als auch bei Überlandfahrten alleine mit den Kindern. Beatrix Lechner pflichtet ihr bei. Für sie war außerdem die Höflichkeit der Rumänen überraschend. Jemandem die Tür aufhalten, aus dem Bus helfen – das findet man kaum noch anderswo.

Einiges kann man aber auch nicht interpretieren. Kerstin Neuhäuser schmunzelt über das Erstaunen der Nachbarn, als sie ihren Rasen selber mähte. So was tut hier der Hausmeister, der Fahrer, die Nanny! Die Freude, selbst Geschaffenes eigenhändig und mit Liebe zu pflegen, kennt man hier nicht. Amüsiert beobachtete sie, dass manche sogar zum sonntäglichen Grillen jemanden anstellen. „Wir würden nie auf die Idee kommen, privat grillen zu lassen!“ Man muss sich nicht schämen, etwas selbst zu machen, darin stimmen die Frauen überein.

Heimliche Botschafterinnen für Rumänien

Auch wenn manche Dinge gewöhnungsbedürftig sind, das in Westeuropa gängige, schlechte Rumänienbild teilen sie nicht. Zudem stimmt es nicht, dass sich hier nichts bewegt. „Man muss auch das Positive sehen“, meint Beatrix Lechner, die  beeindruckt ist vom modernen Flughafen in Otopeni oder von der Infrastruktur an Skipisten und Loipen in den nahen Bergen.

„Bei Poiana Braşov wird ein ganzes Bergplateau umgebaut, total professionell, das muss erst mal einer nachmachen“, schwärmt sie. Kerstin Neuhäuser lobt die „Einfachheit mit Niveau“ im Donaudelta. Ihre Eindrücke verbreiten die Frauen ganz nebenbei auch in ihrer Heimat. „Früher lebten wir wie Expats in unserem Dorf“, meint Neuhäuser, die aus Westfalen stammt und zuletzt zehn Jahre in Ried bei München wohnte. „Doch wenn wir heute dort Urlaub machen, sind alle gespannt, was wir erzählen. Auf einmal spricht jeder über Rumänien!“