Heimattreffen der Banater Schwaben in Großsanktnikolaus

Römisch-katholische Kirche feierte 200-jähriges Konsekrationsjubiläum

Gruppenfoto vor dem Rathaus: Die deutschen Trachten aus Großsanktnikolaus ziehen alle Blicke auf sich. Foto: Claudiu Călin

Modell der Stadtpfarrkirche Großsanktnikolaus, angefertigt 1974 als Erinnerung an die Heimatkirche, anlässlich der Aussiedlung der Familie Wolf nach Deutschland Foto: Raluca Nelepcu

Der Temeswarer Bischof emeritus Martin Roos zelebriert die Festmesse zum 200-jährigen Konsekrationsjubiläum der Teresa-von-Ávila-Kirche in Großsanktnikolaus. Foto: Claudiu Călin

Der Temeswarer Bischof emeritus Martin Roos zelebriert die Festmesse zum 200-jährigen Konsekrationsjubiläum der Teresa-von-Ávila-Kirche in Großsanktnikolaus. Foto: Claudiu Călin

Im Alten Kino in Großsanktnikolaus/ Sânnicolau Mare steht am Samstag, den 5. Oktober, die deutsche Gemeinde, genauer gesagt: die deutsche römisch-katholische Gemeinde, im Mittelpunkt aller Geschehnisse. Eine großangelegte Veranstaltung haben das Demokratische Forum der Deutschen aus Großsanktnikolaus und seine Partner und Unterstützer auf die Beine gestellt – größtenteils über Mittel vom Departement für Interethnische Beziehungen finanziert, denn schließlich wird heuer das 200-jährige Jubiläum seit der Konsekration der römisch-katholischen Kirche in der Temescher Kleinstadt gefeiert. Das Gotteshaus, von Graf Sándor Náko gestiftet, ist der Heiligen Teresa von Ávila geweiht.

Am Rande des einstigen Kino-saals stehen mehrere Plakate mit Fotografien, die die Errichtung und Entwicklung der Kirche dokumentieren. Ganz vorne, vor der Bühne, sind alte Messgewänder, Kirchenobjekte, aber auch Gebetsbücher und Wappen ausgestellt. Die Objekte stammen aus dem Archiv der Pfarrei, die heute von Pfarrer Attila Andó betreut wird. Die römisch-katholische Gemeinde, zu der nicht nur Deutsche, sondern auch Rumänen, Ungarn und andere Nationalitäten gehören, zählt heute an die eintausend Gläubige.

Gastgeberin der Festveranstaltung ist diejenige, die seit etwa drei Jahren dieses Jubiläum im Hinterkopf behalten und das Jubiläumswochenende vom 4. bis zum 6. Oktober bis ins kleinste Detail organisiert hat: Dietlinde Huhn, Vorsitzende des Demokratischen Forums der Deutschen in Großsanktnikolaus, Deutschlehrerin a.D., die „Seele der heutigen Veranstaltung“, wie sie Bürgermeister D˛nu] Groza öffentlich bezeichnet. Sie ist es, die dafür gesorgt hat, dass das runde Kirchenjubiläum ausgiebig gefeiert wird – und zwar nicht nur „banatschwäbisch“, mit Trachtenumzügen und Tanz, sondern auch mit einem Rahmenprogramm, das Großsanktnikolaus und seine Geschichte in den Mittelpunkt rücken lässt. Dazu zählt auch der Festakt im Alten Kino, dem Politiker, Diplomaten, Medienvertreter, Einheimische und ganz viele Deutsche, die aus Großsanktnikolaus ausgewandert sind, doch die Verbindung zur „alten Heimat“ nie verloren haben, beiwohnen. Das meist erwartete Ereignis ist allerdings die Festmesse, die für Samstagnachmittag geplant ist.   

Bürgermeister D˛nu] Groza, der als erster Redner das Wort bei der Festveranstaltung im Alten Kino ergreift, sagt: „An diesem Morgen, als ich zu Fuß hierher kam, war der Gruß ‚Guten Morgen‘ und nicht ‚Bun˛ diminea]a‘.“ In diesem Zusammenhang erwähnt der Stadtvater die große Bedeutung der katholischen Kirche und der deutschen Gemeinschaft für die Stadt Großsanktnikolaus. „Ich danke der deutschen Gemeinschaft für das, was sie für unsere Stadt getan hat. Viele Deutsche sind inzwischen ausgewandert, aber wir, die wir hiergeblieben sind, erfreuen uns bis heute an den Dingen, die sie hinterlassen haben. Sie haben uns aber nicht nur Materielles hinterlassen, sondern auch wichtige Werte vermittelt, wie zum Beispiel die Disziplin“, hebt er hervor. Einen Tag vor der Festveranstaltung hat er die Deutschen im Rathaus empfangen und eine Stadtführung für die Gäste organisiert. Für das Unterbringen der Delegation aus der Partnerstadt Burgkirchen an der Alz hat ebenfalls das Bürgermeisteramt gesorgt. Vertreter der Gemeinde Burgkirchen und des Vereins „Altenhilfe Großsanktnikolaus“, der die Sozialstation in Großsanktnikolaus unterstützt, nehmen an der Festveranstaltung teil.
Regina Lochner, die deutsche Konsulin in Temeswar, richtet ein Grußwort an die Gäste. „Solche eine Kirchweih dient ja verschiedensten Zwecken. Sie bietet Anlass für Trachtenumzug, Festmesse, Tanz und geselliges Beisammensein. Sie bietet aber auch die Gelegenheit zur kulturellen Selbstvergewisserung, zur Bestimmung dessen, wo wir herkommen und was wir sind. Das ist heutzutage nicht zu unterschätzen“, betont sie.

Seitens des Demokratischen Forums der Deutschen in Rumänien wenden sich der deutsche Abgeordnete Ovidiu Gan] und der Landesvorsitzende Dr. Paul-Jürgen Porr an die Gäste im Saal. „Ich freue mich, wieder in Großsanktnikolaus zu sein. 200 Jahre römisch-katholische Kirche ist ein äußerst wichtiger Anlass aus der Perspektive der schwäbischen Gemeinschaft, es gibt praktisch eine Identifikation der Banater Schwaben mit der Römisch-Katholischen Kirche hier, im Banat. Ich komme öfter nach Großsanktnikolaus, weil mir die Schule und das Forum hier sehr am Herzen liegen“, sagt der Abgeordnete Ovidiu Gan], der die deutsche Abteilung in Großsantknikolaus als „nach der Lenau-Schule die wichtigste deutsche Abteilung im Kreis Temesch“ bewertet. Für den DFDR-Landesvorsitzenden Dr. Paul-Jürgen Porr ist es sein erster Besuch in Großsanktnikolaus. Unter den Banater Schwaben fühlt sich Dr. Porr sehr wohl, wie er selbst bekennt. „Im ganzen Banat haben sich die Banater Schwaben in schlechten Zeiten immer um ihre Kirche versammelt. Die Kirche war und ist auch heute Mittelpunkt des sozialen Lebens“, sagt der Landesvorsitzende. Dr. Johann Fernbach, Vorsitzender des Demokratischen Forums der Deutschen in Banat, ergreift als nächster das Wort. „Was wir heute hier begehen, ist mehr als nur ein Fest der deutschen oder der katholischen Gemeinschaft. Im Grunde ist es für die Stadt ein großes Fest, denn 200 Jahre katholische Kirche bedeutet gleichzeitig 200 Jahre Stadtgeschichte“, hebt Dr. Johann Fernbach hervor.

Das stimmt genau, wie nur wenige Augenblicke später aus dem Festvortrag von Peter-Dietmar Leber, dem Bundesvorsitzenden der Landsmannschaft der Banater Schwaben, selbst in Großsanktnikolaus gebürtig, hervorgeht. Leber ermöglicht den Anwesenden einen spannenden Einblick in die Geschichte der römisch-katholischen Kirche, die der Heiligen Teresa von Ávila geweiht ist. „1724 erhielt Mathias Öchsel die Erlaubnis, eine Bierbrauerei in dem Ort zu errichten. Ich erwähne ihn auch deshalb, weil dieser Mathias Öchsel, ein österreichischer Beamter aus einer wohlhabenden Familie, auch einen Antrag zum Bauen einer katholischen Kirche in Großsanktnikolaus gestellt hatte. Sie wurde Mitte des 18. Jahrhunderts errichtet“, lässt Peter-Dietmar Leber wissen. Es gab also schon vor 300 Jahren eine Kirche in der Ortschaft an der Aranka. Die Kirche, die in diesem Jahr ihr 200-jähriges Jubiläum in Großsanktnikolaus feiert, steht an einem anderen Ort als die erste Holzkirche, die durch die Überschwemmungen Anfang des 19. Jahrhunderts schwer beschädigt worden war. Die neue katholische Kirche wurde am 17. Oktober 1824 vom Tschanader Bischof Ladislaus Köszeghy de Remete konsekriert. Damals waren nur vier Kirchen des Bistums Tschanad konsekriert – die anderen waren nur gesegnet, schreibt Hans Fidelis Deschu, Dechantpfarrer in Großsanktnikolaus, zwischen 1951 und 1986: die Domkirche, die katholische Kirche in Altbeschenowa/ Dude{tii Vechi, die Klosterkirche in Maria Radna und die Kirche in Großsanktnikolaus. Ein Grußwort sprechen außerdem der Vorsitzende der HOG Großsanktnikolaus, Erwin Gallmann, und der Vorsitzende des Vereins „Altenhilfe Großsanktnikolaus“, Johann Schüssler.  

Auf dem Programm der Jubiläumsfeierlichkeiten steht auch das Totengedenken auf den beiden römisch-katholischen Friedhöfen im Ort und eine Andacht an der Gedenktafel für Dr. Hans Röhrich, ein berühmter Chirurg, gebürtig aus Großsanktnikolaus. Die Festmesse, die samstagnachmittags angesetzt ist, füllt die Teresa-von-Ávila-Kirche. Die Kinder und Jugendlichen in banatschwäbischer Tracht aus Großsanktnikolaus, Mitglieder der Tanzgruppe „Buntes Sträußchen“ unter der Leitung von Dietlinde Huhn, ziehen alle Blicke auf sich. Vor der Festmesse hat es einen Festumzug durch die Innenstadt gegeben, musikalisch von den Piusbläsern aus Burgkirchen an der Alz begleitet. Zelebriert wird die Festmesse vom emeritierten Temeswarer Bischof Dr. h. c. Martin Roos, ihm zur Seite stehen mehrere Geistliche, darunter Ortspfarrer Attila Andó, der langjährige Pfarrer in Großsanktnikolaus, Johann Ghinari, Generalvikar Johann Dirschl, der Salvatorianerpater Martin Gal, u.a.. Ein Chor ist vor der Festveranstaltung eigens für das Jubiläum gegründet worden und lässt alte deutsche Messlieder erneut im Gotteshaus erklingen. An der Violine ist der DFDB-Vorsitzende Johann Fernbach zu hören, die Orgel spielt der Musiker Erich Gagesch, der einst bei Dechant Deschu als Kantor mitgewirkt hatte. Erich Gagesch zeichnet auch für das gelungene Logo der Festveranstaltung verantwortlich. Am Ende der Heiligen Messe wird in der Kirche eine zweisprachige Gedenkplatte für die Opfer der Flucht und der beiden Deportationen gesegnet, gestiftet vom deutschen Ortsforum.

Samstagabend steht ein Ball auf dem Programm, der bis in den frühen Morgen dauert und für viel gute Unterhaltung sorgt. Mehr als 400 Menschen nehmen daran teil – die Hälfte der Gäste kommt aus Deutschland, verrät Organisatorin Dietlinde Huhn. Das Fazit der Veranstaltung fällt weitaus positiv aus. „Es hat meine Erwartungen erfüllt und sogar übertroffen. Ich fand es festlich, feierlich, aber gleichzeitig auch fröhlich und lustig. Ich fühle mich überglücklich“, schlussfolgert Veranstalterin Dietlinde Huhn.