Hinterfragt: Gemeinsamkeit, die ich meine

Da gibt es die große Welt und dort gibt es eine Stadt. Was ist Jerusalem? Nichts. Alles. Unter dem Deckmantel eines als einheitlich und als gemeinsam propagierten Rechtsstaates Israel wurde gerade jener von oben herab legislativ und damit normativ gefährdet. Mit wachsender Spannung konnte die Spaltung der Gesellschaft beobachtet werden, die über Nacht überwunden wurde, um ihrer Bedrohung zu begegnen – gemeinsam.

Wahre gesellschaftliche Gemeinsamkeiten sind eher intrinsisch. Meine Zugehörigkeit? Ich sehe mich als Siebenbürger Sachse und als solcher fühle ich mich wohl in meiner Haut. Als Hermannstädter bezeichne ich mich süffisant auch als Hosmok, um dem an und für sich ernsten Thema die Steifheit zu nehmen, bin ich doch als Mitglied einer Gemeinschaft auch ein Individuum, das mitbestimmt, was unter gesellschaftlicher Gemeinsamkeit verstanden wird, verstanden werden kann.

Die Heimat ist mein Jerusalem, zugleich konkret nichts und abstrakt alles, Königreich der Himmel und Kampfplatz alltäglicher Existenz, in der Kindheit ein Versprechen auf ein vertrautes und damit sicheres Umfeld, in späteren Jahren Erinnerung für eine Gemeinschaft, mit vertrauter Wohlfühlatmosphäre und gemeinsamer Handlungsstärke. Doch die Heimat ist auch mein Jerusalem, nichts und alles zugleich, mit Gemeinsamkeiten, die stets aufs Neue gesellschaftlich ausgehandelt werden müssen, wobei Meinungen in der Unterzahl auch Gehör finden sollten. Gemeinsamkeiten also, die nicht von oben herab vorgegeben werden um gemeinsam das zu tun, was eine Minderheit für richtig hält – angeblich der Gemeinsamkeit willens. Die Gemeinsamkeit, die ICH meine, gibt es als solche nicht – jene die WIR meinen, hingegen sehr wohl.

In den Wendejahren zeichnete der Spruch „wir wollen bleiben, was wir sind“ das Verständnis von Gemeinsamkeit aus und bestärkte so manchen in der Einstellung, man möchte unter seinesgleichen bleiben und das tun, was man selber für richtig hält. Das ist verständlich, bedenkt man, dass die rumänische Regierung und Verwaltung eher mit sich selbst beschäftigt war und die deutschen Bundes- und Landesregierungen die Aussiedler zunehmend stiefmütterlich und in der Fremdrentensache sogar nachteilig behandelt haben. Doch die Zeiten änderten sich. Früh zeigten sich z.B. in Tanzgruppen und im Harbachtal Erfolge des Jugendforums in der Zusammenarbeit mit Leuten außerhalb der deutschen Gemeinschaft. Seit mehreren Jahren bereits engagieren sich (auch) losgelöst von den Organisationsstrukturen der ev. Kirche Restauratoren mit ehrenamtlichen Helfern sowie im Rahmen akademischer Studienabschlussarbeiten angehende Architekten für siebenbürgische Kirchenburgen und Dorfstrukturen. Unlängst stellte Bischof Reinhart Guib beim Sachsentreffen nun fest: Für den Erhalt der Kirchenburgenlandschaft „gilt es Freunde zu gewinnen – auch aus der rumänischen Gesellschaft, NGOs von hüben und drüben, denn nur zusammen wird es uns gelingen.“
Wahre Freundschaften sind jene auf gleicher Augenhöhe – so wächst ein erweitertes Wir-Gefühl. Dem wollte die ADZ auf den Grund gehen und führte eine Umfrage durch – „Heimattreffen, Brauchtum, Kulturerbe: Nur für uns Deutsche oder für alle?“ Bevorzugt mit allen, antworteten 84,7% der Teilnehmer. Gemeinsamkeit ist folglich nicht mehr mit Zusammenrücken auszulegen, sondern bedeutet heutzutage, sich zu öffnen, anderweitig Freunde zu gewinnen, auch wenn deren Meinung von der landläufigen mal abweichen sollte. Gewiss, das ist gewöhnungsbedürftig, aber letztendlich gut. Je früher und je mehr der Organisatoren von Treffen/Veranstaltungen das berücksichtigen, so leichter fällt es allen – befürwortet wird das neue WIR jetzt bereits.